Kein Hund bellt. Kein Nachbar lästert.
KeinHauch von verbranntem Sprit mischt
sich in den morgendlichen Dunst. Keine
Tür knallt, denn alle drei Testwagen sind
mit Zuziehhilfen ausgestattet: Wenn
schon leise und elektrisch, dann richtig.
Bitte einsteigen, anschnallen und die
Denkmütze aufsetzen, denn vor dem Start
sollte man sich mit den komplexen Cock-
pits vertraut machen. Mit dem Touch-
Zoom-Wisch-Drück-Vexierfeld im Haupt-
monitor der Jaguar-Kommandozentrale
etwa. Erster Eindruck: höchste Zeit für ver-
einheitlichte Funktionalitäten, durchgän-
gige Symbolik und ein aufgeräumtes Be-
dienkonzept mit dem Fokus auf wirklich
wesentliche Zugriffe.
Teslas Model S setzt seit sieben Jahren
Maßstäbe, die deutschen Hersteller ent-
schieden sich nach langem Zögern erst ein-
mal für Kompromisse. Der Audi E-tron 55
ist im Prinzip ein stark modifizierter Q5,
der Mercedes EQC hängt an der Nabel-
schnur des GLC. Nur Jaguar wagte eine
weitgehende Neuentwicklung. Der I-Pace
verwendet zwar die Radaufhängung und
die Klimaautomatik des F-Pace, doch bei
Chassis, Batterie und Antrieb beschritten
die Briten neue Wege. Das zeigen auch die
coupéhaften Proportionen des Breitbau-
Stromers. Mit 4,68 Meter ist der Jaguar
nicht nur kürzer, sondern wirkt auch sport-
licher als seine Wettbewerber made in Ger-
many. Zudem ist er etwa 300 Kilo leichter.
Es sind weder Leistungsdaten noch Prei-
se, die diesen Vergleich entscheiden. Die
beiden E-Maschinen im Jaguar bringen es
auf 400PS, Audi und Mercedes legen die
Latte mit jeweils 408PS nur marginal hö-
her. Auch die Akkus liefern sich mit 80 Ki-
lowattstunden (kWh) im EQC und jeweils
90 kWh im E-tron und I-Pace ein Kopf-an-
Kopf-Rennen. Nahezu Gleichstand
herrscht selbst beim Drehmoment-Gebir-
ge von rund 700 Nm und den realistischen
Reichweiten. Bei einstelligen Minusgra-
den sind nach dem Testverfahren WLTP
zwischen 305 und 325 Kilometer möglich,
im Sommer darf man auf 400 Kilometer
hoffen. Voraussetzung ist eine moderate
Fahrweise, wobei auf der Autobahn die
Formel Richtgeschwindigkeit = Höchst-
tempo gilt. Wer im Verkehrsfluss mit-
schwimmt, kommt in allen drei E-Mobilen
mit rund 25 kWh pro 100 Kilometer aus.
Wer den Fuß stehen lässt, muss nach spä-
testens 150 Kilometer an die (Gleich-
strom-)Steckdose. Dort wird der Audi mit
bis zu 150 kW Ladeleistung in nur 25 Minu-
ten abgefertigt. Die Mercedes-Akkus las-
sen sich mit 110 kW beaufschlagen und
brauchen knapp zehn Minuten länger. Ei-
nen Kaffee samt Croissant mehr kann sich
der Jaguar-Fahrer gönnen. Weil sich die
Raubkatze mit 104 kW nährt, verlängert
sich der Boxenstopp auf 44 Minuten. An
der heimischen Wallbox werden für die vol-
le Dröhnung zwischen acht (E-tron) und
13,5 Stunden (I-Pace) veranschlagt.
Auch der Preisvergleich schiebt keinem
der drei Musketiere die Favoritenrolle zu.
