Süddeutsche Zeitung - 29.08.2019

(Grace) #1
ChristophBülksprichtvoneinementschei-
dendenDigitalisierungsprojekt.Derge-
schäftsführendeGesellschafterdesVersi-
cherungsmaklersFunkundseineManage-
mentkollegennehmenMillionenbeträge
indieHand,umihrBestandsführungssys-
temaufdenaktuellenStandderTechnik
zubringen.DasSystemsollProzessewie
dieBearbeitungvonVerträgenundSchä-
denbeschleunigen,erklärtBülk.
IndustrieversicherungsmaklerwieFunk,
aberauchdieKonkurrentenEcclesia,Aon,
MarshoderWillisstehenvorderenormen
Herausforderung,ihreProzessedigitalisie-
renundautomatisierenzumüssen.Denn
dieKunden–großeFirmenwieSiemens,
ThyssenKruppoderBosch–arbeitenbe-
reitsanvielenStellenkomplettdigital,sie
wollen,dassihreGeschäftspartnerdas
ebenfallstun.„DieNachfragederVersiche-
rungskundennachdigitalenServices
steigt“,berichtetMatthiasBeck,Versiche-
rungschefbeiderweltweittätigenWürth-
Gruppe.Allerdingsfehltesderzeitanunab-
hängigenPlattformen,aufdenenVersiche-
rer,KundeundMaklerInformationenaus-

tauschenoderRisikenausschreibenkön-
nen.„BeiderDigitalisierunghatdieIndus-
trieversicherungsbrancheNachholbe-
darf“,sagtFrankHarting,Vorstandbeim
IndustrieversichererHDIGlobal.„Aktuell
sindvieleProzessenochanalog.“Dasssich
diePlattformInex24,überdieUnterneh-
menihreRisikenausschreibenkonnten,
nichtdurchgesetzthat,siehteralsverpass-
teChance.„WirhabenInex24unterstützt,
weilintelligentedigitalePlattformenhel-
fenkönnen,Ausschreibungeneffizienter
unddamitfüralleBeteiligtenkostengüns-
tigerzugestalten.“
NebenschnellerenProzessensollen
durchdieDigitalisierungundAutomatisie-
rungdringendbenötigteKostensenkun-
generreichtwerden.Inderindustriellen
Sachversicherung,zuderauchdieFeuer-
versicherunggehört,sinddiePreiseseit
Jahrenniedrig.DasspürenauchdieVer-
mittlerbeiihrenEinnahmen,denProvisio-
nen,dieandieHöhederPreisegekoppelt
sind.DazukommtderstarkeWettbewerb
zwischendenMaklern,derfürweiteren
Preisdrucksorgt.MancheGesellschaft

lässtdasauchzuunlauterenMittelngrei-
fen.„EsgibtMakler,diezuIndustriekun-
dengehen,ohneeinRisikounddieDetails
zukennen,unddiedannsagen:Ichbiete
das20Prozentbilliger“,weißHans-Jörg
Mauthe,beimIndustrieversichererAGCS
fürdasdeutscheundzentraleuropäische
Geschäftverantwortlich.„Danachversu-
chensie,aufdieseausmeinerSichtunpro-
fessionelleArtundWeise,diesenPreis

dannbeiVersicherernimMarktzuerzie-
len.“Dasheißt:DieMaklerdrängendieVer-
sichererdazu,mitdenPrämiennachunten
zugehen,umdasGeschäftzubekommen.
GleichzeitigmüssensichdieMaklerdie
grundsätzlicheFragenachihrerDaseinsbe-
rechtigunggefallenlassen.Alexander
Mahnke,VersicherungschefbeimSiemens-
KonzernundVorsitzenderdesGesamtver-
bandderversicherungsnehmendenWirt-

