Spektrum der Wissenschaft - 08.2019

(Ron) #1

REZENSIONEN


Eines haben Sportler und Seefahrer
aber gemeinsam: Beide wechselten für
den Höhepunkt ihrer Karriere zu den
Königlichen nach Spanien. Als »Fidal­
go«, also als junger Angehöriger des
niederen Adels, hatte Magellan zwar
einige Fahrten unter portugiesischer
Flagge nach Indien und Malakka (eine
damalige Metropole im heutigen
Malaysia) unternommen, war an
Schlachten – etwa der Eroberung
Mombasas – beteiligt und leistete
Kriegsdienst in Nordafrika. Doch
anscheinend blieben ihm weitere
Fahrten in die Reichtum versprechen­


den Gewürzländer des Ostens ver­
wehrt, so dass er sich nach anderen
Möglichkeiten umsah. Gemeinsam
mit dem Kaufmann Cristóbal de Haro
plante er, eine Flotte zu den Molukken
zu schicken, eine indonesische Insel­
gruppe und damals der einzige
Gewürznelken­Exporteur. Für diese
Expedition gewannen die beiden
schließlich die kastilische Krone,
genau genommen den gerade erst
gekrönten König Karl V., als Investor.
Es wundert nicht, dass die Portugie­
sen diese Initiative ihres Landsmanns
als Hochverrat betrachteten.
Jostmann zeichnet ein lebendiges
Bild der Zeit, indem er sich vor allem
auf offizielle Dokumente stützt, die
Informationen über Verhandlungen
und persönlichen Verbindungen
liefern. Die damaligen Seefahrtunter­
nehmungen waren höchst politische
Angelegenheiten: Portugal und Spa­
nien konkurrierten um nichts Geringe­
res als die Weltherrschaft. Zwar hatten
die beiden Seefahrernationen den Erd­
ball mit dem Vertrag von Tordesillas
1494 unter sich aufgeteilt: Portugal
erhielt alles, was sich östlich einer Linie
1770 Kilometer westlich der Kapverdi­
schen Inseln befand, Spanien alles
westlich davon. Doch immer wieder
entbrannten Konflikte darum, wo die
entsprechende Grenze auf der anderen


Seite des Erdballs verlief. Spanien
erhob daher Anspruch auf die Moluk­
ken. Um eine Route dorthin durch
eigenes Territorium nutzen zu können,
mussten die Spanier den Weg nach
Westen besser erkunden und zudem
eine Wasserstraße finden, die den
Atlantik und den Pazifik durch Amerika
hindurch verband. Die Ausmaße
dieses Kontinents konnten die damali­
gen Zeitgenossen kaum abschätzen.
Auf hoher See hörte die Politik
nicht auf. Zwar hatte der Generalkapi­
tän um sich herum einen loyalen
Trupp aus Verwandten, Bekannten
und Landsleuten geschart, doch
andere Führungskräfte begehrten
unterwegs gegen ihn auf – sicher
auch, weil Magellan nicht unbedingt
ein Freund von Transparenz und
Kommunikation war. Es entwickelte
sich ein Seefahrtabenteuer mit so
ziemlich jeder Dramatik: eine blutig
niedergeschlagene Meuterei, ein
abtrünniges Schiff, Stürme, Skorbut
und Konflikte mit Indigenen. Jost­
mann beschreibt das im ebenso
spannenden zweiten Teil des Buchs,
stellt dabei klar heraus, was Mythos
und was belegtes Geschehen ist,
und ergänzt seinen weitgehend chro­
nologisch ausgebauten Bericht mit
wertvollen Informationen zur Schiff­
fahrt dieser Zeit. Im Inneren des Ein­
bands unterstützen den Leser eine
Weltkarte mit der nachgezeichneten
Route Magellans sowie eine Grafik,
die den Aufbau eines Segelschiffs des

16. Jahrhunderts erklärt.
Die Entdeckung der nach Magellan
benannten Meeresstraße nördlich von
Feuerland, die seine Schiffe an kargen
Bergen vorbei in den Pazifik führte,
markierte erst die Halbzeit jener be­
rühmten Weltumsegelung, die so nie
geplant war. Nach einer langen, buch­
stäblichen Durststrecke erreichte die
dezimierte Mannschaft schließlich
Anfang November 1521 auf zwei
Schiffen die Molukken. Magellan war
da längst tot. Fast ein Jahr später
kehrte allein die »Vitoria« nach Spanien
zurück – kaum noch fahrtüchtig, aber
mit dem Bauch voller Gewürznelken.
Ebenso erfüllt, aber weit weniger
erschöpft lässt das Buch auch die
Leser zurück. Jostmann verknüpft ge­


konnt die historischen Quellen zu einer
spannenden Erzählung, ohne Überlie­
ferungslücken mit Spekulationen zu
füllen und somit den Sachbuchcharak­
ter aufzuweichen. Man merkt, dass
der Autor in dem Genre zu Hause ist,
hat er sich doch bereits in früheren
Büchern auf historische Reisen bege­
ben – etwa auf die Spuren Amundsens
und Scotts oder auf alten Pilgerpfaden
nach Rom. Seinen Magellan­Bericht
bereichert er mit geografischen,
sozialen und wirtschaftlichen Exkur­
sen, verliert aber nie das Thema aus
den Augen. Zwar wendet sich der
Band eher an interessierte Laien, wie
die wenigen, eher überflüssigen
Fußnoten nahelegen, doch dürfte er
auch für Experten einen gelungenen
Überblick bieten. Ein hilfreiches Per­
sonenverzeichnis sowie eine umfang­
reiche Bibliografie haben es leider
nicht ins Buch geschafft, sondern sind
lediglich auf der Website des Autors
abrufbar.
Der Rezensent Sebastian Hollstein ist Wissen­
schaftsjournalist in Jena.

CHEMIE
FRÜHSTÜCKSKAFFEE
UND BAKTERIEN
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Die Youtuberin Mai Thi Nguyen-
Kim weckt Begeisterung für die
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Mai Thi Nguyen­Kim hat eine Missi­
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möchte das Wissen über Chemie
populär machen. Um ihrem Publikum
die Berührungsangst vor dem Fach zu
nehmen, schildert sie in diesem Buch

Mai Thi Nguyen-
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KOMISCH, ALLES
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Handys, Kaffee,
Emotionen – wie
man mit Chemie
wirklich alles
erklären kann
Droemer,
München 2019
256 S., € 16,99

Die Portugiesen be­


trachteten Magellan


als Hochverräter

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