Karriere
WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162^53
auf BMW-Aufsichtsratschef Norbert Reithofer zu,
als er merkte, dass ihm nach zwei Prognosesen-
kungen der Rückhalt der Mehrheitsaktionäre fehl-
te. Statt einer zweiten Amtszeit kam es zur vorzei-
tigen Vertragsauflösung. Gut, wer dann eine Exit-
Vereinbarung bereits in der Tasche hat.
Was Newcomer vor ihrem Amtsantritt zudem
unbedingt wissen müssen, verraten Arbeitsrechtler
Christoph Abeln, Managerhaftungsspezialist Micha-
el Hendricks und Vergütungsprofi Helmuth Uder
im Folgenden:
Das ändert sich für ...
... Geschäftsführer und Vorstände
Vertrag: Als neuer Geschäftsführer einer GmbH
oder als Vorstand verändert sich der Status: Der
Novize wird zum gesetzlichen „Organ“ der Gesell-
schaft und erhält nur noch einen befristeten An-
stellungsvertrag. „Achten Sie als künftiger Ge-
schäftsführer darauf, dass Ihr Vertrag eine Laufzeit
von mindestens drei Jahren ohne Probezeit hat“,
rät Jurist Abeln. Neue Vorstände erhalten in der
ersten Amtsperiode auf drei Jahre befristete Verträ-
ge, später dann über fünf Jahre.
Die wichtigste Änderung für beide Organe: Es
gibt keinen gesetzlichen Kündigungsschutz mehr.
Das heißt für den Geschäftsführer, dass er jederzeit
vom Amt abberufen werden kann, und zwar ohne
Angabe von Gründen. Geht alles schief, steht er
nach vier Wochen auf der Straße.
Um sich davor zu schützen, ist es für den ange-
henden Geschäftsführer ratsam, folgende Klausel
in den Anstellungsvertrag aufzunehmen: „Für den
Widerruf bedarf es der Angabe eines wichtigen
Grundes nach Paragraf 626 BGB“. Dann kann nur
eine grobe Pflichtverletzung wie etwa Insolvenz-
verschleppung oder eine Straftat dazu führen, dass
er des Amtes enthoben wird. Lässt sich der Arbeit-
geber darauf nicht ein, sollte wenigstens eine mög-
lichst lange Kündigungsfrist vereinbart werden. Üb-
lich sind sechs Monate zum Halbjahresende. Das
gilt speziell für langjährige Konzernmitarbeiter.
Geht es um die Stelle eines neuen Vorstands,
sieht die Sachlage ein wenig anders aus. Es bedarf
eines Grundes. „Aber dieser ist simpel zu konstru-
ieren“, weiß Abeln. Fehlendes oder gestörtes Ver-
trauen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand im Ab-
berufungsbeschluss zu vermerken sei nämlich
schon ausreichend.
Für alle, die vorab schon als Bereichsleiter tätig
waren, gibt es einen Zusatz-Tipp: Das bisherige Ar-
beitsverhältnis kann für die Dauer der Geschäftsfüh-
rertätigkeit ruhend gestellt werden. Ist das aus-
drücklich vereinbart, lebt der vorherige Arbeitsver-
trag wieder auf, sobald die Stelle als Geschäftsführer
verloren geht. Abfindungsverhandlungen lassen
sich auf diese Weise deutlich vorteilhafter gestalten.
Alternativ kann auch eine Rückkehroption auf eine
gleichwertige Tätigkeit vereinbart werden.
Apropos Abfindung. Enthält der neue Vertrag ei-
ne Koppelungsklausel? Sie sieht vor, dass die Abbe-
rufung als Geschäftsführer oder Vorstand durch
Gesellschafter oder Aufsichtsrat zugleich als Kündi-
gung des Dienstvertrages gilt. Das wirkt sich nega-
tiv auf Vergütung und Abfindung aus, was Rechts-
anwalt Abeln am Beispiel eines Vorstands erläutert:
Nach einem Jahr wird der Vorstand vom Aufsichts-
rat abberufen, sein Vertrag gilt aber für drei Jahre.
Wer nun die Koppelungsklausel unterschrieben
hatte, verzichtet auf die weitere Vergütung der ver-
traglichen Restlaufzeit von zwei Jahren. Daher: ei-
ner Koppelungsklausel nur zustimmen, wenn aus-
drücklich möglichst lange Kündigungs- bzw. Aus-
lauffristen vereinbart sind.
Die Praxis zeigt, dass angehende Vorstände
grundsätzlich weniger Gestaltungsspielraum als
neue Geschäftsführer haben. Denn Vorständen
werden oft Musterverträge vorgelegt. Umso wichti-
ger sei es, raten die Experten, darauf zu bestehen,
lange Auslauffristen und konkrete Kriterien für ei-
ne mögliche Abfindung festzuhalten. Dem sollte
die Gesamtvergütung eines Organs zugrunde lie-
gen: das monatliche Fixgehalt und die variablen
Gehaltsanteile wie Boni und Langfrist-Incentives
(etwa Aktienpakete) sowie die
Rückstellungen für die Altersvor-
sorge oder etwaige Sachbezüge
wie Dienstwagen.
