Der Standard - 24.08.2019

(lily) #1

4 |SA./SO.,24./25.AUGUST2019DERSTANDARDWOCHENENDE


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Fußballprofis sind diePopstars der Sportwelt.


AlsIch-AGs produzieren vielevon ihnen mittlerweile ihreeigenen Inhalte.


VonkritischerMedienberichterstattungschotten sie sich zunehmend ab.


Keinelästigen


Fragen mehr


ANALYSE:Florian Vetter

M


arco Reus schmeißt
frustriert sein Leiberl
in den Wäschesack,
Axel Witsel lässt sich
vom Masseur durchkneten, und
Trainer Lucien Favre hält eine
Kabinenpredigt: „Wir müssen ein
Team sein, dann ist alles mög-
lich.“ Der deutsche Fußballvize-
meister Borussia Dortmund ge-
währt in der kürzlich gestarteten
vierteiligen Amazon-DokuInside
Borussia Dortmundexklusive Ein-
blicke in sein Innenleben. So zu-
mindest die Ankündigung. Ein
ähnliches Experiment wagte be-
reits der englische Großklub Man-
chester City mitAll or Nothing.
Herausgekommen ist dabei ein
Heldenepos, ein getarnter Werbe-
film in berlänge. Die Kamera ist
immer dabei, nur nicht, wenn es
ernst wird. Fragen zu Financial
Fairplay? Irgendein kritischer An-
satz? Fehlanzeige. Wer will sich
bei Aufnahmen aus acht Winkeln
schon mit Nebengeräuschen auf-
halten?


Tabuthemen


Als Cristiano Ronaldo bei der
Fußball-WM 2018 drei Tore
gegen Spanien erzielt hatte, waren
zwei Fragen an eine Sprecherin
des Weltfußballverbandes Fifa er-
laubt. Wie er sich denn fühle, war
die eine. Was die WM-Ziele Por-
tugals seien, die andere. Fragen
zu seinem Steuerprozess oder zu
Vergewaltigungsvorwürfen durf-
ten nicht gestellt werden. Als der
deutsche Teamchef Jogi Löw bei


einer Pressekonferenz bekannt-
gab, dass Jungstar Leroy Sane kei-
nen Platz im WM-Kader hat, war
keine einzige Frage gestattet. Ge-
ben große Fußballvereine Medien
für Gespräche mit Spielern grünes
Licht, sind Fragen zu bestimmten
Themen immer öfter tabu. Der
Text muss später autorisiert, also
von der Pressestelle freigegeben
werden.
Es sind Situationen, die mittler-
weile in der Fußballberichterstat-
tung alltäglich sind. Vereine und
Verbände regulieren Zugänge zu
den Stars und deren Aussagen.
Was in der Politik längst Einzug
gehalten hat, findet auch im Sport
statt: Message-Control. Preisge-
geben wird nur das Nötigste, ein
strenges Regime verhindert Quer-
schüsse. Inszenierung statt Inhal-
te, Operation Gleichklang. Nach
dem Motto: Wir lassen euch rein,
aber nichts raus.
Wer seine Geschichte ohne
kritische Zwischenrufe erzählen
möchte, kann das auch. Es gibt
Instagram, Facebook und You-
tube. Klubs und Kicker verbreiten
ihreBotschaftenauf allen Kanälen
in Eigenregie. Das Kontrollverlan-
gen wird größer, die Inhalte lassen
sichsteuern.PopuläreSpielerund
VereinesindMarkenundMedium
zugleich. Und vor allem sind sie
längst nicht mehr auf traditionel-
le Medien angewiesen. Im Gegen-
teil:SieerreichenübersozialeMe-
dien weit mehr Menschen als mit
einem herkömmlichen Interview
in einer Zeitung.

In Deutschland waren 2018 laut
einer Studie sieben Nationalspie-
ler unter den Top Ten der Insta-
gram-Accounts mit dem größten
Followerwachstum. Das persön-
liche Interesse der Spieler an den
sozialen Medien ist dabei zweit-
rangig, die treibende Kraft ist das
Management. Die Vermarktung
führt nicht nur zu steigenden
UmsätzenimMerchandising,son-
dern auch zu höheren Transfer-
summen. In Österreich herrschen
noch andere Verhältnisse, wenige
Sportler–allen voran Marcel Hir-
scher, Dominic Thiem und David
Alaba–können durch Eigenver-
marktung große Märkte bedienen.

Bei den globalen Stars sieht das
so aus: Lionel Messi und Neymar
schießen mit Fußbällen auf Droh-
nen, Bayern-Verteidiger Jérôme
Boateng spricht über die musi-
kalischen Geschmacksverirrun-
gen seines Teamkollegen Thomas
Müller, und Zinédine Zidane sin-
niert über ein Leben nach dem
Profifußball. Das alles erfährt man
für 3,60 Euro im Monat auf der

