Wenn man dem »Wall Street Journal«
glaubt, hat der Präsident schon im Früh-
jahr bei einem Abendessen mit Beratern
die Idee in den Raum geworfen, Grönland
in die USA einzugemeinden. Offenkundig
hatte niemand den Mut, dem Präsidenten
diese Schnapsidee auszureden. Die Episo-
de zeigt, dass der Regierungsapparat nicht
mehr in der Lage ist, Trump von den gröbs-
ten Tollheiten abzuhalten. Im Weißen
Haus gibt es – vielleicht abgesehen von
Trumps Tochter Ivanka – kaum noch Leu-
te, die ihn nach Momenten der Aufregung
wieder zur Vernunft bringen. Der Präsi-
dent hat all jene vertrieben, die es wagten,
ihm zu widersprechen.
Außenminister Rex Tillerson wollte
Trumps Iranpolitik nicht mittragen, Ver-
teidigungsminister James Mattis gab auf,
nachdem der Präsident angekündigt hatte,
die US-Truppen aus Syrien abzuziehen.
Auch immer mehr Leute aus der
zweiten und dritten Reihe treten
ab. In diesem Monat quittiert Fiona
Hill ihren Job, Trumps Topberate-
rin für Russland. Sie kam von der
angesehenen Brookings Institution
und ist eine über alle Parteigrenzen
hinweg anerkannte Expertin. Kol-
legen Hills sagen, sie sei nur in die
Regierung eingetreten, um das
Schlimmste zu verhindern. Ganz
offenbar ohne Erfolg.
Zurück bleibt das Chaos. Wird
Trump von Panik getrieben? Auf
seinen größten außenpolitischen
Baustellen – Iran und Nordkorea –
ist seit Monaten kein Fortschritt zu
erkennen. Nun verdunkeln sich
auch noch die ökonomischen Aus-
sichten: Anfang der Woche machte eine
Umfrage die Runde, wonach drei von vier
US-Ökonomen mit einer Rezession rech-
nen, die im aufziehenden Wahljahr herein-
brechen könnte. Trumps Herausforderer
bei den Demokraten greifen daher den
Präsidenten immer heftiger wegen seiner
verfehlten Wirtschaftspolitik an. Zugleich
machen sich die negativen Folgen von
Trumps Handelskrieg gegen China be-
merkbar.
Die Absage der Dänemarkreise war
nur der Höhepunkt einer Trump-Woche
voller Possen und Widersprüche. Am
Mittwochmorgen war der Präsident damit
beschäftigt, per Twitter einem rechten
Wirrkopf namens Wayne Allyn Root
zu danken. Dessen Prominenz beruht
darauf, dass er völlig aus der Luft gegrif-
fene Verschwörungstheorien verbreitet –
etwa, dassIslamisten und nicht ein fanati-
scher Einzel täter für den Massenmord an
mehr als fünfzig Konzertbesuchern im
Herbst 2017 in Las Vegas verantwortlich
seien.
Dann forderte Trump, dass Russlands
Staatschef Wladimir Putin wieder in den
Gesprächskreis der wichtigsten westlichen
Industrienationen aufgenommen werden
sollte: Aus G7 müsse G8 werden. Aller-
dings hatte kurz zuvor der Berliner US-
Botschafter Richard Grenell dem Fernseh-
sender Fox News ein Interview gegeben,
in dem er Russland als »Bestie« bezeich-
nete, die von Deutschland auch noch
gefüttert werde. Gemeint war die Nord-
Stream-2-Pipeline, die sich vom russischen
Wyborg nach Lubmin in Mecklenburg-
Vorpommern ziehen soll. Trump hat es
sich zum Ziel gesetzt, die Gasleitung zu
verhindern. In der deutschen Regierung
hatte die Vermutung kursiert, der Präsi-
dent wolle auch deshalb nach Ko-
penhagen reisen, um die dortige
Regierung in Sachen Nord Stream
auf Linie zu halten. Denn das Land
muss die Genehmigung für den
Bau eines entscheidenden Stre-
ckenabschnitts erteilen.
Aber das war wohl schon viel zu
rational gedacht. Trump jedenfalls
hat nach der Absage seiner Reise
nicht mehr viele Freunde in Däne-
mark. Die ehemalige Ministerprä-
sidentin Helle Thorning-Schmidt
erklärte, der Präsident habe ein
ganzes Land beleidigt. Es ist un-
wahrscheinlich, dass solche Sätze
im Weißen Haus überhaupt noch
durchdringen. René Pfister
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GETTY IMAGES
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BRENDAN SMIALOWSKI / AFP
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