Wesentlich in der Überprüfung
des Vertrags sind auch noch weite-
re Aspekte. „Falls der Vertrag ein
Wettbewerbsverbot enthält, emp-
fiehlt es sich, den Arbeitgeber den Be-
griff ‚Mitbewerber‘ so genau wie mög-
lich fassen zu lassen“, empfiehlt Abeln.
Am besten sei das per Namensliste derjeni-
gen Konkurrenten, zu denen Sie innerhalb einer
bestimmten Frist nach Beendigung Ihres Vertrags
nicht wechseln dürfen. „Lassen Sie sich aber auf
gar keinen Fall auf mehr als sechs Monate Wettbe-
werbsverbot ein. Und die entsprechende Karenz-
entschädigung sollte mindestens 50 Prozent Ihrer
zuletzt bezogenen Gesamtvergütung beinhalten.“
Schließlich kann auch ein Gesellschafterwechsel
oft zu geänderten Zielvorgaben führen oder das
Vertrauensverhältnis zwischen Gesellschaftern und
Geschäftsführer belasten. Dagegen können sich Ge-
schäftsführer mit einer „Change of Control“-Klau-
sel absichern. Damit wird Geschäftsführern oder
Vorständen für den Fall eines Gesellschafterwech-
sels ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt.
Vergütung: Geschäftsführer und Vorstände wer-
den neben dem Grundgehalt mit variablen Vergü-
tungsbestandteilen entlohnt, die vom Erfolg ihrer
Tätigkeit abhängen. Die Zielvorgaben sind höchst
unterschiedlich. Zum Beispiel: „Rückkehr in die
Gewinnzone“ oder die „Erschließung neuer Märk-
te“. Die dazugehörigen Bonusmodelle sind kom-
plex. Bei der Berechnung kann das Unternehmens-
ergebnis ebenso eine Rolle spielen wie der Grad,
zu dem die vereinbarten Ziele erreicht wurden.
„Bevor Sie unterzeichnen, überprüfen Sie, ob
die Kriterien, von denen Ihre Tantieme abhängt,
klar sind. Und ob die Berechnungsgrundlagen für
kurzfristige Bonuszahlungen sowie für etwaige
langfristige Incentives wie Aktienoptionen im Ver-
trag eindeutig festgelegt sind“, rät Vergütungsex-
perte Helmuth Uder. Wichtig sei auch zu regeln,
wie bezüglich Zielerreichung, kurzfristiger und
langfristiger Vergütungsbestandteile zu verfahren
ist, wenn es zum vorzeitigen Vertragsende kommt.
Uder beobachtet: „Oft zeigen sich Unternehmen in
diesem Fall eher großzügig bei kurzfristigen Boni,
wenn ein scheidender Geschäftsführer oder Vor-
stand bereit ist, auf Langfrist-Boni zu verzichten.“
Ebenfalls gut zu wissen: Wer rechtlich „Organ“
ist, hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Fortzah-
lung der Vergütung im Krankheitsfall. Daher ist es
üblich, derartige Leistungen im Anstellungsvertrag
zu regeln. Mindestens drei Monate Entgeltfortzah-
lung sollten für Geschäftsführer möglich sein.
Haftung: Während der Vorstand unbegrenzt mit
seinem Vermögen für Schäden des Unternehmens
haftet, kann der Geschäftsführer eine persönliche
Haftungsbegrenzung aushandeln oder die Haftung
sogar vertraglich ausschließen. Es sei denn, es geht
um „Vorsatz“ oder „grobe Fahrlässigkeit“. Der For-
mulierungstipp von Experte Michael Hendricks
lautet daher: „Die Haftung gegenüber der Gesell-
schaft ist ausgeschlossen/begrenzt auf einen Betrag
i. H. v. € ... Dies gilt nicht für vorsätzliche oder grob
fahrlässige Pflichtverletzungen.“
Warum diese Formulierung so wichtig ist? Ge-
schäftsführer und Vorstände haften für die von ih-
ren jeweiligen Organ-Kollegen verursachten Schä-
den mit. Sollte sich daher der Geschäftsführer oder
Vorstand für Finanzen nicht genauestens dafür in-
teressieren, was der für die Produktion verantwort-
liche Geschäftsführer oder Vorstand in Sachen Um-
weltauflagen, Gesundheitsschutz oder IT-Sicherheit
entscheidet, kann es für ihn teuer werden.
Tatsächlich schließen viele Unternehmen für ih-
re Organe eine sogenannte Directors-and-Officers-
Versicherung (D&O) ab. Eine Verschaffungsklausel
für eine Police gehört nach Ansicht von Experten
unbedingt in den Anstellungsvertrag. Dann haften
Organe persönlich nur noch für Vorsatz. Doch wird
es richtig teuer, helfen diese Policen wenig. Das
zeigt das Beispiel VW: Angesichts des weltweiten
Dieselskandals reichen sie noch nicht mal, um die
Anwaltskosten der Verantwortli-
chen zu decken. Daher emp-
fiehlt es sich, als Organ auf eige-
ne Rechnung eine persönliche
D&O-Versicherung abzuschlie-
ßen. Pro eine Million Deckungs-
summe kostet sie etwa 1 000 Euro
Jahresprämie.
