Der Spiegel - 24.08.2019

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sie um ein paar Tomaten gebeten, damit
seine Frau am Abend etwas kochen kann.
Wasser haben sie nicht, Strom ab und zu.
»Ich habe früher in der Kantine von
PDVSA gearbeitet«, erzählt Ricardo. Seit
die staatliche Erdölgesellschaft praktisch
nicht mehr arbeitet, repariert er Elektro-
geräte. Ein regelmäßiges Einkommen hat
er nicht. Hinter ihm in der Garage steht
ein altes Auto von Nachbarn, die ausge-
wandert sind. Daneben ein Bügeleisen, ein
zurückgelassener Koffer voller Kleider.
»Ich versuche, alles zu verkaufen«, sagt
er. »Niemand hier kann von seiner Arbeit
leben. Der Mindestlohn von drei US-Dol-
lar pro Monat reicht für ein Hühnchen.«
Bis Ende des Jahres könnte die Hyper -
inflation insgesamt 51 Millionen Prozent
betragen – die nationale Währung Bolívar
ist praktisch wertlos. Wer kann, versucht,
an Dollar zu kommen, oder lebt von Über-
weisungen der Verwandten im Ausland.
Damals, in den Chaostagen, in denen
die Maracuchos in ihrer Verzweiflung und
ihrer Wut die Stadt auseinandernahmen,
mischte sich auch Ricardo unter die Plün-
derer. Auf den Straßen sah er Hunderte
Menschen. »Sie hatten alles an sich geris-
sen, als würde die Welt untergehen. Nu-
deln, Reis, Turnschuhe, Uhren, Handys
und sogar Kühlschränke aus den Geschäf-
ten.« Ricardo sah Shops brennen und hör-
te Schüsse. Er habe Angst bekommen,
aber die Polizei sei nicht eingeschritten.
»Ich nahm eilig vier Flaschen Wasser«, sagt
Ricardo, »dann ging ich heim.«
Mitten im Chaos traf eine Nachricht
der Regierung ein: »Sabotageakte der Op-
position« seien für die Stromausfälle ver-
antwortlich. Beim jüngsten Blackout im
Juli sagte Maduro, es habe »eine elektro-
magnetische Attacke« der USA gegeben.
Inzwischen wird vermutet, dass Busch -
feuer das Stromnetz lahmgelegt hatten.
Ricardo sagt, er schäme sich für die
Plünderungen. Aber er fühlt sich auch ver-
antwortlich für die Lage. »Ich habe Chá-
vez gewählt«, erzählt er mit Tränen in den
Augen. »Ich ließ mich blenden von seinen
Wohltaten.« Nie hätte er damit gerechnet,
dass der Chavismo sein Land so ruiniert.
Vor den Tankstellen Maracaibos bilden
sich heute kilometerlange Autoschlangen.
Weil die Benzinvorräte der Regierung
knapper werden und Maduro wegen des
Ölembargos der USA von dort keinen
Nachschub mehr bekommt, harren etliche
Bürger bis zu zwölf Stunden lang aus, um
etwas Benzin zu ergattern. Auch vor den
Banken drängen sich Bewohner, aber
mehr als einen halben US-Dollar pro Wo-
che bekommt hier niemand ausgezahlt.
Angespannte Stille liegt über der Stadt.
Kaum jemand traut sich, gegen die Regie-
rung zu protestieren, aus Angst vor Folter
und Haft. Ein Report der Uno stellte he-
raus, dass regierungstreue Sicherheitskräf-


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Innereien auf dem Markt, Bewohner Ricardo mit Familie, schwelender Müll am
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