Den Jaguar gibt es ab 79 450 Euro, Audi
ruft mindestens 80 900 Euro auf, der Mer-
cedes steht mit 71 281 Euro in der Liste. Mit
viel Ausstattung belasten sechsstellige
Endsummen das Konto. Dafür gibt es
beim EQC zwar nur 180 km/h Höchsttem-
po, aber reihum einen Beschleunigungs-
Kick, der aus dem Stand heraus die ersten
zehn, 20 Meter im Zeitraffer einkassiert.
Der Jaguar verzieht beide Mundwinkel
mit einem 4,8-Sekunden-Sprint zu einem
breiten Grinsen. Der Stern braucht drei
Zehntel länger für den Spurt von 0 auf 100
km/h, und die vier Ringe passieren die
Lichtschranke erst nach 6,6 Sekunden.
Der E-tron ist im Innenraum fast eine
Kopie des besagten Q5. Auch der EQC ist
nicht geräumiger als die Verbrenner auf
derselben Plattform. Der Elektro-Merce-
des bietet auf den Rücksitzen sogar deut-
lich weniger Kopf- und Beinfreiheit als der
GLC. Messbar mehr Platz ist im Jaguar,
der in diesem Trio den längsten Radstand
durch die Gegend fährt. Weil sich Motoren
und Leistungselektronik im I-Pace beson-
ders klein machen, glänzt Sir Jaguar mit
der größten Netto-Grundfläche und mit ei-
nem 656 Liter-Gepäckabteil auf E-tron-Ni-
veau. Im Benz beschränkt der Batterie-
Klotz dagegen das Ladevolumen auf 500
Liter. Normalerweise müsste ein neu kon-
zipiertes E-Auto einen deutlich engeren
Wendekreis beschreiben als ein Ver-
brenner-Derivat, doch die aus Kostengrün-
den vom F-Pace übernommene Vorderach-
se kann mit ihrem kleinen Einschlagwin-
kel diesen Vorteil nicht ausspielen.
Das hohe Gewicht, der große Achsab-
stand und die serienmäßige Luftfederung
(beim EQC nur hinten) schaffen beste Vor-
aussetzungen für hohen Fahrkomfort. In
der Praxis wird der vielversprechende An-
satz freilich durch überdimensionierte Rä-
der konterkariert. Der Audi-Testwagen
lebte auf 20-Zoll großem Fuß (Serie sind
19-Zöller), und auch der Mercedes war mit
20-Zoll-Gummis eine Nummer breiter
mischbereift als das Basismodell. Der Ja-
guar rollt normalerweise auf 18-Zöllern
vom Band, doch es geht auch deutlich rup-
piger – zum Beispiel im Form der in die-
sem Fall montierten Contis der Dimension
255/40 R22. In Verbindung mit der straffe-
ren Grundabstimmung bedingt dieses Ex-
tra ein spröderes Abrollverhalten, ein här-
teres Anfedern und eine ausgeprägtere
Spurrinnen-Empfindlichkeit. Die deut-
sche Konkurrenz kann das besser, aber
wenn‘s pressiert, sind E-tron und EQC
eben weniger engagiert und behende un-
terwegs als der Dynamiker von der Insel.
Sobald die Post abgeht, machen Masse
und Gewicht dem Audi zu schaffen. Nor-
malerweise kümmert sich allein der 165
kW starke Heckmotor um den Vortrieb,
doch bei Bedarf leistet das 135 kW-Zweit-
aggregat in Sekundenbruchteilen erste Hil-
fe. Der E-tron ist neutral abgestimmt und
selbst im Dynamikmodus jederzeit gut be-
herrschbar. Grip und Traktion lassen kei-
ne Wünsche offen, und auch die Bremse
beherrscht ihr Handwerk, wenngleich ein
noch feinerer Übergang von der elektri-
schen zur mechanischen Verzögerung
kein Fehler wäre. Leider enttäuscht die leb-
lose und stumpfe Lenkung, weil Servoun-
terstützung, Lenkwinkel und Übersetzung
miteinander im Clinch liegen. Die mehr-
stufige Rekuperation unterstützt zwar das
viel beschworene One-Pedal-Feeling (Gas
Wegnehmen ersetzt Bremsen), stört aber
gleichzeitig den an sich souveränen Bewe-
gungsablauf durch abrupten und in Ver-
bindung mit den Assistenzsystemen oft
vorschnellen Tempoabbau.