schaft(GVNW),beobachtet,dassvieleFir-
menBeratungbeiseinemVerbandsuchen,
bevorsieeinePoliceabschließen.Eskä-
menvieleMitglieder,dieeineunabhängi-
geMeinungzueinemAngebotsuchten.
„DieNachfragenachdieserUnabhängig-
keitbeiunsalsVerband,diedürfteesgar
nichtgeben,wenndieMaklerschaftihren
Jobrichtigmachenwürde“,sagter.Dazu
kommendieKosten,dieUnternehmenan
dieMaklerunternehmenzahlen.„Wenn
ichhöre,25Prozentdervonmirgezahlten
PrämiegehenzumMakler,dadurchwird
dieSparteunauskömmlich–seidihrMak-
lerdaswert?“,fragterprovozierend.
AuchBeckblicktkritischaufdieMakler-
vergütung.Fließtstattderumsatzabhängi-
genProvisioneinfestvereinbartesHono-
rar,seinichtausgemacht,dassimmeralle
Zahlungenoffengelegtwerden.„Beider
VermittlungüberHonorarwissenwir
nichtgenau,obzusätzlichetwasfließt“,be-
richteter.„Esistaberwichtigfürdasge-
genseitigeVertrauen,dassalleVergütun-
gentransparentoffengelegtwerden.“Die
FirmaWürthgreiftunteranderembeider

BetreuungihresinternationalenVersiche-
rungsprogrammsaufdieUnterstützung
vonMaklernzurück.AuchaufdievonMak-
lernentwickeltenDeckungskonzeptesetzt
dasUnternehmen,nämlichinderCyber-
versicherungundinderManagerhaft-
pflichtversicherung.Beckerwartet,dass
dieBedeutungderMaklerfürdieIndustrie-
versicherungstabilbleibt.„Wennwiralles
selbstmachenwürden,hättenwirnicht
denMarktüberblickbezogenaufLänder,
AnbieterundVersicherungssparten.“
DieMaklerstehenaufSeitederKunden
undbieteneinenMarktüberblick,wirbt
MaklerBülkfürseineZunft.Daserklärtsei-
nerMeinungnach,warumUnternehmen
sichtrotzmancherVorbehaltefürdieMak-
lerbetreuungentscheiden.Funkisteiner
derMakler,derindenvergangenenJahren
starkwachsenkonnte.DieEinnahmenaus
ProvisionenundHonorarsindimdeut-
schenMarktzwischen2006und2018um
rund40Prozentauf124MillionenEuroge-
stiegen.HDIGlobal-VorstandHarting
siehtdieMaklerimdeutschenMarktgut
positioniertunderwartet,dassihreBedeu-

tunginZukunftehersteigenwird.„Der
MaklerkanalbleibtderumsatzstärksteVer-
triebskanal“,sagtHarting.BeiHDIGlobal
entfallenrund40ProzentdesGeschäfts
aufMakler.InfünfJahrenkönntesichder
Anteilauf50Prozenterhöhen.Gleichzeitig
rechnetderManagerdamit,dassdieGe-
samtzahlderMaklerinFolgedesscharfen
WettbewerbsunddeshohenInvestitions-
bedarfsfürTechnologiesinkenwird.Hart-
ingschätztdieMakleralsGeschäftspart-
ner–nichtzuletztweilsieHDIGlobalmit
RückmeldungenderKundenzumeigenen
Versicherungsangebotversorgen.Aller-
dingsbeobachtetaucherdenWettbewerb
zwischendenVermittlernkritisch.Zuhäu-
figstehestattQualitätalleinderPreisim
Vordergrund. 

-

F


ürBritishAirwayskönnteesteuer
werden.DieFluggesellschaftsoll–
gehtesnachderbritischenDaten-
schutzbehördeInformationCommissio-
ner’sOffice(ICO)–umgerechnetknapp
205MillionenEuroGeldbußezahlen.Cy-
berkriminellehattensichimSommer2018
ZugangzuHunderttausendenKundenda-
tenverschafftundsiegestohlen.Dabeilei-
tetendieHackerKundenbeiderFlugbu-
chungvonderWebseitevonBritishAir-
waysaufeinebetrügerischeInternetseite
um,wosieDatenzumLogin,Kreditkarten-
informationenundAdressenabfingen.
SchwacheSicherheitsvorkehrungenbei
derFlugliniesollendazugeführthaben,
dassdieAngreiferandieDatengelangen
konnten,kritisierendieDatenschützer.Ei-
nigeTagespäterwardasLeckbehoben.

