Süddeutsche Zeitung - 24.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
Jede Zahl von 1 bis 9 kommt pro Zeile und Spalte
höchstens einmalvor. Ununterbrochene Reihen
weißer Felder (Straßen) enthalten nur aufeinander-
folgende Zahlen, aber in beliebiger Reihenfolge.
Zahlen auf schwarzen Trennfeldern gehören zu
keiner Straße. © 2010 Syndicated Puzzles Inc.
 http://www.sz-shop.de/str8ts

von florian welle

D


erSpiegel nannte Edmund
Friedemann Dräcker bereits
1967 „gewiß die geheimnis-
vollste Persönlichkeit, die
Deutschlands Diplomatie je
hervorgebracht hat“. Das macht hellhörig.
Wer Genaueres über den Gepriesenen wis-
sen will, der wird zunächst einmal, nein,
nicht im Internet recherchieren, sondern
klassischer zum „Biographischen Hand-
buch des deutschen Auswärtigen Diens-
tes“ von 2000 greifen. In der Tat: Dort lan-
det man unter D einen Treffer.
Der Gesuchte kam demnach 1888 in Su-
leyken zur Welt und starb angeblich erst
mit 101 Jahren. Angeblich deshalb, weil
hinter dem Todesjahr 1989 ein kleines,
aber nicht unerhebliches Fragezeichen
steht. Heißt das, der Diplomat, der nach
1945 stets mit „Edmund F. Dräcker“ unter-
zeichnete und 1953 in den gesetzlichen Ru-
hestand trat, um fortan ein geheimnisum-
wittertes Leben im diplomatischen Unru-
hezustand rund um den Globus zu führen,
lebt möglicherweise noch?

Zuzutrauen wäre es ihm, zu dessen Ei-
gentümlichkeiten neben einem extrava-
ganten Englisch („We Germans are always
heavy on the wire“) es gehörte, alle Spuren
zu verwischen, um dann wie Phoenix aus
der Asche erneut von sich reden zu ma-
chen. Galt er doch nach einem Sonderauf-
trag, der ihn 1959 nach Beirut geführt hat-
te, als verschollen, bis er 1962 „im Dorf
Mehrauli bei Neu-Delhi als Wanderastro-
loge“ wieder auftauchte. So vermeldete es
damalsDie Welt.
Nachlesen kann man diese und andere
Geschichten über den Tausendsassa (Vize-
konsul in Colombo, Autor von „Mein Feld
ist die Welt“, Sonderberater der EU-Kom-
mission für die Erarbeitung einer Richtli-
nie für die Normierung von Seemanns-
garn) in der Biografie mit dem barocken Ti-
tel „Ministerialdirigent a.D. Dr. h.c. Ed-
mund F. (Friedemann) Dräcker. Leben
und Werk. Vom Kaiserlichen Vizekonsul
zum indischen Guru. Eine Dokumentati-
on“. Eine Fundgrube, die Material zu einer
Person wahrhaft Karl May’scher Prägung
enthält.
So etwa soll Dräcker fünf Jahre nach
dem Wiederauftauchen auf einer Jagd im
Beisein Willy Brandts mit einem küchen-
messerähnlichen Gegenstand auf einen
Bock losgegangen sein, was er aber umge-
hend dementierte: „Ich möchte darauf
hinweisen, dass der größere Teil meiner
Berufslaufbahn bereits in die Zeit nach Er-
findung des Schießpulvers fällt, und dass
ich überdies an der genannten Jagd gar
nicht teilgenommen habe.“
Das Dementi klingt plausibel, da man
bereits 1970 erneut Nachforschungen
nach Dräcker anstellen musste. Diesmal
fand man ihn in Poona als Oberhaupt ei-
nes hinduistischen Kollektivs, was sich im
Bericht des damaligen deutschen Bot-

schafters in Indien, Günter Diehl, so liest:
„Dräcker, der Haare und Bart nach der Art
der indischen Sadhus und stark mit Hen-
na gefärbt trägt, war fast nackt (... ) Sein
Zentralthema ist die systematische Erfor-
schung und Analyse der erotischen Ge-
bräuche im Tantrismus.“
An dieser Stelle begibt man sich doch
im Netz auf Recherche und stellt gar nicht
mehr verblüfft fest, dass der Diplomat im-
mer noch sein Unwesen treibt – anschei-
nend konnte er verschiedene Verjün-
gungskuren bei sich erfolgreich anwen-
den. Jedenfalls sieht man ihn, von dem es
bis dato kaum brauchbare Bilder gab,
kurz in einem Youtube-Video von 2014 in
seiner (derzeitigen) Funktion als „Präsi-
dent des Bundesamtes für magische We-
sen“ – mittelgroß, blondes Haar, Brille:
ein erstaunlich fideler Methusalem.
Dräcker ist, wie zu ahnen, natürlich ei-
ne Erfindung, die es schon vor über zwan-
zig Jahren auf die Leinwand geschafft hat.
1996 kam Claus Strobels fiktiver Doku-
mentarfilm „Das Phantom von Bonn“ in

