Die Welt Kompakt am Sonntag - 25.08.2019

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Weltraumbehörde Nasa berichtet anhand der Sa-
tellitenaufnahmen, die Brände seien die schlimms-
ten seit zehn Jahren. Die Zahl der Brände in ganz
Brasilien hat sich innerhalb eines Jahres fast ver-
doppelt. Die brasilianischen Behörden zählten im
Jahr 2018 insgesamt 41.404 Feuer, in diesem sind es
nun schon 76.720 Brände, eine Steigerung um 85
Prozent. Trotzdem bewegten sich die Brände da-
mit aber immer noch im Durchschnitt des laufen-
den Jahrhunderts.
Viele der offenbar von Menschen verursachten
Brandherde sind nur auf dem Luftweg zu errei-
chen. Doch die riesigen Distanzen und das Fehlen
von genügend Löschflugzeugen machen es den Be-
hörden schwer, die Flammen zu bekämpfen.
Brandbekämpfung war noch nie eine Priorität bra-
silianischer Politik. Die Konsequenzen sind nun
dramatisch.

DER ZYKLUS DER JAHRESZEITENIn der Regel
brennt es in Brasilien in den trockenen Monaten
August bis September, in den danach beginnenden
regenreicheren Monaten gehen die Brände dann
von allein aus. Ein jährlich wiederkehrender Zy-
klus. Das ist auch der Grund, warum die Aufregung
im Land selbst deutlich geringer ist als im Aus-
land, wo die Brände inzwischen wegen ihrer Di-
mension und der Bedeutung des Amazonas-Ge-
biets für das Weltklima eine viel größere Aufmerk-
samkeit erfahren. Trotzdem gab es am Freitag-
abend während der im Fernsehen übertragenen
Rede des Präsidenten erstmals eine Protestaktion
in Rio de Janeiro: Als Bolsonaro am Freitagabend
im Fernsehen sprach, schlugen sie zeitgleich mit
Löffeln auf Kochtöpfe, eine in Südamerika übliche
Form, seinen Unmut auszudrücken.
Zurzeit brennt in der Region nicht der Kernwald
des Amazonas im Norden des Landes, der sich um
den gleichnamigen Fluss windet; es sind vielmehr
die Wälder im Zentrum Brasiliens und im Osten
Boliviens, dort, wo ohnehin schon ein Großteil der
Fläche in Weide- und Anbauflächen umgewandelt
worden ist. In Bolivien sind es beispielsweise die
in unmittelbarer Nachbarschaft Brasiliens befind-
lichen Savannen und Trockenwälder Chiquitania
und Chaco. Sie sind mit den feuchten Tropenwäl-
dern des brasilianischen Nordens nicht zu verglei-
chen und grundsätzlich viel anfälliger für Brände.
Das sorgt für viele Fehler. So ging ein aufrütteln-
der Hilfeschrei einer indigenen Frau um die Welt,
der inmitten einer Feuersbrunst im Amazonas auf-
genommen worden sein soll. Tatsächlich stammt

das Video aber aus Minas Gerais im Südosten Bra-
siliens und ist schon einige Wochen alt.
Bolsonaros Zweifel am Klimawandel und seine
brutale Ehrlichkeit über die Priorität der Wirt-
schaftspolitik fallen ihm nun auf die Füße. Das
wiederum besorgt die brasilianische Agrarindus-
trie, die um den Export fürchtet. Da hilft es auch
nicht, dass Bolsonaro nun eine „Null-Toleranz-Po-
litik“ gegenüber illegaler Abholzung im Amazonas
verspricht. Am Freitag kündigte er die Entsendung
des Militärs gegen die Brände an. Ohne die jüngste
Kritik des französischen Präsidenten Emanuel
Macron direkt anzusprechen, kritisierte er, dass
„Botschaften und Daten ohne Fundament, die in
und außerhalb Brasiliens verbreitet würden, nicht
helfen, das Problem zu beseitigen“.
Bolsonaro hat völlig unterschätzt, dass er nun
von den Europäern zum globalen Buhmann der
Klimawende gemacht wird. Unterstützung und
Hilfsangebote kommen derzeit nur aus den USA
und Israel. Die Kritik an Brasiliens aggressivem,
nur auf Profite der Agrarindustrie ausgerichtetem
Kurs überlagert derzeit auch eigene europäische
Versäumnisse beim Klimaschutz. Und zahlreiche
NGOs nutzen die Gelegenheit, das jüngst abge-
schlossene Freihandelsabkommen Europas mit
dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur
infrage zu stellen. Allerdings könnte genau dieses
Bündnis ein Instrument sein, die brasilianische
Wirtschaft zu einem Kurswechsel zu zwingen.

ZWEIERLEI MASS VVVon der internationalen Kritikon der internationalen Kritik
verschont wird dagegen Boliviens linksgerichteter
Präsident Evo Morales, in dessen Land es ebenfalls
lichterloh brennt. Morales trifft inhaltlich ähnli-
che politische Entscheidungen wie sein rechtspo-
pulistischer Amtskollege Bolsonaro: Er erließ zum
Entsetzen lokaler Umweltschützer erst vor ein
paar Wochen ein Dekret, das die Abholzung in
zwei Amazonas-Provinzen ermöglicht, um den Ex-
port bolivianischer Agrar-Produkte nach China
und Russland zu stärken. Er befürwortet eine Au-
tobahn durch ein indigenes Naturschutzgebiet,
träumt von einer interozeanischen Eisenbahn-
frachtlinie von der Atlantik- zur Pazifikküste und
setzt auf Atomkraft.
Tatsächlich ist der Konflikt, der sich um den
Brand des Amazonas auftut, nicht so sehr einer
zwischen links und rechts. Sondern hier prallen
die Interessen ärmerer Staaten an wirtschaftlicher
Entwicklung auf die Klimasensibilitäten der ent-
wickelten Welt, die inzwischen andere Sorgen hat
als die, möglichst viele Menschen in Lohn und
Brot zu bringen.

FORTSETZUNG VON SEITE 5

Sao Paulo Der Himmel ist von den
Rauchschwaden verdunkelt, die Bewohner
berichteten von schwarzem Regen

DPA/

ANDRE LUCAS

Die


brasilianischen


Behörden


zählten im Jahr


2018 insgesamt


41.404 Feuer,


in diesem sind


es nun schon


76.720 Brände,


eine Steigerung


um 85 Prozent


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der Hilfeschrei einer indigenen Frau um die Welt,

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der inmitten einer Feuersbrunst im Amazonas auf-
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