... Partner
Vertrag: Vor allem in amerikanisch ge-
prägten Unternehmensberatungs- oder
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden die
hochrangigsten und erfahrensten Mitarbeiter gerne
als „Partner“ betitelt. Arbeitsrechtlich können Sie
weiterhin ein Angestellter oder Leitender Ange-
stellter sein. „Dann allerdings sind auch Sie selbst
vereinfacht zu kündigen – ohne die Angabe von
Gründen“, warnt Arbeitsrechtler Abeln. Sein Tipp:
„Vereinbaren Sie zu Ihrer Absicherung möglichst
lange Kündigungsfristen oder gar eine Abfindungs-
regelung im Vertrag.“
Übernehmen Sie in der GmbH zudem eine Ge-
schäftsführerfunktion, unterliegen Sie den gesetz-
lichen Regelungen für Organe (siehe oben).
Vergütung: Wer in der Unternehmenshierarchie
aufsteigt, weist einen steigenden erfolgsabhängigen
Vergütungsanteil auf. Leitende Angestellte unter
den Partnern oder sogenannte „Managing Part-
ner“, was dem deutschen Geschäftsführer ent-
spricht, sollten darauf achten, unterschiedliche Zie-
le zu priorisieren und entsprechend in der varia-
blen Vergütung zu gewichten. Dabei geht es auch
um Details, die bei der Berechnung eine Rolle spie-
len. Zum Beispiel: Ist das Unternehmensergebnis
vor oder nach Steuern, bereinigt um Sondereffekte
und vor oder nach Abzug des Bonusvolumens für
den persönlichen Bonus entscheidend? Bleiben
Fragen offen, sollte eine Zielvereinbarung nicht
voreilig unterschrieben werden. Da Boni je nach
Vereinbarung über die Entgeltumwandlung auch in
die Altersvorsorge miteinfließen, kann sich ein
niedriger Bonus auch negativ auf die Rente auswir-
ken. Es lohnt sich, hartnäckig zu verhandeln.
Haftung: Für Arbeitnehmer bis hin zum Leitenden
Angestellten unter den Partnern gilt eine abgestuf-
te Haftung. Im Schadensfall wird unterschieden,
ob er vorsätzlich, grob fahrlässig oder nur fahrläs-
sig gehandelt hat. Danach entscheiden Quoten, in
welcher Höhe der Arbeitnehmer haftet. Es emp-
fiehlt sich eine Berufshaftpflichtversicherung.
Für geschäftsführende Partner einer Gesellschaft
rät Experte Hendricks zum Abschluss einer klassi-
schen D&O-Versicherung (siehe oben).
... Aufsichtsräte
Vertrag: Übernimmt beispielsweise ein Geschäfts-
führer als Nebentätigkeit ein Aufsichtsratsmandat
in einer weiteren Tochtergesellschaft des Unter-
nehmens, wird dafür kein gesonderter Vertrag ge-
schlossen. Seine Amtszeit beträgt in der Regel drei
bis fünf Jahre.
Vergütung: „Üblicherweise erhält der Geschäfts-
führer im Konzern keine gesonderte Vergütung für
diesen Einsatz, da dies mit dem Geschäftsführerge-
halt regelmäßig abgegolten ist“, sagt Jurist Chris-
toph Abeln. Allerdings wird eine jährliche Auf-
wandsentschädigung gewährt, etwa für die Anreise
und die Teilnahme an Sitzungen. Die Höhe ergibt
sich aus der jeweiligen Satzung.
Haftung: Arbeitsrechtler Abeln warnt: „Natürlich
unterliegt auch ein Aufsichtsrat einer eigenen Haf-
tung. Diese steht etwas versteckt in § 116 Aktienge-
setz.“ Das heißt: Auch ein Aufsichtsratsmitglied hat
die Sorgfalt, Verantwortlichkeit sowie Verschwie-
genheit wie ein Vorstandsmitglied einzuhalten. Die
gute Nachricht laut Haftungsspezialist Michael Hen-
dricks für nebenberufliche Aufseher lautet aber:
„Es besteht immer Deckung über die D&O-Police,
da es sich um konzerninterne Mandate handelt.“
Versicherungsschutz bestünde lediglich dann
nicht, wenn beispielsweise eine Tochtergesellschaft
explizit aus dem Vertrag ausgeschlossen sei. Zwar
ein seltener Fall, aber umso wichtiger. Wie immer
gilt: den Vertrag gründlich checken!
(* Name von der Redaktion geändert)
Christoph Abeln:
Fachanwalt für
Arbeitsrecht und
spezialisiert auf
Manager.
abeln,
Helmuth Uder:
Vergütungsspezialist
der Organisations-
und Personalberatung
Korn Ferry.
Linked In,
Michael Hendricks:
Jurist und
Manager-Haftungs-
spezialist.
judith wagner
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