Wohnungsmarkt
Vermieter empört über Mietendeckel
Die Pläne der Linken für die
Berliner Mietengrenze
erzürnen private Eigentümer.
Die Kurse der Aktien von
Immobilienkonzernen fallen.
Silke Kersting, Matthias Streit
Berlin, Erfurt
D
ie ersten Eckdaten für den
geplanten Berliner Mietende-
ckel liegen vor – und könn-
ten kaum streitbarer sein. Private
Wohnkonzerne sind genauso erzürnt
wie Kleinvermieter und sprechen
von juristisch unhaltbaren Plänen
der Berliner Senatorin für Stadtent-
wicklung und Wohnen. Unterneh-
men mit großem Berliner Wohnanteil
werden an der Börse abgestraft.
Linken-Politikerin Katrin Lomp-
scher will die Kaltmieten in Berlin
unabhängig von der Lage auf maxi-
mal 7,97 Euro pro Quadratmeter be-
grenzen, wie zuerst der „Tagesspie-
gel“ am Sonntag berichtet hat. Der
niedrigste Mietzins könnte bei 3,
Euro pro Quadratmeter liegen. Ent-
scheidend soll allein das Alter des je-
weiligen Gebäudes sein – sowie die
Frage, ob eine Sammelheizung exis-
tiert oder nicht und ob es ein eige-
nes Bad in der Wohnung gibt. Weite-
re zentrale Inhalte: Gebäude, die
nach 2013 errichtet wurden, sind
vom Mietendeckel ausgenommen.
Und wer in den vergangenen acht
Jahren vor Inkrafttreten des Mieten-
deckels modernisiert hat, darf eine
Miete oberhalb der Grenze festlegen,
diese aber maximal um 20 Prozent
übersteigen.
Die Immobilienbranche reagierte
schockiert auf den Gesetzentwurf.
Andreas Mattner, Präsident des Zen-
tralen Immobilienausschusses, des
politischen Sprachrohrs der Branche,
bezeichnete die Pläne als „Angriff auf
die Branche und alle Eigentümer“.
Mattner forderte eine Normenkon-
trollklage; der Mietendeckel sei ver-
fassungswidrig. Jürgen Michael
Schick, Präsident des Immobilienver-
bandes IVD, schloss sich dem an:
Dieser Mietendeckel, sagte Schick,
sei eine Enteignung von Tausenden
privaten Kleinvermietern.
Dieses Vorhaben, das eine Redu-
zierung der Mieten zur Folge hat,
werde nicht nur dafür sorgen, dass
niemand mehr in die Zukunft inves-
tiert, gibt Schick zu bedenken. „Es
wird auch Tausende Kleinvermieter
ihre Altersvorsorge kosten, soweit sie
die Wohnung durch eine Bank finan-
ziert haben.“ Die Finanzierung sei in
der Regel auf das derzeitige Mietni-
veau abgestimmt, ohne dabei Miet-
steigerungen zu berücksichtigen. Vie-
le Kleinvermieter würden gezwungen
sein, ihre Wohnung zu verkaufen, da
die Mieteinnahmen nicht mehr ge-
nügten, um die Altersvorsorge auf-
rechtzuerhalten.
Der Spitzenverband der Wohnungs-
wirtschaft, GdW, hält die Pläne für
„juristisch unhaltbar“. GdW-Präsident
Axel Gedaschko appellierte an die
„vernünftigen Kräfte im Berliner Se-
nat“, einzugreifen und sachgerechte
Änderungen an dem Entwurf herbei-
zuführen. „Ziel muss es sein, die Inte-
ressen von Eigentümern und Mietern
auszugleichen und mehr bezahlbaren
Wohnraum in Berlin wie in den ande-
ren Ballungsräumen Deutschlands zu
schaffen“, sagte Gedaschko.
SPD und Grüne in Berlin distan-
zierten sich von ihrem Koalitionspart-
ner. SPD-Vize und Innensenator An-
dreas Geisel forderte „Augenmaß“.
Nicht der radikalste Vorschlag sei der
beste, sondern der wirksamste: „Was
wir nicht brauchen, ist ein Vorschlag
für ein Gesetz, über das jahrelang ge-
stritten wird und das am Ende kei-
nen Bestand vor den Gerichten hat.“
Vizeregierungschefin und Wirt-
schaftssenatorin Ramona Pop (Grü-
ne) forderte einen „vernünftigen Inte-
ressenausgleich“ zwischen Mieter-
schutz und einem rechtmäßigen
Eingriff in den überhitzten Berliner
Mietenmarkt.
Verluste an der Börse
Zurückhaltend agierten die sechs öf-
fentlichen Wohnungsbaugesellschaf-
ten. Man wolle zunächst die Auswir-
kungen des Gesetzes prüfen und an-
schließend eine „Abstimmung mit
den Vertretern unseres Gesellschaf-
ters vornehmen“, hieß es bei der
Stadt und Land Wohnbauten-Gesell-
schaft. Berlin wolle die private Wohn-
raumvermietung abschaffen, meinte
Haus & Grund, Vertreter privater
Haus-, Wohnungs- und Grundeigen-
tümer in Deutschland. „Den Berliner
Linken geht es nicht um ein soziales
Mietrecht, nicht um Wohnungssu-
chende. Es geht ihnen allein darum,
ihre eigentumsfeindliche Ideologie
durchzusetzen“, kommentierte Haus-
&-Grund-Präsident Kai Warnecke.
Deutlich zu spüren bekamen die
Pläne die börsennotierten Wohnkon-
zerne. Die Aktie der Deutschen Woh-
nen, mit 116 000 Wohnungen größter
privater Vermieter Berlins, rutschte
bis zum Nachmittag 3,5 Prozent ins
Minus. ADO Properties, dessen
24 000 Wohnungen allesamt in Ber-
lin liegen, verlor mehr als vier Pro-
zent. Branchenprimus Vonovia, von
dessen etwa 400 000 Wohnungen
rund elf Prozent in Berlin liegen, ver-
lor mit 1,3 Prozent weniger. Das Un-
ternehmen teilte mit, dass der Mie-
tendeckel es 20 bis 25 Millionen
Euro und damit nur ein Prozent sei-
ner Mieteinnahmen koste. Dennoch:
„Sollte der Gesetzentwurf so kom-
men, dann könnte ein großer Teil
der für Berlin geplanten Investitio-
nen in andere Standorte umgeleitet
werden“, teilt eine Sprecherin auf
Anfrage mit. Ralf Spann, Chef des
schwedischen Unternehmens Akeli-
us in Deutschland, warnt, dass die
strenge Regulierung einen Schwarz-
markt für Berliner Wohnungen be-
fördere.
Porträt Seite 47
Durchwachsene Aussichten:
Wohnungsunternehmen appellieren an die Vernunft der Politik.
Unsplash
25
MILLIONEN
Euro könnte der Mietendeckel in
Berlin Vonovia kosten. Das ent-
spräche einem Prozent der jährli-
chen Mieteinnahmen des Konzerns.
Quelle: Unternehmen
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Wirtschaft & Politik
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DIENSTAG, 27. AUGUST 2019, NR. 164
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