Spektrum der Wissenschaft - 08.2019

(Ron) #1

dicht von der Außenwelt getrennt. Einer der Vorteile
davon: Die Glasinnenflächen kommen nicht mit Wasser­
dampf in Berührung, der kondensieren und den Durch­
blick trüben kann. Allerdings reagieren solche Scheiben
empfindlich auf Änderungen des Drucks in der Umge­
bung und verformen sich, wenn er nicht genau dem
Gasdruck im Zwischenraum entspricht. Das macht sich
vor allem indirekt durch optische Phänomene bemerkbar
(siehe »Umkränztes Lichtkreuz im Quadrat«, Spektrum
August 2017, S. 64).
So eine versiegelte Bauweise würden Doppelscheiben
bei den großen Druckunterschieden am Flugzeug me­
chanisch kaum überstehen – daher das kleine Loch zum
Ausgleich mit dem Kabineninnern. Das geht jedoch oft
auf Kosten der Durchsicht. Doch wie zur Entschädigung
für die Blicktrübung lassen sich dann am Acrylglas inte­
ressante Vorgänge beobachten, die man woanders kaum
zu Gesicht bekäme (siehe »Wie vergitterte Fenster die
Welt einfärben«, Spektrum Februar 2013, S. 54).
Zuerst zeigt sich im mittleren Bereich des Außenfens­
ters ein deutlicher Belag mit winzigen Tröpfchen. Denn
aus der Kabine sind Luft und Wasserdampf mit einer
höheren Temperatur in den kühlen Raum zwischen der


äußeren und mittleren Scheibe geraten. Hier wird nun
der Taupunkt unterschritten, das heißt der im doppelten
Wortsinn überflüssige Dampf kondensiert zu feinen
Tröpfchen. Sie schlagen sich an der kälteren äußeren
Scheibe nieder. An sich sind die mikroskopisch kleinen
Wasserperlen weitgehend durchsichtig; aber das Licht
wird an ihnen gestreut, also abgelenkt (siehe »Vernebelte
Durchsichten«, Spektrum November 2017, S. 70).

Auf verschiedenen Pfaden
zu lebhaften Farben
Wenn der beschlagene Bereich in Regenbogenfarben
erstrahlt, lässt das auf sehr kleine Tröpfchen schließen.
An ihnen wird das von außen eintreffende Sonnenlicht
gebeugt (siehe »Farbenschillernder Nebel«, Spektrum
September 2012, S. 46): Das Licht löst an den Tropfen
mehrere Elementarwellen in verschiedene Richtungen
aus. Treffen sich solche Wellen, die geringfügig unter­
schiedliche Wege im jeweiligen Tropfen zurückgelegt
haben, im Auge des Beobachters, fallen ihre Berge und
Täler im Allgemeinen nicht mehr zusammen. Sie haben
nicht mehr dieselbe »Phase«, und bei der Überlagerung
löschen sich einzelne Wellenlängen des weißen Lichts
aus, während sich andere verstärken. Das verändert die
spektrale Zusammensetzung, wodurch sich die Lichtwel­
len nicht mehr zu Weiß addieren, sondern in irisierenden
Farben erscheinen.
Wären die Tröpfchen einheitlich groß, würde man eine
Korona sehen, ein in Spektralfarben leuchtendes System
konzentrischer Ringe um die Sonne. So etwas entsteht in
der Natur manchmal durch dünne Wolken. An beschla­
genen Flugzeugfensterscheiben hingegen lassen sich voll
ausgebildete Koronen nur selten beobachten. Meistens
zeigen sich nur kleinere, unregelmäßige Bereiche einer
Farbe.
Häufig wird der beschlagene und kolorierte Bereich der
Scheibe von einigen offenbar trockenen und daher trans­
parenten Stellen durchlöchert (siehe Foto linke Seite). Die
Ursache dafür sind Eisnadeln, die an geeigneten Kristalli­
sationskeimen entstanden sind. Während ihres Wachs­
tums haben sie vom Wasserdampf gezehrt und dessen
lokale Konzentration drastisch reduziert – so stark, dass
Wassertröpfchen in unmittelbarer Nähe wieder verduns­
tet sind. Das Ergebnis sind klare, trockene Höfe um die
Eisnadeln herum. Wie man an einigen Stellen erkennen
kann, sind einige von ihnen zu größeren Bereichen zu­
sammengewachsen. Ich konnte während des weiteren
Flugs beobachten, wie mit der zunehmenden Kristallbil­
dung schließlich fast der gesamte Tröpfchenbelag ver­
schwand und mit ihm das Farbenspiel.
Die optischen Erscheinungen an den Scheiben hängen
stark von den äußeren Bedingungen ab. Weil Letztere
sich ständig ändern, sind auch Erstere meist nur von
kurzer Dauer. Neben dem Vorbeiziehen weit entfernter
Landschaften spielt also direkt am Flugzeugfenster ein
zweiter, ebenfalls bemerkenswerter Film. 

H. JOACHIM SCHLICHTING

Die Acrylglasscheiben sind optisch doppelbrechend,
das heißt, sie brechen Licht abhängig von dessen
Ausbreitungs- und Schwingungsrichtung. Da das
Himmelslicht teilweise polarisiert ist, zeigen sich oft
regenbogenähnliche Farben, wenn sich die in den
Fenstern abgelenkten Anteile passend überlagern.

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