die Kinos. Was ihn antrieb, umschrieb
Strobel so: „Ich habe geforscht, wieso es
Dräcker gegeben hat, was das für Leute
sind, die dahinter stecken. Es sind Leute,
die nach dem Krieg als Diplomaten und
Politiker aktiv gewesen sind. .. “ Günter
Diehl wurde schon genannt, doch als ei-
gentlicher Erfinder Dräckers gilt der 1989
gestorbene Hasso von Etzdorf.
Der rief ihn, zumindest nach gängigs-
ter Lesart, 1936, -37 oder -38 (hier differie-
ren die Angaben) in Rom ins Leben, wo Etz-
dorf als Legationssekretär der deutschen
Botschaft tätig war und einen Weg suchte,
Sitzungen zu schwänzen. Ein Mitarbeiter
wurde instruiert, mit der Meldung einzu-
treten, dass Ministerialrat Dräcker vom
Reichsfinanzministerium in Berlin einge-
troffen wäre und eine Unterredung wün-
sche. Damit Etzdorf dann in der nächstge-
legenen Taverne ein Bier trinken konnte.
Der Name der Brauerei „Dreher“ diente
ihm als Vorlage für sein Phantom. Dieses
wurde in den Folgejahren durch eine An-
frage beim Reichsarchiv „betr. Ministerial-

rat Dr. Dräcker“ dann echt aktenkundig.
Ein Lebenslauf entstand, wonach Dräcker
am 1. April (!) 1888 zur Welt kam. Fortan
fütterte die gewitzte Dräcker-Gemeinde
die Akte mit weiteren Schriftstücken, die
auch nicht versandeten, als spätestens
mit demSpiegel-Artikel von 1967 jedem
der Schwindel klar sein musste.
Na ja, fast jedem. Das Außenministeri-
um der DDR warf noch 1982 der Bundesre-
gierung „imperialistische“ Umtriebe vor,
nachdem dieFAZam 1. April vermeldete,
Dräcker hätte auf einer „recht großen Eis-
scholle“ in der Antarktis die Bundesfahne
gehisst. Hätten sie hinter dem Eisernen
Vorhang drei Jahre zuvor Hans-Dietrich
Genschers Festrede als neugekürtem Rit-
ter wider den tierischen Ernst gelauscht,
wäre dieser Fehler wohl nicht passiert.
Dort referierte Genscher launig: „Dräcker
ist ein Aktenhomunkulus. Gezeugt von
Humor und geboren von der Phantasie. Al-
so ein echtes Wunschkind diplomatischer
Pflichterfüllung bei der Freizeitgestal-
tung im Dienst.“

LÖSUNGEN VOM FREITAG ...


... UNDVOM WOCHENENDE


21 34 56
14325 789
321 9678
34698257
65874
59247683
4657 321
687 25143
78 34 12

9

STR8TS: SO GEHT’S


Quartett leichtKuvertüre,Bleigießformen,Siegel-
wachsundFonduekäse: Alle vier werden bei
Gebrauch geschmolzen.SchwerZur Unterschei-
dung von „schwerem Wasser“ D2O wird normales
H2O auch„leichtes Wasser“genannt. Die Broschüre
für Bürger mit Leseschwierigkeiten war inLeichter
Sprachegeschrieben.Wassyl Lomatschenkoist
Boxweltmeister im Leichtgewicht. Unddas obere
Quartettwar als „leicht“ bezeichnet.Aller Anfang
„Ein ewig Rätsel bleiben will ich mir“ (F. Schiller)

4576321
57698 432
6789 54
89 756
7986 3254
8524763
654 321
3214 876
432 987

3

1
8
9
6

Filmszene aus „Das Phantom von Bonn“ mit Hermann Lause (rechts) als Edmund F. Dräcker. FOTO: MAURITIUSIMAGES