Auch der EQC wird nicht müde, seine Ta-
lente unter Beweis zu stellen. Ob der Herr
vielleicht eine von fünf Rekuperationsstu-
fen einloggen möchte? Oder dabei zuse-
hen, wie der Reichweiten-Radius auf dem
Monitor von einer Melone zur Zwetschge
schrumpft? Oder ein anderes Fahrpro-
gramm wählen, einen Slot an der nächsten
Ladestation vorbuchen, das Auto für den
nächsten Trip vorkonditionieren? Dafür
muss der Fahrer keinen Finger rühren,
denn die MBUX-Sprachsteuerung hat in-
zwischen die Qualität eines Live-Dialogs.
Der E-Mercedes ist ein gelassener Gleiter,
nicht sonderlich spritzig, aber ausrei-
chend wendig, von Natur aus ein Front-
triebler der nur in Ausnahmefällen kurz-
fristig die Hinterachse hinzuzieht. Die
leichtgängige, dennoch zielgenaue Len-
kung vermittelt das gewünschte Maß an
Fahrbahnkontakt, das komfortbetonte
Fahrwerk hält nach Möglichkeit einen Re-
spektabstand zu den Verführungen des
Grenzbereichs.
Der Jaguar ist unter dem Strich eher Jä-
ger als Beute. Sein Lademanagement be-
darf zwar der baldigen Nachbesserung,
sein Bordcomputer erinnert an das Orakel
von Delphi und seine Verarbeitung hat
noch Luft nach oben. Dafür ist der deutlich
leichtere I-Pace flinker und engagierter
als die anderen beiden unterwegs. Gieren,
Wanken und Rollen kennt er nur aus dem
Fremdwörterlexikon; nach kurzem Druck
auf die DSC-Taste verdoppelt die heckbe-
tonte Drehmomentverteilung kurzerhand
den Spaßfaktor; die fixe Lenkung emp-
fiehlt sich als intuitives Präzisionsinstru-
ment ohne Filter und Weichzeichner. Auf
Landstraßen zieht der erstaunlich handli-
che Jaguar seinen Herausforderern Kurve
um Kurve auf und davon, bei Nässe legt er
ein unterhaltsam eindeutiges Eigenlenk-
verhalten an den Tag, die in seiner DNA als
prägender Wesenszug festgeschriebene
Dynamik macht am Ende des Tages den
kleinen, feinen Unterschied. Wenn man in
einem E-SUV zumindest ansatzweise die
hurtigen Fahreigenschaften eines Ver-
brenners wiederfinden möchte, dann am
ehesten in diesem. georg kacher
Spannungsgeladen
Drei Elektromodelle am Start: Wie schlägt sich der Jaguar I-Pace im Vergleich zum Audi E-tron 55 und dem Mercedes EQC?
von stefan mayr
K
rešimir stellt sich gleich mit
seinem Spitznamen vor.
„Crash“. Wie bitte? Doch,
doch, richtig gehört. Crash.
Das habe aber nur was mit sei-
nem Vornamen zu tun, sagt Krešimir. Und
rein gar nichts mit seinem Fahrstil, beteu-
ert er und lächelt listig. Das kann ja lustig
werden: Eine Testfahrt mit dem elektri-
schen Supersportwagen Rimac Concept
One – Höchstgeschwindigkeit 355, von 0
auf 100 km/h in 2,5 Sekunden – und der
Chauffeur heißt „Crash“.
Soll man da jetzt wirklich einstiegen?
