hinreichend viele davon zu erzeugen, damit der plastische
Chirurg Tobias Hirsch von der Ruhr-Universität Bochum den
Körper des Jungen mit ihnen bedecken konnte.
Nach zwei größeren Operationen, in denen die Ärzte
Hassans Oberhaut an Rumpf und Extremitäten ersetzten,
und einigen kleineren Eingriffen waren etwa 80 Prozent der
Epidermis des Jungen ausgetauscht. Bis heute ist das eine
Rekord-OP hinsichtlich der Menge des transplantierten,
genetisch modifizierten Gewebes. Als die Ergebnisse dieser
Arbeit 2017 in »Nature« publiziert wurden (siehe Spektrum
Januar 2018, S. 9), waren Hassans blutige Wunden weitge-
hend einer glatten und gesunden Haut gewichen.
Die Fachpublikation schildert nicht nur den klinischen
Verlauf des Falls, sondern erklärt auch, warum die Behand-
lung erfolgreich war. Haut besteht aus vielen verschiedenen
Zelltypen, einige davon kurz-, andere langlebig. De Luca
und sein Team haben gezeigt, dass eine erfolgreiche Trans-
plantation mit anhaltender Wirkung nur gelingt, wenn es
sich bei den gentechnisch veränderten Zellen um so ge-
nannte Holoklone handelt – einen relativ seltenen Zelltyp,
der sich unbegrenzt erneuern kann. Indem sie die Bedin-
gungen der Zellkultur sorgfältig regulierten, gelang es den
Wissenschaftlern, solche Holoklone zu züchten und damit
die Erfolgschancen der Transplantation zu erhöhen.
»Drei Jahre nach der Therapie haben sich auf Hassans
verpflanzter Haut keine neuen Blasen gebildet, und wir
hoffen, dass das lebenslang so bleibt«, sagt der Biomedizi-
ner. »Zwar konnten wir nicht überall auf seinem Körper die
Epidermis austauschen, weshalb es immer noch erkrankte
Regionen gibt, und Gewebe wie die Mundschleimhaut
konnten wir ebenfalls nicht behandeln – doch selbst, wenn
keine vollständige Heilung möglich war, sind doch vier
Fünftel seiner Haut wieder intakt.«
intensive Grundlagenforschung in der Stammzellbiologie
betrieben«, schildert De Luca. »Dabei haben wir reichlich
klinische Erfahrung gesammelt, somit lag es nahe für uns,
mit gentechnisch modifizierten Zellen auch seltene Hauter-
krankungen wie die EBJ zu therapieren.«
Hautzellen mit verändertem Erbgut für medizinische
Zwecke zu züchten, schlug erstmals 1994 der Dermatologe
Gerald Krueger von der University of Utah in Salt Lake City
vor. Bereits 2006 führten De Luca und sein Team eine
kleine Studie dazu durch. Sie behandelten einen 36-jähri-
gen Mann, der wegen eines Defekts im Gen LAMB3 an
EBJ erkrankt war. Das Team transplantierte ihm neun
kleine Hautstücke, die aus seinen eigenen Epidermiszellen
gezüchtet worden waren. Zuvor hatten die Forscher mit
Hilfe von Viren intakte LAMB3-Gene in die Zellen einge-
bracht. Die verpflanzten Hautstücke blieben mehr als ein
Jahr lang intakt und gesund, womit der Nachweis erbracht
war, dass der Therapieansatz die Erkrankung über längere
Zeit hinweg zurückdrängen kann.
Trotz dieses frühen Erfolgs kam De Lucas klinische
Forschung fast zehn Jahre lang zum Erliegen, ausgebremst
von der EU-Gesetzgebung hinsichtlich Zell- und Genthera-
pien. »Laut den Vorschriften galten unsere Transplantate als
Medizinprodukte und hatten denselben Regulierungspro-
zess wie diese zu durchlaufen«, berichtet der Biomediziner.
»Wir mussten alle Arbeiten stoppen, eine regelkonforme
Produktionsanlage aufbauen und die Therapie registrieren
lassen. Erst 2015 konnten wir unsere Studien endlich fort-
setzen.«
Fast die gesamte Oberhaut ersetzt
Für Hassan war das zum Glück gerade noch rechtzeitig. De
Luca und seine Kollegen entnahmen aus der Leistengegend
des Jungen ein winziges Hautstück, kultivierten die daraus
gewonnenen epidermalen Stammzellen und schleusten
mittels eines Virus eine intakte Version des Gens LAMB3 in
diese ein. Die nächste Herausforderung bestand darin, die
so veränderten Zellen zu Hautstückchen von jeweils etwa
zwölf Quadratzentimeter Fläche heranzuzüchten – und
WU LABORATORY, UNIVERSITY OF CHICAGO
Transplantiertes Hautgewebe einer
Maus unter dem Mikroskop.
AUF EINEN BLICK
ERFOLGSSTORY
FÜR DIE GENTHERAPIE
1
2015 haben Mediziner einen Jungen, der an einer ange-
borenen Hautkrankheit mit schwersten Komplikationen
litt, per Gentherapie behandelt – bis heute erfolgreich.
2
Sie entnahmen dazu Zellen seiner Oberhaut, korrigier-
ten einen genetischen Defekt darin, züchteten Hautge-
webe aus den Zellen und verpflanzten es auf seinen
Körper.
3
Das Verfahren könnte gegen viele weitere Krankheiten
und Gesundheitsprobleme helfen, womöglich etwa
gegen Diabetes oder Drogensucht.
Lederhaut
Haarfollikel
Oberhaut