DochdemICOreichtedasnicht.„Wenn
eineOrganisationDatennichtvorVerlust,
BeschädigungoderDiebstahlschützt,ist
dasmehralseineUnannehmlichkeit“,
schimpftdieDatenschutzbeauftragteEli-
zabethDenhamundfordertvondemUn-
ternehmeneinederhöchstenStrafen,die
ihreBehördejeverhängthat.
WenigeTagespätertrafesdieUS-ameri-
kanischeHotelketteMarriott.Auchsiehat-
temiteinemDatenleckzukämpfen.Ne-
beneinemvomIOCverhängtenBußgeld
vonumgerechnet110MillionenEurodroht
demUnternehmenzusätzlicheineAktio-
närsklage.NachdemDatenskandalreich-
tendieAnteilseignervonMarriottKlagege-
gendenChef,denFinanzvorstandundden
ChiefAccountingOfficerein.Esgehtumei-
nenAnspruchvonumgerechnet450Millio-
nenEuro.ObdieManagerdiesenbezahlen
müssen,istnochnichtklar.
Cybervorfällewiediesewerdenver-
stärktzueinemProblemfürManagerhaft-
pflichtversichererwerden,erwartenExper-
ten.„JederCyber-SchadenhatdasPotenzi-
alfüreinenD&O-Fall“,sagtMarcelAr-
mon,GeschäftsführervomSpezialmakler
Hendricks,dersichaufdieManagerhaft-
pflichtversicherungspezialisierthat.Fir-
menschließendiesogenanntenDirectors

andOfficers(D&O)-Versicherungenfürih-
reVorstände,Aufsichtsräte,Prokuristen
undGeschäftsführerab,fallsdieseihre
SorgfaltspflichtenverletzenundeinenFeh-
lermachen,derdasUnternehmenviel
Geldkostet.DieFirmakanndanndenMa-
nageraufSchadenersatzverklagen,den
derD&O-Versichererbezahlensoll.
WirdeineFirmagehacktunddasMa-
nagementhatkeineentsprechendeCyber-
versicherungabgeschlossen,kannespas-
sieren,dassderAufsichtsratdieVerant-
wortlichendafürinHaftungnimmt.Ar-
monberichtetvoneinerdeutschenFirma,
dieihreFinanzbuchhaltungineinosteuro-
päischesLandausgelagerthatte.Hacker
griffendieoutgesourcteBuchhaltungan,
verschafftensichZugangzumNetzwerk
desUnternehmensundverschlüsselten
dieComputermitErpressungssoftware.
WeildieFirmakeineCyberdeckunghat,
willsieeinenAnspruchgegendasManage-
mentstellen.
AuchderaufSchädenimBereichMa-
nagerhaftungspezialisierteRechtsanwalt
MichaelHendrickserwartetebenfalls,
dassHackerangriffeundCo.weitreichen-
deAuswirkungenaufdieSpartehabenwer-
den.„DieD&O-Versichererwerdenzuneh-
mendverlangen,dassUnternehmeneine
Cyberversicherungvorlegen,bevoreinVer-
tragabgeschlossenwird“,sagter.„Andern-
fallswerdensiemitAusschlüssenreagie-
ren.“HendricksistauchGründerdes
gleichnamigenMaklerunternehmens,ver-
kauftedieFirmajedoch2009andieHow-
den-Gruppe,diezumbritischenSpezial-
maklerHyperiongehört.
DieD&O-VersicherungisteineProblem-
spartederdeutschenVersicherer.DieSchä-
densindhoch,diePrämieneinnahmenrei-
chenseitJahrennichtmehraus,umdasGe-
schäftprofitabelzubetreiben.Nachdenak-
tuellstenZahlendesGesamtverbandsder
DeutschenVersicherungswirtschaft(GDV)
lagdieSchaden-undKostenquote2017bei
115Prozent,dasheißt,dieVersicherermüs-
senfürjedeneingenommenenPrämieneu-
ro1,15EurofürSchäden,Vertriebs-und
Verwaltungskostenausgeben.Gründefür
dasdefizitäreGeschäftsindderhoheWett-
bewerbunterdenAnbietern,zugeringkal-
kuliertePrämienundzugroßzügigausge-
legteVersicherungsbedingungen.
WeildasaufDauernichtgutgehen
kann,habenzahlreicheVersichererinzwi-
schendiePreiseerhöht.DerVersicherer