Immerhin: Es ist nicht Krešimirs erste Aus-
fahrt mit der batteriebetriebenen Straßen-
rakete. Regelmäßig pilotiert er potenzielle
Käufer oder Journalisten durch das Hinter-
land von Zagreb. Eine eigenhändige Probe-
fahrt am Steuer des Ein-Millionen-Euro-
Flitzers? Die gibt es nur für Kunden, die ei-
ne Zehn-Prozent-Anzahlung leisten. Also
100000 Euro auf den Tisch legen. Und
selbst diese privilegierten Leute dürfen
nur auf einer abgesperrten Strecke ans
Steuer. Denn mit dem Teufelszeug muss
man echt umgehen können.
Der Zweisitzer hat 1224 PS, bei Tempo
355 wird die Höchstgeschwindigkeit abge-
regelt. Wegen der Reichweite und der Si-
cherheit. Eines von insgesamt nur acht Ex-
emplaren ging bereits in Flammen auf:
Der TV-Testpilot Richard Hammond raste
bei einem Bergrennen über eine Bö-
schung. Bilanz nach dem Abflug und meh-
reren Überschlägen: ein gebrochenes Knie
und Totalschaden.
Also einsteigen. Aber wo ist der Tür-
griff? Man sucht vergeblich. Freundlich lä-
chelnd zeigt Krešimir den Knopf, der rich-
tig gut versteckt ist. An der Unterseite des
Außenspiegels. Einmal drücken, dann
springt die Tür auf. „Einsteigen“ ist defini-
tiv das falsche Wort. Es ist eine Mischung
aus Reinklettern und Reinquetschen. Ein-
mal drin, sitzt es sich in den Rennsitzen ei-
nigermaßen komfortabel. Aber nur, wenn
man nicht größer als 1,90 Meter ist, kein
Übergewicht hat und nicht zur Platzangst
neigt. Im Innern des Zweisitzers fällt auf:
Einen Innenrückspiegel hat er nicht. Und
auch keine Fondscheibe. „Dieses Auto ist
nicht zum Rückwärtsfahren gemacht“,
sagt Krešimir. Rückwärts Einparken ist
wahrlich ein Kunststück, denn die wind-
schnittig-tropfenförmigen Außenspiegel
sind winzig, und piepsende Einparkassis-
tenten gibt es nicht.
„Crash“ schafft es, den Flitzer unfallfrei
aus der engen Werkstatt zu rangieren. Die
Autobahn ist nicht weit von Sveta Nedelja,
dem Vorort von Zagreb, in dem die acht
Jahre junge Manufaktur sitzt, entfernt.
Auf dem Weg aus dem Gewerbegebiet
zeigt der Wagen gleich: Die Federung hat
bei Rimac nicht die oberste Priorität. Das
würde nur Gewicht bringen – und die Be-
schleunigung hemmen. Diese Beschleuni-
gung ist so extrem, dass schon zwischen
Werksgelände und dem ersten Kreisver-
kehr klar ist: Wer eine Fahrt in diesem Teil
genießen will, dessen Kopf und Bauch
müssen auch Achterbahnfahrten mögen.
Auf dem Beschleunigungsstreifen zur Au-
tobahn schnurrt das Ein-Gang-Getriebe
schnörkellos auf 130 hoch. Jetzt klingt das
Auto wie ein aufgemotzter, aber auch
schallgedämpfter Staubsauger.
Wenn „Crash“ gerade nicht am Steuer
sitzt, arbeitet er bei Rimac als Vertriebslei-
ter. Deshalb kann er nicht nur Gas geben,
sondern auch Geschichten erzählen. Die di-
gitale Tacho-Anzeige zeigt 130, da spricht
Krešimir davon, dass die Beschleunigung
bei Elektroautos ohne Verzögerung
kommt und auch beim Hochfahren ohne ir-
gendwelche Umschaltpausen weiter-
steigt. Zack, da steigt er mit einem Rumms
aufs Gas. Der Hals knackst, der Rimac
hüpft von 130 auf 230. Dass das Tempoli-
mit auf Kroatiens Autobahnen bei 130
km/h liegt, kümmert „Crash“ im Moment
weniger.