Onlineplattform Otro. „Fußballer
und Vereine verstehen sich als
Unternehmen, so verläuft auch
die Kommunikation. Mit weich-
gespültem Image erreicht man
die Hardcorefans“, sagt Christoph
Bertling, Medienwissenschafter
an der Sporthochschule Köln.
„Die Masse will aber Reibungs-
punkte. Es geht nicht nur um
Sponsoren, sondern auch um ge-
sellschaftliche Relevanz, das ka-
pieren diese Ich-AGs nicht mehr.“
Bertling sieht den Journalismus
zum „Zweit- oder Drittverwerter
degradiert. Die rote Linie ist über-
schritten.“
Um Reichweiten zu Geld zu
machen, erstellen Vermarkter mit
Spielern soziale Profile. Welche
Produkte nutzen sie? Was passt
zu ihnen, welche Marken geben
ihnen welches Image? Wie man
Sportler als Unternehmen profes-
sionell vermarktet, lernen euro-
päische PR-Profis aus den USA.
Dabei versteht man den Sport dort
ganz anders als in Europa. „In den
USA haben wir Franchiseunter-
nehmen, wo der wirtschaftliche
Gewinn im Vordergrund steht. In
Europa versteht man den Sport
als Kulturgut, wir haben eine
Basis mit vielen ehrenamtlichen
Mitarbeitern, staatliche Subven-
tionen und ein Vereins- und Ver-
bandswesen, das tief in der Gesell-
schaft verankert ist“, sagt Bertling.
„China fördert eine Elite, in den
USAversuchtman,unternehme-
risch stark vom Sport zu profi-
tieren. Wir haben in Europa eine

„Fußballer undVereine
verstehen sich als
Unternehmen,
so verläuft auch
dieKommunikation.“

Christoph Bertling,
Medienwissenschafter

Agenda:Me trol imFußball DERSTANDARDWOCHENENDE SA./SO.,24./25.AUGUST2019| 5


Fußballvereine
machen sich längst
lieber nur ein Bild
vonsich selbst. Seies
in einer Doku wie von
Borussia Dortmund,
sei es über den
Instagram-Account.
Kontroversielles
soll ja nicht nach
Außen dringen.
Screenshots:Borussia Dortmund

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Verantwortung, wir erwachsen
aus einem ganz anderen Sport-
system, und deshalb muss ich als
Sportler diesem System auch et-
was zurückgeben.“
Zurückhaltung ist in den USA
keine Tugend, Bling-Bling ist bei
den Stars im American Football,
Basketball oder Baseball angesagt.
Man lässt sich für das teuerste
Auto, die glänzendste Uhr und
das fetteste Heimkino feiern.
Dieser Trend ist über den Teich
geschwappt. Auch europäische
Sportler sind stolz auf ihre Desi-
gneroutfits und eine Garage voller
Sportwagen. Die Millionengagen,
die in den großen Fußballligen
gezahlt werden, laden nicht zu
besonderer Demut ein.
Dass diese Inszenierung nicht
nur auf Gegenliebe stößt, zeigt der
Fall Franck Ribery. Der Franzose
hatte auf Instagram ein Foto eines
mit Blattgold überzogenen Steaks
geteilt. Ein übler Shitstorm zog
auf. Anstatt Gras über die Sache
wachsen zu lassen, beschimpfte
Ribery seine Kritiker öffentlich
und erwischte seinen damaligen
VereinBayernMünchendamitauf
dem falschen Fuß. Vermutlich um
von der unangenehmen Causa
abzulenken, verkündete Sport-
direktor Hasan Salihamidžićkurz
darauf den Transfer des franzö-
sischen Weltmeisters Benjamin
Pavard, obwohl die Bekanntgabe
des Wechsels mit Pavards Klub
VfB Stuttgart nicht akkordiert war
–ein Kommunikationsfiasko auf
allen Ebenen.

Österreichs Serienmeister Red
Bull Salzburg protzt nicht mit
Luxus, betreibt aber eine stringen-
te Informationspolitik. Negatives
dringt nicht an die Außenwelt,
Interviews mit Spielern und
Funktionären müssen grundsätz-
lich autorisiert werden.
Bevorzugte Kommunikations-
mittel der Salzburger: Servus TV
und die ZeitschriftRed Bulletin.
380.000 Abonnenten zählt man
auf Facebook, 90.000 auf Insta-
gram. Mit diesem Apparat lässt
sich in Österreich arbeiten, wenn-
gleich es im europäischen Ver-
gleich noch Luft nach oben gibt.
Der spanische Rekordmeister
Real Madrid zählt auf Instagram
77 Millionen Abonnenten, auf
Facebook sind es 110 Millionen.

VerhärteteFronten
Medienwissenschafter Bertling
sieht im Spannungsverhältnis
zwischen Vermarktung und Jour-
nalismus jedenfalls die Entste-
hung verhärteter Fronten: „Einer-
seits gieren Boulevardmedien,
die immer seltener Zugang zu ex-
klusiven Information bekommen,
nach Skandalen und schnellen
Schlagzeilen, andererseits schot-
ten sich populäre Sportler von tra-
ditionellen Medien ab.“ Deshalb
sei seriöser Journalismus mehr
denn je gefragt. Bertling: „Un-
ternehmenskommunikation wird
immer größer und globaler, deren
kritische Einordnung ist für eine
Demokratie wichtig. Und Sport
sollte ein Teil davon sein.“

Agenda:Me trol imFußball


Superstar Ronaldo, wie er sich
selbst wohl am liebsten sieht.
Foto: Instagram
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