Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1

seinen Polizeibehörden fordert Reul, einen
Raum einzurichten, der sich für die Ver-
nehmung junger Missbrauchsopfer eignet,
er soll bunt sein, es soll Spielzeug geben.
Die Landesregierung hat kürzlich an der
Uniklinik Köln ein Zentrum für Kinder-
schutz gegründet, eine Anlaufstelle für
Ärzte, deren Patienten möglicherweise
missbraucht wurden. Ab 2020 soll eine
Landesfachstelle Tagungen und Work-
shops anbieten. Man will Lehrer und Er-
zieher besser ausbilden, Hotlines oder
Apps einrichten, über die sich Betroffene
anonym melden können.
Die Grünen im Landtag fordern ein Lan-
despräventionsgesetz, die SPD wünscht
sich mehr Geld für die Jugendämter. Es
mangelt nicht an Konzepten, doch das al-
les sind Einzelmaßnahmen, eine politische
Gesamtstrategie gegen Missbrauch fehlt,
auch in Nordrhein-Westfalen.
Was helfen könnte, wären Missbrauchs-
beauftragte in den Landesregierungen.
Das ist zumindest die Empfehlung von
Johannes-Wilhelm Rörig. Sie sollten mehr
Befugnisse haben als er, näher dran
sein am Regierungsgeschehen. Im April
schrieb Rörig Briefe an alle Ministerpräsi-
denten, darin heißt es: »Wünschenswert
wäre, dass dieses Amt innerhalb der Lan-
desregierung einer/einem Staats sekre -
tär*in übertragen wird.« Außerdem solle
es in jeder Landesregierung einen Arbeits-
kreis geben, in dem die betroffenen Mi-
nisterien vertreten sind: Jugend, Justiz,
Inneres, Bildung, Soziales, Gesundheit,
Finanzen und die Staatskanzlei. Also na-
hezu alle. Die Länder müssten »deutlich
mehr tun, um Fälle wie in Lügde zu ver-
hindern«, sagt Rörig.
Doch seine Briefe sind in einigen Staats-
kanzleien nicht so gut angekommen. Die
Rückmeldungen seien »ernüchternd« ge-
wesen, sagt Rörig, viele Länder seien »re-
flexartig in den Abwehrmodus« gegangen.
Nur Thüringen wies darauf hin, man habe
bereits eine Art Missbrauchsbeauftragte.
Vier Länder antworteten gar nicht, andere
lehnten den Vorschlag ab. Baden-Würt-
temberg und das Saarland, wo zuletzt
Missbrauchsskandale bekannt geworden
sind, zeigten sich offen für die Idee.
Und Nordrhein-Westfalen. Dort können
sich alle vorstellen, einen Landesbeauf-
tragten gegen Kindesmissbrauch zu ernen-
nen. Gute Idee, hört man bei der Regie-
rung und in der Opposition. Warum die
Stelle dann nicht besetzt ist? Unklar. In-
nenminister Reul sagt, er sei »eigentlich
kein Freund von Rufen nach irgendwel-
chen Beauftragten«. Dass eine solche Stel-
le sinnvoll sein könnte, schließe er aber
auch nicht aus.


Lukas Eberle, Jan Friedmann,
Ann-Katrin Müller
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