Schön anzuschauen sind diese Edelstei-
ne zwar, allerdings nicht viel wert. Letzt-
lich glitzern da Bergkristall und Rosen-
quarz. Wobei – es gibt Leute, die anderes
behaupten. Die den Mineralien besonde-
re Kräfte zusprechen. Sie sollen Körper
und Seele heilen und dem Menschen al-
les, was so aus der Bahn geraten ist, wie-
der zurechtrücken. Das ist zwar Humbug,
oder wie es korrekt heißt: weder wissen-
schaftlich nachweisbar noch medizinisch
anerkannt. Aber ein gutes Geschäft ist’s
allemal. Bei Tchibo gab es diese Woche
„Energetisierungssteine“ zu kaufen,
Quarze eben, um „Edelsteinwasser“ her-
zustellen. Weil bei derlei Geschwurbel
über ausgedachte Energieströme jeder
Physiker die Faust in der Tasche ballt
(und falsche Heilungsversprechen sogar
gefährlich werden können), gibt es Vor-
schriften, wie solche Produkte beworben
werden dürfen. Grundsätzlich soll man
nichts versprechen, was man nicht halten
kann. Bei Tchibo kündigte man also zu-
nächst an, die „heilende Wirkung von
Edelsteinen“ sei „seit Jahrhunderten be-
kannt“ – wollte man die Steine im Online-
Shop kaufen, stand da: „Wasser energeti-
sieren und beleben sind Vorgehenswei-
sen, die uns immer wieder im Zusammen-
hang mit der Qualitätsverbesserung von
Trinkwasser begegnen.“ Dass es tatsäch-
lich keinen nachweisbaren Unterschied
macht, drei solcher Steine ins Glas plump-
sen zu lassen (außer, dass dann weniger
Wasser als vorher hineinpasst), darüber
erfährt der Kunde nichts. Die Realität ist:
Trotz aller Vorschriften lässt sich – ent-
sprechend vorsichtig formuliert – fast al-
les verkaufen. Wie wäre es zum Beispiel
mal mit Zauberstäben? Erzählungen
über die wirkungsvollen Kräfte der hand-
gefertigten Holzwerkstücke werden
schließlich seit Generationen weiterge-
reicht. Jedes Kind kennt einen Zauber-
spruch, und das kann ja kein Zufall sein.
Nachweisbar ist Magie zwar nicht – aber
probieren Sie es doch für 9,99 Euro mal
selbst aus! valentin dornis
von jens flottau
Frankfurt– Esist sieben Jahre her, da
stand Scandinavian Airlines (SAS) nur we-
nige Stunden vor dem Aus. Die traditions-
reiche Fluggesellschaft mit den hohen Kos-
ten hatte über Monate versucht, mit den
Gewerkschaften Kürzungen auszuhan-
deln, auf deren Basis die Anteilseigner wei-
termachen würden. Erst nach einer drama-
tischen Nachtsitzung am 19. November
2012 gelang dann endlich der Durchbruch.
SAS konnte weiterfliegen.
Das Rettungsdrama von 2012 war der
erste Höhepunkt der Ära von SAS-Chef
Rickard Gustafson, der erst kurz zuvor sei-
nen Posten angetreten hatte. Seither ver-
sucht er, SAS dauerhaft profitabel zu ma-
chen und damit interessant für einen neu-
en Investor. Derzeit sind noch die Regie-
rungen von Schweden und Dänemark mit
Anteilen von jeweils 14 Prozent die größ-
ten Anteilseigner. „Europa würde von
mehr Konsolidierung profitieren“, sagte
Gustafson im Gespräch mit der Süddeut-
schen Zeitung. „An einem bestimmten
Punkt wäre es für uns sinnvoll, Teil von et-
was Größerem zu sein. Wir haben nicht die
finanzielle Stärke, um selbst die Konsoli-
dierung voranzutreiben.“
Wer damit gemeint sein könnte, liegt na-
he, auch wenn es Gustafson nicht explizit
so sagt. Doch die Lufthansa hat derzeit an-
dere Sorgen, als sich um SAS zu kümmern:
Eurowings muss saniert werden, dazu
Brussels Airlines. Und wenn es Zukäufe ge-
ben sollte, dann scheint der Konzern tat-
sächlich eher an Alitalia oder SAS-Konkur-
rent Norwegian interessiert zu sein.
Für den Moment muss SAS also allein
klarkommen. 2018 war zwar ein Rekord-
jahr, was den Gewinn betrifft, aber zuletzt
musste das Unternehmen bei den Quar-
talszahlen einen Rückgang des operativen
Gewinns um ein Viertel bekanntgeben. Zu-
dem macht der sinkende Kurs der schwedi-
schen Krone der Airline zu schaffen. Trotz
der Debatte um Flugscham ist die Nachfra-
ge nach Flügen auch in Skandinavien noch
stark: Der Juni war mit 2,96 Millionen Pas-
sagieren der stärkste Monat in der SAS-Ge-
schichte.
„Zu einem gewissen Grad begrüße ich
die Flugscham-Diskussion, aber die Leute
tendieren dazu, den enormen Wert der
Luftfahrt zu vergessen“, sagt Gustafson.