Der Beifahrer reibt sich noch das Ge-
nick, da betont Krešimir, heute fahre er
wirklich „like a gentleman“. Schließlich sei
das ein Kundenauto, das könne man nicht
bis zum Anschlag treiben. Sein Chef, Fir-
mengründer Mate Rimac, sei da „viel gna-
denloser“.
Das gilt auch für das nächste Modell aus
dem Hause Rimac. Der Concept Two hat
1900 PS und 412 km/h Topspeed. Von 0
auf 100 beschleunigt er in 1,97 Sekunden
und von 0 auf 300 in 11,8 Sekunden. Damit
gilt der Concept Two als das am schnells-
ten beschleunigende Auto der Welt. Es
lässt also auch Turboteile wie Ferraris und
Bugattis hinter sich. Dieser Wahnwitz hat
seinen Preis: Wer eines der 150 Exemplare
haben will, muss 1,79 Millionen Euro übrig
haben. 2020 sollen die Stromschleudern
mit Flügeltüren auf die Straße rollen. Der-
zeit laufen die Crashtests, die für die Zulas-
sung nötig sind.
Der vergleichsweise lahme Concept
One surrt nun runter von der Autobahn.
Rauf auf eine kurvige Landstraße. Nicht
existente Federung hin und her, die Stra-
ßenlage lässt keine Wünsche übrig. Das
hofft der Beifahrer jedenfalls angesichts
des Tempos, mit dem „Crash“ sich in die
engen Kurven stürzt. Wenn jetzt ein dicker
Lkw ums Eck käme, überlegt der Beifah-
rer. Und schon kommt ein dicker Lkw ums
Eck. Der rechte Fuß stemmt sich reflexar-
tig nach unten, obwohl da auf der Beifah-
rerseite weit und breit keine Bremspedal
ist. Jetzt scheppert’s. Scheppert’s jetzt?
Nein, der Rimac hat eben nicht nur eine
Monster-Wahnsinnsbeschleunigung, son-
dern auch eine ebensolche Bremse mit
Scheiben aus Carbon-Keramik. Dass man
dabei auch noch Energie zurückgewinnt,
das kümmert den Beifahrer jetzt gerade
überhaupt gar nicht.
Angetrieben werden die vier Räder des
Concept Two von jeweils einem flüssig-
keitsgekühlten Elektromotor. Der Fahrer
kann auf einem iPad-großen Touchscreen
auf der Mittelkonsole einstellen, welchen
Modus er gerne hätte: Sport, Race, Custom
oder Range. Custom steht für zwei indivi-
duell einstellbare Modi. Range steht für
Reichweite, laut Hersteller fährt der Con-
cept One „bis zu 350 Kilometer“ weit. Der
Concept Two soll sogar 550 Kilometer
Reichweite schaffen. Für beide Angaben
gilt: Dazu muss der Fahrstil noch viel
mehr gentleman-like sein als bei „Crash“.
Am Ende der Testfahrt parkt Krešimir den
Wagen neben einem älteren, langweiligen
Renault. Bei genauem Hinsehen sind die
nachträglich montierten Kameras und Ra-
dar- und Lidar-Sensoren erkennbar. Bei
Rimac basteln sie auch am Autopiloten,
verrät Krešimir, der Concept Two werde
bereits für (vollautomatisiertes) Le-
vel-4-Fahren vorbereitet. Die ersten aus-
gelieferten Modelle werden das noch nicht
können, aber später soll der Autopilot
dann aufgespielt werden.
