sich behalten haben, weil er sie nicht für
gerichtsverwertbar hielt.
Lambrecht: Nach meiner Vorstellung
muss sichergestellt sein, dass die Waffen-
behörden bei der Regelabfrage alle not-
wendigen Informationen vom Verfassungs-
schutz erhalten. Es schüttelt doch jeder
Bürger den Kopf bei der Vorstellung, dass
jemand mit rechtsradikalem Hintergrund
Waffen horten darf. Da brauchen wir drin-
gend eine Verschärfung.
SPIEGEL:Änderungen des Waffenrechts
rufen in der Regel den Widerstand von Jä-
gern und Sportschützen hervor.
Lambrecht:Es geht nicht um unbeschol-
tene Sportschützen oder Mitglieder in
Schützenvereinen. Es geht um Leute, die
als Extremisten aufgefallen sind. Wenn je-
mand als Reichsbürger bekannt ist, der
diesen Staat ablehnt, dann darf ihm der
Staat nicht ermöglichen, eine Waffe zu be-
sitzen.
SPIEGEL:Sie wollen auch den Verfolgungs-
druck auf Täter aus dem antidemokrati-
schen Milieu verstärken. Wie genau, ist
uns aber nicht klar.
Lambrecht:Entscheidend ist, den Nähr-
boden für Gewalttaten konsequent zu
bekämpfen: Morddrohungen, Volksver-
hetzungen und rassistische Verunglimp-
fungen im Internet müssen hart verfolgt
werden. Wir erleben doch, wie Hass im
Netz in brutale Gewalt umschlagen kann.
Hier müssen wir die sozialen Netzwerke
noch stärker in die Pflicht nehmen. Das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz sieht vor,
dass strafbare Hassbotschaften im Netz
von den sozialen Netzwerken gelöscht
werden müssen. Bis Ende des Jahres wer-
den wir hierzu weitere Vorschläge unter-
breiten. Gleichzeitig brauchen wir eine
konsequente Strafverfolgung durch Poli-
zei und Justiz. Es gibt mehrere gute Bei-
spiele aus den Ländern, die sich ganz in-
tensiv mit der Bekämpfung von Hasskri-
minalität im Netz beschäftigen, etwa
durch die Einrichtung von spezialisierten
Staatsanwaltschaften.
SPIEGEL:Ein Hauptproblem ist doch, dass
Anbieter wie Facebook die IP-Adressen
ihrer Nutzer nicht herausgeben. Sie ver-
weisen auf ihre Unternehmenssitze in den
USA und verlangen, dass entsprechende
Anträge dort gestellt werden.
Lambrecht:Das nehmen wir nicht hin und
schaffen derzeit unter dem Stichwort
»e-Evidence« europäische Regelungen,
nach denen Anbieter innerhalb kürzester
Zeit Daten an Staatsanwaltschaften heraus-
geben müssen.
SPIEGEL:Wie wollen Sie denn die Netz-
werke zur Kooperation zwingen? Die wir-
ken wenig begeistert von Ihren Plänen.
Lambrecht:Das ist wie im täglichen Le-
ben. Wer ist schon begeistert, wenn die
Staatsanwaltschaft ermittelt und Informa-
tionen haben will? Wenn die Anbieter
nicht mit der Justiz kooperieren, wird das
künftig harte Konsequenzen haben, dann
drohen hohe Bußgelder.
SPIEGEL:Ihr Kabinettskollege Horst See-
hofer will das Überwachen von verschlüs-
selter Kommunikation über Messenger-
dienste wie WhatsApp ermöglichen. Was
halten Sie von der Idee?
Lambrecht:Wir dürfen als Staat nicht hin-
terherhinken, wenn es um das Aufklären
von Straftaten geht. Daher haben wir 2017
die Onlinedurchsuchung und die soge-
nannte Quellen-Telekommunikationsüber-
wachung eingeführt. Beide Maßnahmen
ermöglichen den Strafverfolgungsbehör-
den in bestimmten Fällen, auf die Kom-
munikation eines Beschuldigten über Mes-
sengerdienste zuzugreifen, bevor diese ver-
schlüsselt wird. Wichtig ist, die technischen
Fähigkeiten der Ermittler zum Entschlüs-
seln von Kommunikation zu verbessern.
Ich werde darauf achten, dass hierbei die
Balance zwischen dem Schutz der Grund-
rechte der Bürger und den legitimen Inte-
ressen der Sicherheitsbehörden und der
Justiz stimmt.
SPIEGEL:Aber den Zugriff des Staates
etwa auf Telefongespräche über das Inter-
net via Skype oder andere Anbieter finden
Sie sinnvoll?
