Architekten-Zwillinge HAUSBESUCH
fen: Es entstanden Gebäude und Straßenzü
ge auf Basis historischer Pläne nach den
Gesetzen des „Goldenen Schnitts“ – also mit
Natursteinsockeln, abgesetzten Geschoss
ebenen, Säulen, Stuck und Rundbögen. Sie
bilden das äußere Erscheinungsbild für mo
derne, energieeffiziente Bauten mit zeitge
mäßen, großzügigen Grundrissen und mo
dernster Haustechnik.
„Die Baugeschichte hat ja nicht erst mit
dem Bauhaus begonnen“, erregt sich Jürgen
Patzschke. Witzig sei vor allem, dass viele der
erklärten Modernisten auch lieber in einer
Gründerzeitvilla leben als in einem Schuh
karton. „Diese Scheinheiligkeit vieler Kolle
gen, die selbst nicht in ihren eigenen Gebäu
den wohnen wollen, hat uns am meisten zu
schaffen gemacht“, so Rüdiger Patzschke.
Das kann man ihnen nicht vorwerfen,
wie der Rundgang durch die große Villa be
legt. Die Brüder waren sich von Anfang an
einig über die Aufteilung des Gebäudes: Rü
diger entschied sich für die Beletage mit
großzügiger Zimmerflucht und Rundter
rasse, Jürgen wollte das Hanggeschoss mit
dem davorstehenden Palmenhaus. Dank der
Hanglage, das sah er gleich vor sich, könnte
er Erdreich hinter der malerischen Fassade
der Orangerie abtragen und den so entstan
denen Raum mit dem Hauptgebäude zu ei
ner zweigeschossigen, großzügigen Raum
folge verbinden.
Die Pläne waren schnell gezeichnet, über
ein Jahr dagegen dauerten die Bauarbeiten.
Über 500 Kubikmeter Erde wurden abge
tragen und auf dem damals noch
10.000 Quadratmeter großen Grundstück
verteilt. Wer die zweigeschossige Wohnung
betritt, erlebt die Bauphilosophie der Brü
der mit allen Sinnen: Statt eckiger Fenster
sorgen bodentiefe, klassizistische Rundbö
gen und Sprossenfenster über beide Ge
schosse für ein großzügiges, fast kathedra
lenartiges Raumgefühl. Durch diesen
architektonischen Kunstgriff strömt so
FAMILIENHAUS Robert Patzschke mit seinen „Vätern“ Jürgen
und Rüdiger (links). Das ehemalige Palmenhaus wurde zur
Wohnbibliothek (Mitte). Oben: Je nach Wetter versammelt
sich die Familie in der rustikalen Wohnküche oder im Garten.
Rechts: So sah die Villa vor der Renovierung aus.
BELLEVUE 5/2019 21