Frankfurter Allgemeine Zeitung - 02.09.2019

(lily) #1
NR. 203·SEITE 7

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Deutschland und die Welt MONTAG, 2. SEPTEMBER 2019


MIAMI, 1. September. Als wir am Don-
nerstagnachmittag in unserem Hotel in
Miami ankommen, ist unsere erste Fra-
ge: Wie steht es um den Hurrikan? Kurz
vor dem Abflug am Frankfurter Flug-
hafen haben wir von anderen Passagie-
ren erfahren, dass der Sturm, der zu dem
Zeitpunkt schon auf die Ostküste von
Florida zurollt, immer stärker wird und
dass der Gouverneur den Notstand ausge-
rufen hat. Die Rezeptionisten versuchen
uns zu beruhigen: Man müsse abwarten,
wie sich der Sturm entwickle. Und sie
würden uns Bescheid geben, falls das Ho-
tel evakuiert werden müsse.
Evakuiert? Nur Minuten nach unserer
Ankunft am Traumziel Miami wird uns
klar, was da womöglich auf uns zu-
kommt. Krisengebiet statt „Sunshine
State“ – dass Hurrikanzeit in Florida ist,
hatten wir gewusst. Aber dass sich ausge-
rechnet in unserer Urlaubswoche über
dem Atlantik etwas so massiv Gefähr-
liches zusammenbraut, verunsichert uns.
In den folgenden Tagen wird der Wea-
ther Channel unser ständiger Begleiter.
Was wir sehen, bereitet uns ernsthafte
Sorgen. Zu dem Zeitpunkt rechnet das
National Hurrican Center damit, dass
das Zentrum von Dorian auf die Küste et-
was nördlich von Miami treffen wird. Als
Hurrikan der Kategorie vier mit riesiger
Zerstörungskraft. Am Freitagmorgen
tritt der Gouverneur vor die Kameras
und drängt die Bevölkerung, sich auf das
Schlimmste vorzubereiten. Man solle
sich mit Wasser und Lebensmitteln für
eine Woche eindecken und die Autos
volltanken, damit man im Zweifelsfall so
schnell wie möglich wegkomme.

Die Fernsehsender zeigen Bilder von
langen Schlangen vor Supermärkten, an
Tankstellen und an Baumärkten. Die Be-
hörden verteilen Sandsäcke. Mit einem
mulmigen Gefühl machen wir uns auf
den Weg in die Stadt, um zu frühstücken.
Die Stimmung ist gedrückt. Wir hören,
dass es wesentlich leerer auf den Straßen
ist als sonst. Frühmorgens hat es stark ge-
wittert, was uns als schlechtes Omen er-
scheint. Durch die tiefen Pfützen, die
sich in Miami Beach gebildet haben, fah-
ren mit Spanplatten beladene Lastwa-
gen. Später sehen wir, wie damit Gebäu-
de zugenagelt werden. Während wir

noch frühstücken, messen Handwerker
hinter uns Türen und Fenster aus.
Im Fernsehen überschlagen sich Me-
teorologen mit drastischen Appellen. Es
gibt kein anderes Thema. Ist das amerika-
nisch-emotionale Übertreibung, oder ist
die Lage wirklich so ernst? Sollten wir
versuchen, so schnell wie möglich weg-
zukommen? Wir telefonieren mit der
Fluggesellschaft. Niemand weiß in dem
Moment, wie lange der Flughafen über-
haupt offen bleiben wird. Miami ist An-
laufpunkt für viele Kreuzfahrtschiffe,
und wenn Tausende Passagiere wegen
des Hurrikans von Bord gingen und zu

den Flughäfen gebracht würden, werde
Chaos ausbrechen, heißt es.
Unter Touristen und Einheimischen
gibt es nur ein Thema. Jeder spekuliert,
jeder interpretiert die stündlichen Up-
dates, jeder hat eine andere Meinung.
Am fast leeren Hotelpool erzählt ein
Amerikaner, er habe gehört, es werde al-
les gar nicht so schlimm. „Ich warte jetzt
ab und mache mir so lange eine gute
Zeit“, sagt er. Die Kellner bei „Joe’s
Stone Crab“ in South Beach diskutieren,
welche Stärke Dorian wohl noch errei-
chen werde. Eines ist klar: Wegen des
Hurrikans bleibt das beliebte Restaurant
vom nächsten Tag an geschlossen.
Unsere Uber-Fahrerin erzählt uns,
dass sie sich am Nachmittag schon mit
90 Litern Wasser eingedeckt habe. Aber
sie sagt auch, wir sollten uns keine Sor-
gen machen. Seit 15 Jahren lebe sie in
Miami und habe so manchem Sturm ge-
trotzt. „Meine Tochter ist aus London zu
Besuch und hat Angst, aber ich habe ihr
gesagt, sie solle das hier als Abenteuer se-
hen.“ Das empfiehlt sie uns auch zum Ab-
schied. Und: „Passt auf euch auf.“
Ein anderer Fahrer sagt uns, wenn wir
im Hotel sind, müssten wir uns keine Sor-
gen machen. Dann kümmere man sich
um uns. „Eine Sache könnt ihr aber fra-
gen, um ganz sicher zu sein: ob das Hotel
einen Generator hat.“ Es hat keinen.
Aber es gebe einen in der Nähe, sagt der
Rezeptionist. Unser Vertrauen weckt das
nicht. Im Fall einer Evakuierung, teilt
uns seine Kollegin mit, würden wir in ein
Evacuation Center gebracht. Eine Kir-
che oder ein Business Center, je nach-
dem, was als sicher deklariert wird.
Am Samstag verdichten sich die Anzei-
chen, dass Dorian doch weiter nördlich
vorbeiziehen wird als zunächst gedacht.
Miami könnte mit stürmischen Böen
und Überschwemmungen davonkom-
men. Im lokalen Fernsehen macht sich
leichter Optimismus breit. „Aber atmen
Sie nicht zu früh auf. Hurrikans können
unberechenbar sein.“ Wir beschließen,
erst einmal zu bleiben. Jetzt heißt es ab-
warten. Und das Beste hoffen.

