Der Stern - 29.08.2019

(Tina Meador) #1

Nicole Simon wurde durch einen
Onlinekurs der Harvard University auf
das Thema Klimawandel und
Gesundheit aufmerksam. In Rainer
Sauerborn fand sie einen deutschen Experten
von internationalem Rang


Sie unterstützen die „Fridays for Future“-


Bewegung?


Voll und ganz, und am 20. September


werde ich auch selbst mitdemonstrieren.


Wo sehen Sie den größten Handlungs-


bedarf?


Zunächst in der Politik, denn wir müssen


bis 2050 CO 2 -neutral werden. Alle gesell-


schaftlichen Sektoren müssen dazu ihren


Beitrag leisten. Es darf nicht passieren, dass


Klimaschutz immer die Aktion und Ver-


antwortung des anderen ist: Der Bürger


zeigt auf die Regierung, die zeigt auf die


Energiewirtschaft und die auf das Ausland.


Für diese Spielchen haben wir wirklich kei-


ne Zeit mehr.


Und worauf muss sich das Gesundheits-


system einstellen?


Alle, die im Gesundheitswesen arbeiten,


müssen gut geschult werden, es braucht


Vorbereitungen für die Zunahme von


klimasensiblen Erkrankungen, genauso


wie Frühwarnsysteme. Eins muss aber


auch klar sein, und das haben wir im letz-


ten großen Bericht des Weltklimarates


auch deutlich gemacht: Einem unge-


bremsten Klimawandel stehen wir Ärzte


und Gesundheitsarbeiter machtlos gegen-


über. Deswegen müssen wir verhindern,


dass der Klimawandel weiter voranschrei-


tet, und unsere Emissionen radikal senken.


Dafür braucht es aber Investitionen. Und


die scheuen viele Verantwortliche.


Das Kostenargument geht in die Irre. Die


Kosten klimapolitischer Maßnahmen sind


ja um ein Vielfaches niedriger als die wirt-


schaftlichen Schäden des Klimawandels


selbst, nicht zuletzt die Krankheitskosten.


Investitionen in Klimaschutz zahlen sich


dagegen gleich dreifach aus: gesundheit-


lich, sozial und auf lange Sicht auch finan-


ziell. Wir müssen endlich weg von dieser


Sicht, dass es beim Klimaschutz nur um


Geld, Verzicht und Opfer geht.


Aber es geht doch auch um Verzicht,


den Verzicht auf Autos, Fernreisen oder


importiertes Essen.


Ja, wir alle müssen in vielen Bereichen an-


ders leben. Eine klimagerechte Welt aber


ist so viel lebenswerter und gesünder.


Es macht mehr Spaß, in grünen Städten zu


wohnen, saubere Luft zu atmen, Fahrrad


zu fahren und gutes Essen auf dem Teller


zu haben. Was gut für das Klima ist, ist gut


für die Gesundheit. (^2)
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