DEM GEHEIMNIS AUF DER SPUR

Ein echtes Phantom


Er geistert schon lange durch die internationale Politik,


der Diplomat für besondere Aufgaben, Edmund F. Dräcker


36 RÄTSEL Samstag/Sonntag, 24./25.August 2019, Nr. 195 DEFGH


STR8TSmittelschwer


FOTOS: IMAGO (6), SEBASTIAN KOPPEHEL (CC BY 4.0), THIENEMANN

SCHACH


Teuflisches Trio

QUARTETT


Vier Bilder, eine Gemeinsamkeit – welche?

von oliver rezec

5416 72983
39785 1642
628493157
9327485 16
875126394
164935728
486517239
753289461
219364875

leicht


schwer


SUDOKUschwer


672439518
8146 75329
59382 1764
751386942
489152673
236794851
347268195
165943287
928517436

SCHWEDENRÄTSELBekannte Kuchen


a 8 7 6 5 4 3 2 1
bcdef gh

Position nach 35.Kh1

Rapport – Carlsen (Reti-Eröffnung)
In ungewohnt schwankender Form präsen-
tierte sich Weltmeister Magnus Carlsen
bei der vierten Etappe der Grand Chess
Tour in Saint Louis. Seine mentale Stärke
stellte der Norweger jedoch nach der Auf-
taktniederlage gegen Chinas Nummer
eins Ding Liren in folgender Partie aus der
zweiten Runde unter Beweis. Es ist sehr
eindrucksvoll, wie er dem ebenso kreati-
ven wie gefährlichen 23-jährigen Ungarn
Richard Rapport aus einer unscheinbaren
Position heraus eine vernichtende Nieder-
lage zufügt:
1.Sf3 d5 2.g3 Lg4 3.Lg2 e6 4.c4 c6 5.0–0
Sf6 6.cxd5 Lxf3 7.Lxf3 cxd5 8.d4 Sc6
9.e3 Le7 10.Sc3 0–0 11.De2 Tc8 12.Td1
Dd7 13.Ld2 Tfd8 14.Le1(beide Seiten ha-
ben ihre Figuren auf plausible Art entwi-
ckelt, nun gilt es, konstruktive Pläne zu
entwickeln, was in dieser stabilen Position
nicht leicht ist)14...Se8 15.Tac1 f5 16.Lg2
Sf617.Sa4 b6 18.Sc3 Sa5 19.Sb1(besser ge-
fällt 19.Lf1 Sc4 20.b3 Sa3 21.Da6 Tc7
22.Sb5)19...Sc4 20.Tc2 g5(dieser auf den
ersten Blick zweischneidige Vorstoß soll

die Kontrolle über die Felder f3 und e4 si-
chern. Die Partiefolge wird die Kraft die-
ses Konzepts demonstrieren und spricht
für Carlsens geniale Intuition)21.Tdc1 g4
22.Lf1 Se4 23.b3 Scd6 24.Da6 Txc2
25.Txc2 Kf7 26.a4 h5 27.a5(dieser pseu-
doaktive Zug wird sich auf Schrecklichste
gegen den Weißen wenden) 27...Tb8
28.axb6Txb6 29.Da2 Db7(wie durch Zau-
berschlag stehen plötzlich alle schwarzen
Figuren optimal, der weiße b-Bauer ist
nicht mehr zu verteidigen und die weiße
Position kollabiert)30.La5(ein verzweifel-
ter Gegenangriff, nicht besser wären
30.Tb2 Sc4 oder 30.b4 Sc4 31.Lxc4 dxc4
32.Dxc4 Lxb4) 30...Txb3 31.Tc7 Db8
32.Sd2 Tb2 33.Da4 Sxd2 34.Dd7 Sf3+
35.Kh1 Diagramm 35...Dxc7(dieser Keu-
lenschlag beendet alle weißen Rettungs-
Träume. Weiß gibt auf, denn dem schwar-
zen Trio aus Turm und zwei Springern
wachsen nach dem kommenden 36...Se4
teuflische Kräfte zu, denen der weiße Kö-
nig hilflos ausgeliefert ist, z.B. 36.Dxc7 Se4
37.Dc1 Sxf2+ 38.Kg2 Sd1+ 39.Kh1 Txh2
Matt). stefan kindermann

83


74


49


2


57


2


3


34


94


2


1


6


3


7 2


3 9 6


4 8 1 3


7 8


9


5 2


1


7 5


1 8 3 9


ALLER ANFANG


„W·· r···· h···


e········· v·· P······“


So nannte der Chef der Deutschen Bank die Summe von 50 Millionen Mark
und schuf damit das Unwort des Jahres 1994. Wie lautet das Zitat?

Man lernt eine Persönlichkeit
von geradezu Karl May’scher
Prägung kennen

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