AIG,einerdergroßenAnbieterimMarkt,
willdurchschnittlichzehnProzentmehr
verlangen.AberauchandereVersicherer
hebendiePreisean,vorallemfürgroße
Konzerne.„GeradebeiGroßunternehmen
sehenwireinesichbeschleunigendeVer-
härtungdesMarktes,mituntermiterhebli-
chenPreissteigerungen“,berichtetNepo-
mukLoesti,LeiterderAbteilungFinancial
LinesfürEuropabeiAIG,dernacheigenen
AngabenrundeinDrittelallerDax-Vor-
ständealsD&O-Grundversichererabsi-
chert.MitMarktverhärtungmeintdie
Branche,dassdiePreisesteigenunddie
VersichererwenigerSummenzurVerfü-
gungstellen,zudenensiedieUnterneh-
menversichern.„VieleFirmenbekommen
garnichtmehrdieProgrammdeckungs-
summenzusammen,diesieeigentlichbe-
nötigenodernachfragen“,sagtLoesti.
EingroßerTeilderSchädenresultiert
ausFirmenpleiten.Angesichtsderwirt-
schaftlichenLagewirdsichdieSituation
weiterverschärfen,glaubtLoesti.
„DeutschlandbefindetsichbeimWirt-
schaftswachstumbereitsimAnfangsstadi-
umeinerRezession“,sagterundergänzt:
„Wirerwarten,dassimBereichdermittel-
ständischenUnternehmendieSchäden
durchInsolvenzenansteigenwerden.“Be-
sonderskritischbeobachtetderVersiche-
rerderzeitdieAutomobilbranche.

NebenInsolvenzensorgenFake-Presi-
dent-FällefürhoheSchäden,sagtHen-
dricks.DabeihandeltessichumeineBe-
trugsmasche,beiderTäterbeiderFirma
anrufen,sichalsGeschäftsführerausge-
benunddieÜberweisungvongroßenGeld-
summenveranlassen.„Hiergibtesdann
oftDiskussionen,obessichumeinenFall
fürdieD&O-VersicherungoderfürdieVer-
trauensschadenversicherunghandelt“,
sagtHendricks.DieVertrauensschadenver-
sicherungdecktvorallemSchädendurch
VeruntreuungoderDiebstahlvoneigenen
Mitarbeitern.IhreAnbieterargumentie-
rendann,dieÜberweisungseigrobfahrläs-
sigveranlasstworden,weildasManage-
mentkeinausreichendesKontrollkonzept
fürdieÜberweisunginstallierthat.Deswe-
gen,sodieGesellschaften,mussderD&O-
VersichererdenSchadenregulieren.Der
D&O-Versichererdagegenfindet,dassder
Schadenvorsätzlichverursachtwurdeund
spieltdenBallzurückandenVertrauens-
schadenversicherer.
EingroßesProblemsiehtOliverKöhns
vomGesamtverbandderversicherungs-
nehmendenWirtschaftinderlangenRegu-
lierungsdauer.„D&O-Fälledauerninder
RegelzwischendreiundsiebenJahre,weil
PflichtverletzungeneinesManagersjahre-
langaufgearbeitetwerdenmüssen“,sagt
Köhns.

Mensch,


Manager


CybervorfällesindimmerhäufigereinProblem
fürdieHaftpflichtversicherungvonVorständen

Umstrittene Provision


MaklersollendenUnternehmenzurrichtigenVersicherungverhelfen.IhreVergütungwirdinderBranchekritischgesehen


Betrüger,diesichals
Geschäftsführerausgeben,
sorgenfürhoheSchäden

DasGeschäft
istfürdieVersicherer
unprofitabel

DerVorwurf:DieMakler
drängendazu,mitdenPrämien
nachuntenzugehen

Konzerne versichern
Verantwortlich:PeterFahrenholz
Redaktion:KatharinaWetzel
Illustrationen:StefanDimitrov
Anzeigen:JürgenMaukner

32SZSPEZIAL– KONZERNE VERSICHERN Donnerstag,29.August2019,Nr.199 DEFGH


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