„Ohne uns würde die Wirtschaft zusam-
menbrechen. Dennoch müssen wir nach-
haltiger werden, SAS will dabei eine füh-
rende Rolle übernehmen.“ Das Unterneh-
men will nun mit dem Airbus-Konzern bei
Forschungsprojekten zum Fliegen mit
elektrischen Antrieben zusammenarbei-
ten.
Neben den für die Mitarbeiter schmerz-
haften Einsparungen der Vorjahre hat Gus-
tafson bei SAS andere Hebel in Bewegung
gesetzt, vor allem beim Streckennetz und
der Flotte. Früher hatte SAS vor allem auf
Geschäftsreisende gesetzt. Wenn aber die
Kunden im Sommer in den Urlaub fliegen
wollten, mussten sie andere Fluggesell-
schaften nehmen. SAS flog kaum Ziele im
Mittelmeerraum an. Das hat sich grundle-
gend geändert: Der Flugplan ist wesent-
lich flexibler geworden, von Juni bis Au-
gust wird ein Teil der Europaflotte auf Feri-
enziele im Süden umgelenkt. „Bis 2012 ha-
ben wir im Juli immer Verluste gemacht.
Jetzt ist die Zeit von Juni bis August enorm
wichtig für unseren Gewinn.“
SAS investiert derzeit auch massiv in ei-
ne neue Flotte. Bis 2023 sollen alle alten
Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge ausge-
mustert und durch neue Jets der Airbus
A320neo-Baureihe ersetzt werden. Schon
2021 werden die viermotorigen Spritschlu-
cker des TypsA340durch deutlich sparsa-
mereA350abgelöst.
17 Langstreckenjets wird SAS dann be-
treiben, das ist im Vergleich sehr wenig.
Lufthansa, Air France-KLM und Internati-
onal Airlines Group (IAG) fliegen jeweils ei-
ne dreistellige Anzahl von Großraumjets.
Doch SAS versucht, sich in der Nische zu
halten – trotz der großen Konkurrenz. Die-
ser Strategie bleibt sie auch mit dem neu-
esten Angebot treu: Ab Ende 2020 werden
drei langstreckentaugliche A321LR,die
deutlich kleiner als dieA330undA350
sind, auf dem Nordatlantik eingesetzt.
SAS will versuchen, von Städten wie Ber-
gen oder Göteborg nach New York zu flie-
gen oder Ziele wie Boston, die bislang nur
im Sommer funktionieren, mit weniger Sit-
zen das ganze Jahr über anzubieten. Die
A321LRkönnen auch genutzt werden, um
die Kapazität auf bestehenden Strecken zu
erhöhen. Wenn das Experiment gelingt,
kann SAS noch einen Teil der Bestellung
für 65 Maschinen des TypsA320neoin die
größere Version umwandeln. Wenn es
nicht gelingt, dann können die Maschinen
auch ohne technische Probleme im Euro-
paverkehr eingesetzt werden.
Dort allerdings sieht Gustafson ein gro-
ßes Risiko erheblicher Überkapazitäten.
Der kommende Winter sei der erste seit
Langem, in dem in Skandinavien auch we-
gen der Krise des Konkurrenten Norwegi-
an die Kapazität nicht oder nur minimal
ausgeweitet wird. Doch europäische Flug-
gesellschaften haben Hunderte zusätzli-
che Maschinen bestellt, die in den kom-
menden Jahren ausgeliefert werden. Das
Flugverbot für die Boeing737 MAXhat den
Aufbau im laufenden Jahr zwar verzögert,
dafür kommen die Maschinen aber voraus-
sichtlich im nächsten Jahr geballt – wo-
möglich ausgerechnet inmitten einer Wirt-
schaftskrise.
Sagenhaft
Wer ausreichend schwurbelt,
darf fast alles verkaufen –
auch „Energetisierungssteine“
Von wegen Flugscham:
Der Juni war der stärkste
Monat in der SAS-Geschichte
Nischenflieger
Der Chefvon Scandinavian Airlines, Rickard Gustafson, will das Unternehmen profitabel machen für einen neuen Eigentümer:
„An einem bestimmten Punkt wäre es für uns sinnvoll, Teil von etwas Größerem zu sein.“
Früher hat die skandinavische SAS vor allem Geld mit Geschäftsreisenden verdient. Mittlerweile fliegen die Maschinen
der Gesellschaft auch Ferienziele an. FOTO: MARIUS SCHWARZ/IMAGO
Ende 2020 will die Gesellschaft
zusätzliche US-Angebote
ins Programm nehmen
30 WIRTSCHAFT HF3 Samstag/Sonntag, 31.August/1. September 2019, Nr. 201 DEFGH
ZWISCHEN DEN ZAHLEN
Als Mitglied des Aufsichtsrats und Anteilseigner
hat er die Porsche Automobil Holding SE
mitgegründet und maßgeblich geprägt.
Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet und
werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Seiner Ehefrau Ursula und seinen Kindern
sprechen wir unser aufrichtiges Beileid aus.
Porsche Automobil Holding SE
Dr. Wolfgang Porsche
Vorsitzender des Aufsichtsrats
Dr. Hans Michel Piëch
Stellvertretender Vorsitzender
des Aufsichtsrats
Hans Dieter Pötsch
Vorsitzender des Vorstands
Prof. Dr. Ferdinand K. Piëch
*1937 †2019