Lambrecht:Die Ermittler dürfen bereits
heute auf richterliche Anordnung hin Te-
lefonate überwachen – unabhängig ob
diese über das Festnetz oder Internet ge-
führt werden. Um IP-basierte, verschlüs-
selte Telefonate zu überwachen, haben
wir die Quellen-Telekommunikationsüber -
wachung eingeführt.
SPIEGEL:Am Wochenende wird in Bran-
denburg und Sachsen gewählt. Ihr Vorvor-
gänger Heiko Maas hat einmal gesagt, Pe-
gida sei eine »Schande für Deutschland«.
Wäre es aus Ihrer Sicht auch eine Schande
für Deutschland, wenn die AfD in Sachsen
oder in Brandenburg stärkste Kraft würde,
wo Politiker mit rechtsextremer Vergangen-
heit wie Andreas Kalbitz den Ton angeben?
Lambrecht:Es wäre kein gutes Signal für
unsere Demokratie, wenn Kandidaten, die
sich so problematisch äußern und offenbar
eine rechtsextreme Vergangenheit haben,
bei Wahlen Erfolg hätten. Den Wählern
muss klar sein, dass sie mit ihrer Stimme
nicht nur Protest ausdrücken, sondern dass
sie dann auch diese Positionen unterstützen.
SPIEGEL:Maas hat immer gesagt, Rechts-
politik sei Gesellschaftspolitik, er hat sich
zu allen möglichen politischen Themen ge-
äußert. Ihre unmittelbare Vorgängerin Ka-
tarina Barley hat dann eher klassische
Rechtspolitik betrieben. In welche Rich-
tung wollen Sie gehen?
Lambrecht:Als Justizministerin bin ich
verantwortlich für den Rechtsstaat und ein
ausgewogenes Verhältnis von Freiheit und
Sicherheit. Ich finde es aber gut, dass ich
auch Ministerin für Verbraucherschutz bin,
weil sich diese beiden Bereiche nicht nur
ergänzen, sondern sich auch bedingen.
Der Verbraucherschutz ist heute viel wei-
ter gefasst als früher, als er beim Landwirt-
schaftsministerium angesiedelt war und es
vor allem um Lebensmittel ging. Deshalb
habe ich sehr schnell ein umfassendes Ver-
braucherschutzpaket vorgelegt. Zum Bei-
spiel sollen Vertragsabschlüsse mit Strom-
oder Gasversorgern, die den Kunden am
Telefon aufgedrängt werden, schriftlich be-
stätigt werden müssen. Das hilft den Ver-
brauchern und ist gute Rechtspolitik.
SPIEGEL:Die SPD wählt ja bald eine neue
Spitze. Wie groß ist Ihre Hoffnung, noch
die gesamte Legislaturperiode im Amt blei-
ben zu können?
Lambrecht:Ich gehe davon aus, dass diese
Koalition bis 2021 hält. Ich möchte die
Möglichkeiten nutzen, noch viele positive
Veränderungen auf den Weg zu bringen.
SPIEGEL:Eine Mehrheit in Ihrer Partei
scheint das anders zu sehen.
Lambrecht:Es ist für die Bürger ganz
wichtig, dass wir die vielen Verbesserun-
gen, die ich angesprochen habe, auch um-
setzen. Das betrifft das Mietrecht genauso
wie den Verbraucherschutz. Dafür brau-
che ich entsprechende parlamentarische
Mehrheiten. Es gibt gute Gründe, in der
SPD für eine Fortsetzung der Koalition zu
werben. Ich werde meinen Teil dazu bei-
tragen, dass diese guten Argumente auch
eingebracht werden.
SPIEGEL:Welches Führungsteam ist Ihr
Favorit?
Lambrecht:Noch sind ja Bewerbungen
möglich. Es gebietet schon die Fairness,
dass ich mich da vorher nicht festlege. Ich
werde mir auch die Regionalkonferenzen
anschauen, bevor ich eine endgültige Ent-
scheidung treffe. Es geht ja nicht nur um
die Personen, sondern auch die Positionen,
die dahinterstehen. Da wird möglicherwei-
se im Verlauf der Debatten noch einiges
klarer.
SPIEGEL:Aber Sie werden ein Kandi -
datenteam unterstützen, das die Große
Koalition fortsetzen möchte?
Lambrecht:Wir wollen noch viel für die
Bürgerinnen und Bürger bewegen. Unsere
Vorhaben können wir nur umsetzen, wenn
wir mitregieren. Deswegen befürworte ich
die Fortsetzung dieser Koalition. Dass das
auch meine Wahlentscheidung beeinflusst,
ist klar.
Interview: Melanie Amann, Ralf Neukirch
DER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019 29
Deutschland
»Es gibt gute Gründe,
in der SPD für eine
Fortsetzung dieser
Koalition zu werben.«