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THEODOR BARTH / DER SPIEGEL
Der Augenzeuge
»Wind in den Haaren«
Etliche Senioren sind körperlich nicht mehr in der
Lage, Fahrradausflüge zu unternehmen, obwohl sie
gern in der frischen Luft unterwegs wären. Das Pro-
jekt »Radeln ohne Alter« lädt Betagte zu Ausfahrten
in Rikschas ein. Die Initiative kommt aus Kopenha-
gen, es gibt sie in 21 deutschen Städten. Im nordrhein-
westfälischen Hennef fährt Christoph Lügering, 57,
alte Menschen ehrenamtlich durch die Stadt.
»Wie wichtig es für ältere Menschen ist, mal aus dem All-
tag rauszukommen, wurde mir zum ersten Mal bei einem
Besuch bei meiner Schwiegermutter bewusst, die in einem
Seniorenheim lebte. Sie war so froh, uns mit ihrem Rollator
ein paar Schritte vor das Haus begleiten zu können, den
Wind in ihren Haaren zu spüren. Dieses Gefühl wollte ich
auch anderen Menschen geben, Senioren, die es nicht mehr
schaffen, längere Strecken zu gehen, aber gern mal dem
Alltag entfliehen würden. Um das zu ermöglichen, habe ich
vor wenigen Monaten ein paar Nachbarn und Freunde über-
zeugt, mit mir bei dem weltweiten Projekt ›Radeln ohne
Alter‹ mitzumachen. Wir konnten gleich zwei Rikschas orga-
nisieren, das sind Fahrräder mit Elektroantrieb, bei denen
vorn in einem Wägelchen zwei Passagiere sitzen. Eine finan-
zierten wir mit Spenden und eigenen Mitteln, die andere
wurde uns von den Stadtwerken zur Verfügung gestellt.
Jede Woche fahren wir damit in Altenheime und nehmen
vier Senioren mit auf einen ein- bis zweistündigen Ausflug.
Während der Fahrt erzählen sie uns oft Anekdoten aus
ihrem Leben. Manchmal genießen sie aber auch einfach nur
die Natur. Besonders gern fahren unsere Passagiere an der
Sieg entlang, einem Fluss in Hennef. Wenn uns Spaziergän-
ger begegnen, winken sie uns zu oder grüßen. Die Senioren
sind dann immer ganz glückselig und winken mit einem brei-
ten Lächeln zurück. Erst neulich haben wir auf den Wunsch
unserer Mitfahrer hin einen Ausflug zur Kirmes gemacht.
Viele haben schon seit Jahren keinen Schießbudenstand
mehr gesehen, da mussten wir ganz langsam vorbeifahren,
dass sie auch alles anschauen konnten. Eine Dame bat uns,
zu einem Haus zu fahren, das sie noch von früher kannte.
Als wir ankamen, war sie begeistert. Ein paar Dinge in der
Umgebung hatten sich verändert, doch einiges war immer
noch so wie damals.« Aufgezeichnet von Anna-Lena Jaensch
Staub zu Staub
Der spanische Schriftstel-
ler Javier Marías, 67, alle
Jahre wieder als Kandidat
für den Literaturnobelpreis
gehandelt, interessiert sich
nicht im Geringsten für den
Verbleib der sterblichen
Überreste von General Fran-
cisco Franco: »Ob sie zer-
stört oder weggeschmissen
werden oder bleiben, wo sie
sind«, sei ihm völlig gleich-
gültig, antwortete Marías auf
eine Anfrage des »New York
Times Magazine«. Der
Autor Giles Harvey wollte
mit ihm gemeinsam der für
Juni geplanten
Exhumierung des
Diktators beiwoh-
nen. Die spanische
Regierung hatte
die Verlegung des
Grabes beschlos-
sen, um das gigan-
tische Mausoleum
als Wallfahrtsort
für spanische und
internationale Faschisten
unattraktiv zu machen. Die
Erben Francos haben die
Maßnahme per Gerichts -
beschluss bis auf Weiteres
verhindert. Marías, dessen
Familie unter Franco Repres-
salien ausgeliefert war, sagte,
er sei sein ganzes Leben
noch nicht dort gewesen und
wolle das auch nicht mehr
ändern. Er beschäftigt sich in
seinem Werk, auch als Ko -
lumnist, schon lange mit den
sozialen Folgen der mangel-
haften Vergangenheitsbewäl-
tigung in seiner Heimat. Im -
mer wieder weist er darauf
hin, dass die Mehrheit der
Spanier Franco
seinerzeit unter-
stützt, ja, verehrt
habe. Erst 2007
erließ die spani-
sche Regierung
ein Gesetz zur
Verurteilung des
Franco-Regimes
und zur Anerken-
nung der Opfer. KS
Zukunftsmusik
Die amerikanische Schau-
spielerin Kristen Stewart,
29, plant ihr Debüt als Spiel-
filmregisseurin für nächstes
Jahr. Sie hat die Rechte an
der Biografie von Lidia Yuk-
navitch erworben, einer ehe-
maligen Leistungsschwim-
merin, deren Kindheit durch
Missbrauch geprägt war und
die ihre Hoffnung auf eine
Olympiateilnahme
wegen Drogenproble-
men begraben musste.
Yuknavitch, Jahrgang
1963, arbeitet heute
erfolgreich als Autorin.
Stewart hat bereits ein
Exposé für das Dreh-
buch geschrieben, das
Yuknavitch zu Tränen
gerührt haben soll. Das
Magazin »Vanity Fair«
beschreibt, wie erleich-
tert Stewart über diese
Reaktion war. Nicht nur
weil ihr der Stoff
so am Herzen liegt,
sondern offenbar auch
weil sie sich für die
Zukunft ein neues Betä-
tigungsfeld erschließt. Denn
die Schauspielerin, die schon
als Kind vor der Kamera
stand und seit 20 Jahren in
der Filmbranche arbeitet,
hat ein Problem: »Je älter
ich werde, desto schwerer
fällt mir die Schauspielerei«,
sagte die fast 30-Jährige
der »Vanity Fair«. Wer die
Hauptrolle in ihrem Film
spielen soll, ist noch nicht
bekannt.KS
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