er Spiegel - 10. August 2019

(John Hannent) #1
A

m 11. November 2015 begann
für Bakery Jatta der Traum von
einer Karriere als Bundesliga -
profi wahr zu werden. An die-
sem Tag unterschrieb ein Mitarbeiter
der Ausländerbehörde Bremen ein Do -
kument mit dem Titel »Aussetzung der
Abschiebung (Duldung)«. Ein Passfoto
Jattas klebte darin, darunter ist seine
Unterschrift. Der Mitarbeiter kreuzte an:
»Die Personalangaben beruhen auf den
eigenen Angaben der Inhaberin/des In -
habers.«


Der junge Mann aus dem westafrikani-
schen Gambia durfte in Deutschland blei-
ben. Und die Geschichte des Bakery Jatta
sollte eine der rührendsten werden, die die
Fußballbundesliga erlebt hat: Ein jugend -
licher Flüchtling entflieht der Armut Gam-
bias, durchquert die Sahara und strandet in
Bremen, wo eher zufällig sein fußballeri-
sches Talent entdeckt wird. Er landet beim
ruhmreichen Hamburger Sport-Verein, ohne
vorher in seiner Heimat Vereinsfußball ge-
spielt zu haben, spielt in der höchsten deut-
schen Liga und wird zum Liebling der Fans.

Dieses Märchen endete – vorerst – am
Mittwoch, als »Sport Bild« einen Bericht
veröffentlichte, dem zufolge es Zweifel an
Jattas Identität und seiner Biografie gibt.
Jatta, laut seinen Duldungspapieren ge -
boren am 6. Juni 1998, soll in Wahrheit
zweieinhalb Jahre älter sein, er soll früher
Bakary Daffeh geheißen und schon in der
U-20-Nationalmannschaft Gambias ge-
spielt haben.
Die Reaktionen auf den Bericht spiegeln
die Zerrissenheit des Landes im Umgang
mit Flüchtlingen wider. »In Deutschland

88 DER SPIEGEL Nr. 33 / 10. 8. 2019

Der Wunder-Flüchtling


VereineBakery Jatta schaffte es von Gambia in die Bundesliga. Nun gibt es Zweifel an seiner
Identität und seiner Biografie. Der HSV hatte offenbar wenig Interesse, den Fall aufzuklären.

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HSV-Profi Jatta: »Einem gesellschaftlichen Spießrutenlauf ausgesetzt«
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