Egal, ob mit oder ohne Autopilot: Der
Concept One und der Concept Two von Ri-
mac sind unter jenen Autos, die die
Menschheit nur dazu braucht, um bewun-
dernde Blicke von Passanten einzu-
heimsen, etwas Besonderes eben. Weil sie
allen davon fahren und dies auch noch
rein elektrisch, strahlen sie zusätzlich den
Reiz des Neuen, Avantgardistischen aus.
Doch eines müssen die nach Aufmerksam-
keit lechzenden Käufer wissen: Der Rimac
fällt – im Gegensatz zu Ferraris und Bugat-
tis – nur auf, wenn er auch gesehen wird.
Aufgrund des Motorengeräusches dreht
sich in den Dörfern rund um Sveta Nedelja
keiner um. Dazu ist er schlicht zu leise.
Ja, was denn nun? Rambo-SUV oder Öko-
Auto? Spaßbremse oder Familienfreund?
Der neue Toyota Rav4 lässt sich schwie-
rig einordnen. Was für ein Unterschied
zum kleineren Vorgänger mit den Kuller-
augen. Statt Kindchenschema ist bei der
fünften Modellgeneration klare Kante an-
gesagt: Das riesige Kühlermaul mit den
abfallenden Mundwinkeln erinnert an
den Helm des dauerhaft schlecht gelaun-
ten Darth Vader aus dem „Krieg der Ster-
ne“. Einerseits. Andererseits will der
Rav4 ein genügsames Arbeitspferd mit
viel Platz im unspektakulären Innen-
raum sein. Mit einem Einstiegspreis von
32990 Euro ist der bequeme Raumtrans-
porter auch nicht allzu teuer.
Viel Aufhebens um seinen Antrieb
macht der Rav4 nicht. Dabei birgt er eine
der wichtigsten Alternativen zu den alter-
nativen Autos mit Ladekabel. Denn er ist
ganz anders: Kein monströses Elektro-
SUV, das mit 2,5 Tonnen Lebendgewicht
das Klima retten will. Nicht einmal ein
Plug-in-Hybrid, der zumindest 50 Kilo-
meter elektrisch fahren kann und dafür
250 Kilogramm extra auf die Waage
bringt. Viele Umweltverbände halten sol-
che Teilzeitstromer ohnehin für einen
großen Bluff. Die Deutsche Umwelthilfe
etwa fordert einen Förderstopp für
Dienstwagen mit dem Doppelantrieb.
Stattdessen sollten Plug-in-Hybride an
ihrem realen CO 2 -Ausstoß mit leerer Bat-
terie gemessen werden. Und der liegt be-
kanntlich um das Drei- bis Vierfache
über dem Normwert, der sich nur in wohl-
überlegter Steckdosen-Reichweite reali-
sieren lässt.
Der Toyota Rav4 Hybrid will vor allem
eines sein: Maximal effizient. Im 732 Kilo-
meter langen Praxistest begnügt er sich
mit 34,54 Liter Super. Das sind im Durch-
schnitt 4,72 Liter und damit weniger als
Dieselmodelle dieser Größenklasse benö-
tigen. Auch Plug-in-Hybride können ihn
nur unterbieten, wenn sie alle 100 Kilome-
ter am Ladekabel hängen. Dabei ist das
Effizienzwunder beileibe nicht neu. Seit
fast 25 Jahren spannen die Toyota-Hybri-
de einen verschnarchten Vierzylinder
und einen Elektromotor über ein Plane-
tengetriebe zusammen. Im Testwagen
schickte ein zweiter Elektromotor im
elektrischen Allradsystem zusätzliches
Drehmoment an die Hinterachse. In die-
ser Ausstattung kostet der neue Rav4
mindestens 38 490 Euro. Zur Rakete wird
er dadurch auch nicht.
