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wei große Erfolge konnte Sigmar Ga-
briel in den 14 Monaten seiner Amts-
zeit als Außenminister präsentieren:
die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel
aus türkischer Haft und die Heimkehr der
ehemaligen Lufthansa-Maschine »Lands-
hut« aus dem brasilianischen Dschungel.
Das Flugzeugwrack besaß zwar nur noch
Schrottwert, aber symbolisch ist es für die
Geschichte der Bundesrepublik von hoher
Bedeutung: 1977 wurde die »Landshut«
von palästinensischen Terroristen entführt
und fünf Tage später von der GSG-9 in Mo-
gadischu spektakulär befreit.
»Die ›Landshut‹ hat es verdient, einen
würdigen letzten Landeplatz zu erhalten«,
sagte Gabriel am 19. September 2017, we-
nige Tage bevor sie an Bord einer Anto-
now-Frachtmaschine in Friedrichshafen
landete. »Ich freue mich, dass sie im Luft-
und Raumfahrtmuseum der Dornier-Stif-
tung eine neue Heimat finden kann.«
Zwei Jahre später ist Gabriels Idee, die
»Landshut« der Öffentlichkeit zu präsen-
tieren, auf dem harten Boden der Realität
gelandet. Der Sozialdemokrat hat das Aus-
wärtige Amt längst verlassen, aber die
»Landshut« steht noch immer in einem
Hangar am Friedrichshafener Flughafen
und harrt ihrer Bestimmung. Eigentlich
hätte rund um das Flugzeug längst eine
Ausstellung über den deutschen Terror-
herbst eröffnet werden sollen, doch die
Zweifel in der Bundesregierung am Stand-
ort Friedrichshafen sind inzwischen so
groß geworden, dass Kulturstaatsministe-
rin Monika Grütters »alternative Stand-
ortoptionen« prüft, wie die »Frankfurter
Allgemeine Zeitung« berichtete.
Jetzt rächt sich, dass Gabriel die Rück-
holung der »Landshut« gegen den Rat
seiner Beamten durchsetzte (SPIEGEL
15/2019). Das Kulturreferat im Auswärti-
gen Amt und der damalige Staatssekretär
Walter Lindner plädierten 2017 für eine
»kleine Option«: Statt die flugunfähige Ma-
schine als Ganzes aus dem brasilianischen
Dschungel an den Bodensee zu verfrach-
ten, rieten die Experten, lediglich symbol-
trächtige Einzelteile nach Deutschland zu
holen. Interessenten gab es bereits: Die
Eliteeinheit GSG-9 wollte ein Leitwerk in
ihrem Hauptquartier aufstellen; das Bon-
ner Haus der Geschichte sollte die Tür be-
kommen, durch die die Befreier gestürmt
waren.
Doch Gabriel war das zu mickrig, er
wollte zum 40. Jahrestag der Befreiung im
Oktober 2017 den kompletten Flieger
präsentieren. In der Eile fiel die Wahl auf
die Dornier-Stiftung in Friedrichshafen –
einen Partner, dem es am nötigen Geld
wie auch an der wissenschaftlichen Kom-
petenz fehlte. Akten belegen, dass das Aus-
wärtige Amt sich der Schwierigkeiten von
Anfang an bewusst war. »In Frage finan-
ziellen Engagements zeigte sich D. zurück-
haltend«, heißt es in einem Bericht des
Auswärtigen Amts vom Mai 2017. Muse-
umschef David Dornier sei »kein Organi-
sationstalent«, warnte Lufthansa-Vorstand
Harry Hohmeister in einem Telefonat mit
Staatssekretär Lindner.
Öffentlich vertrat das Auswärtige Amt
die Entscheidung des Ministers, intern aber
schwante den Ministerialbeamten, dass es
noch Ärger geben könnte. »Mangels Vor-
liegen eines Projektantrags der Dornier-
Stiftung für den 2. Teil des Projekts (Res-
taurierung und Ausstellung) kann sich die
Ende Juli 2017 kommunizierte Entschei-
dung lediglich auf einen Standort für die
Zwischenlagerung der Landshut ... bezie-
hen«, heißt es in einem Rechtsgutachten.
Es wurde von Gabriels Beamten bei der
Berliner Kanzlei Müller-Wrede & Partner
in Auftrag gegeben und trägt den Hinweis
»Vertraulich – nur zur internen Verwen-
dung beim Mandanten«. Die Anwälte
weisen darauf hin, dass »eine rechtsver-
bindliche Entscheidung über den Ausstel-
lungsort, den Aussteller oder das Ausstel-
lungskonzept erst mit der Bescheidung ei-
nes Projektantrags und eines vorgelegten
Konzepts der Dornier-Stiftung durch die
Kulturstaatsministerin getroffen wird«.
Mittlerweile gehen die Vorstellungen
von Grütters und Dornier so auseinander,
dass eine Ausstellung in Friedrichshafen
unwahrscheinlich ist. Die Kulturstaats -
ministerin fordert von Dornier eine Garan-
tie, das Museum 20 bis 25 Jahre zu betrei-
ben. »Wir setzen uns sehr für den Fort -
bestand des Dornier Museums ein«, lässt
David Dornier auf Anfrage ausrichten.
»Allerdings können wir keine Betriebsga-
rantie für das Dornier Museum von 20 Jah-
ren garantieren, da uns hierzu aus heutiger
Sicht die Mittel fehlen.« Die Dornier-Stif-
tung habe weder die finanziellen Möglich-
keiten noch den Stiftungszweck, Finanzie-
rungslücken der »Landshut«-Ausstellung
zu übernehmen. »Daher haben sich nun
die Fronten verhärtet, die zunächst unüber-
brückbar erscheinen«, schreibt Dornier.
Seine Familie erwarte, »dass sich die
Stadt Friedrichshafen, eine der reichsten
Gemeinden Deutschlands, künftig maß-
geblich an den Kosten des Dornier Muse-
ums beteiligt«. Doch der Friedrichshafener
Oberbürgermeister Andreas Brand hat sei-
ne Skepsis gegen das »Landshut«-Projekt
von Anfang an kundgetan, und dabei
bleibt es wohl.
Wohin also mit einem Flugzeug, das
28 Meter breit, 30 Meter lang und 11 Me-
ter hoch ist? Viele Standorte hatten dem
Auswärtigen Amt bereits 2017 abgesagt:
Die Flughäfen München und Hamburg
42 DER SPIEGEL Nr. 35 / 24. 8. 2019
Deutschland
Teurer
Schrott
ZeitgeschichteSigmar Gabriels
Plan, das Wrack der 1977
entführten Lufthansa-Maschine
»Landshut« am Bodensee
auszustellen, steht vor dem Aus.
MICHAEL TRIPPEL / DER SPIEGEL
»Landshut«-Rumpf in Friedrichshafen: »Da fehlt die Verlässlichkeit und Professionalität«
Die Beamten des Auswärti-
gen Amts hatten für eine
Zerlegung des Flugzeugs in
seine Einzelteile plädiert.