Wo genau sich die Leistung von 163
kW (222 PS) versteckt, ist beim Fahren
nicht immer auszumachen: Der sanfte
Druck auf das rechte Pedal wirkt beinahe
wie ein Entschleunigungsbefehl. Gemüt-
lich macht sich der Doppelantrieb an die
Arbeit, um – nur keine Hektik – bald wie-
der in seinen Dämmerzustand zurückzu-
fallen. Übertriebener Sportsgeist auf
dem Fahrersitz wäre kontraproduktiv für
das in vierter Generation fein ausgeklü-
gelte Spritsparsystem. Wird die Leistung
energischer angefordert, jault der Benzi-
ner auf wie ein aufgeschreckter Hof-
hund: Achtung, CO 2 -Alarm! Viel lieber se-
gelt die Fuhre mit leichter Elektro-Unter-
stützung und geringem Energiever-
brauch vor sich hin. Nach und nach wird
der rechte Fuß des Fahrers davon genau-
so phlegmatisiert wie der Verbrennungs-
motor.
Man kann den Toyota als unsportlich
abkanzeln – wie das die deutschen Wett-
bewerber lange Zeit gemacht haben. In
Wirklichkeit ist er ein visionärer und kon-
sequent weiterentwickelter Effizienzan-
trieb. Wenn 2030 gut ein Viertel der Neu-
wagen elektrisch fahren, wie die meisten
Experten annehmen, hätten drei Viertel
der neuen Autos noch immer einen Ver-
brennungsmotor unter der Haube. Die
teuren Plug-in-Hybride deutscher Mach-
art werden mit ihrer Positionierung als
durchzugkräftige Dynamiker dann noch
immer umstritten sein. Und die soge-
nannten Mildhybride mit 48-Volt-Sys-
tem sparen bestenfalls zehn Prozent
Sprit. Toyotas Hybride ohne Ladestecker
bleiben also bis auf weiteres eine überzeu-
gende Lösung für den Massenmarkt.
Und das System ist noch lange nicht zu
Ende entwickelt. Toyota will zwar im gro-
ßen Stil auf reine Stromer umsteigen.
Das hilft aber auch den klassischen Hybri-
den: Werden die Hochvolt-Akkus billiger,
könnten Lithium-Ionen-Batterien auch
in Autos wie dem Rav4 Einzug halten.
Das ist gut für die elektrische Reichweite
und einen längeren Segelmodus. Sollte
der Fahrspaß davon profitieren – um so
besser. joachim becker
Null auf Hundert in weniger als
zwei Sekunden: Der Concept Two
wird endgültig zur Rakete
Hinweis der Redaktion:Ein Teil der im „Mobilen Le-
ben“ vorgestellten Produkte wurde der Redaktion
von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung
gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen
Journalisten eingeladen wurden.
Einmal lenken: 100000 Euro.
Erst nach der Anzahlung darf der
Interessent selbst ans Steuer
Guck doch nicht so grimmig: Der Toyota
Rav4 will nicht überholen, sondern öko-
nomisch fahren. FOTO: TOYOTA
Sparsamer
SUV
Der neue Toyota Rav4 kann vieles,
vor allem aber mit Sprit geizen
Test mit Crash
Rimac ConceptOne – unterwegs in einem jener Millionen Euro
teuren Supersportwagen, die die Menschheit nicht braucht
Die drei Tesla-Jäger sind
einander erstaunlich
ähnlich. Mit Vorsprung
durch (Elektro-)Technik
kann keiner punkten.
Ein Elektro-Flitzer, der fast jeden Wagen mit Verbrennermotor stehen lässt:
Der Rimac Concept One fällt auf, hat aber mit nachhaltiger Mobilität nichts zu tun.FOTO: RIMAC
Jaguar I-Pace, Mercedes EQC und Audi
E-tron (von oben) wollen Tesla überho-
len. Doch in der Praxis sind sie kaum
besser. FOTOS: JAGUAR, DAIMLER, AUDI
DEFGH Nr. 201, Samstag/Sonntag, 31. August/1. September 2019 MOBILES LEBEN 67