LOS ANGELES, 1. September. Eine Stu-
die des amerikanischen Broad-Instituts wi-
derspricht der Theorie eines einzelnen
„Homosexuellen-Gens“, das die sexuelle
Orientierung steuere. Wie der Genetiker
Benjamin Neale bei einer Langzeituntersu-
chung der Daten von fast 500 000 Perso-
nen herausfand, machen Gene etwa acht
bis 25 Prozent der Hingezogenheit zu
gleichgeschlechtlichen Partnern aus. Den
Rest bestimmten umgebungsbedingte Fak-
toren wie Hormone im Mutterleib und so-
ziale Einflüsse. „Homosexualität ist eine
natürliche und normale Variation der Spe-
zies. Unsere Ergebnisse stützen unter ande-
rem die These, dass wir keine Konversions-
therapien entwickeln sollten“, sagte Neale.
Für die Studie, die in der Fachzeitschrift
„Science“ veröffentlicht wurde, hatten der
Genetiker und sein Team am Broad Insti-
tute in Cambridge (Massachusetts) die Da-
ten der britischen Gesundheitsstudie UK
Biobank und Aufzeichnungen des amerika-
nischen Biotechnologieunternehmens
23andMe zu Fragen wie „Hatten Sie schon
mal Geschlechtsverkehr mit einem gleich-
geschlechtlichen Partner?“ ausgewertet.
Dabei entdeckten sie fünf genetische Mar-
ker, die eng mit Homosexualität verbun-
den waren. Wie die Wissenschaftler fest-
stellten, waren die Testpersonen, die die
Marker aufwiesen, auch offener für neue
Erfahrungen wie Cannabis. Zudem litten
sie häufiger unter psychischen Störungen
und Depressionen.
Untersuchungen bei Zwillingen hatten
schon in der Vergangenheit auf einen Zu-
sammenhang zwischen Genen und Homo-
sexualität gedeutet. Verschiedene Wissen-
schaftler berichteten seit Anfang der neun-
ziger Jahre, Hinweise auf die Verbindung
von DNA und sexueller Orientierung ent-
deckt zu haben. Durch Computeranalysen
wurde es in den vergangenen Jahren
schließlich möglich, auch größere Daten-
sätze auszuwerten. Die aktuelle Studie der
Forscher des Broad-Instituts, eines gemein-
samen Projekts für Bioinformatik von Har-
vard-Universität und Massachusetts Insti-
tute of Technology (MIT), gilt als bislang
größte ihrer Art.
Die amerikanische Allianz von Schwu-
len und Lesben gegen Diffamierung
(Glaad) nahm die Studie zum Anlass, die
Gleichstellung von Homosexuellen zu for-
dern. „Die Untersuchung zeigt, dass es ein
natürlicher Teil des menschlichen Lebens
ist, schwul oder lesbisch zu sein. Die Identi-
tät von Homosexuellen kann nicht länger
in Frage gestellt werden“, teilte Glaad-Spre-
cher Zeke Stokes mit. CHRISTIANE HEIL


Silvio Berlusconibekommt von seiner ge-
schiedenen Ehefrau Veronica Lario Un-
terhaltszahlung zuzüglich Zinsen in Höhe
von 60 Millionen Euro zurück. Das Kassa-
tionsgericht in Rom bestätigte in letzter
Instanz das Urteil eines Mailänder Beru-
fungsrichters von 2017, wonach ein Ge-
richt in Monza Lario in erster Instanz zu
Unrecht 1,4 Millionen Euro monatlich
Unterhaltszahlung zugesprochen habe.
Der ehemalige italienische Ministerpräsi-
dent und Veronica Lario waren von 1990
bis 2014 verheiratet, sie haben drei gemein-
same Kinder. Lario hatte argumentiert, sie
habe für die Erziehung der Kinder ihre
Schauspielkarriere aufgegeben und erheb-
liche Einbußen hinnehmen müssen. Von
dem Richterspruch unberührt bleiben Ber-
lusconis Zahlungen von 3,3 Millionen
Euro jährlich an Lario, auf die sich die
Eheleute schon vor dem langwierigen
Rechtsstreit geeinigt hatten. (rüb.)
Ellie Gouldinghat am Samstag Caspar
Jopling (unser Bild) geheiratet. Die 32 Jah-
re alte britische Sängerin („Love Me Like
You Do“) und der fünf Jahre jüngere
Kunsthändler sind seit zwei Jahren ein
Paar. Zur Hochzeit in der mittelalterlichen
Kathedrale von York rund 350 Kilometer
nördlich von London erschienen viele Pro-
minente, unter ihnen Sängerin Katy Perry

mit Schauspieler Orlando Bloom, Sänger
James Blunt, Schauspielerin Sienna Miller
sowie die Kusinen von Prinz William und
Prinz Harry, die Prinzessinnen Beatrice
und Eugenie, mit ihrer Mutter Sarah, Her-
zogin von York. Goulding hatte auf der
Hochzeit von William und seiner Frau
Kate 2011 gesungen und war bei der Hoch-
zeit von Prinzessin Eugenie vergangenen
Oktober als Gast eingeladen. (dpa)
Marlon Brandohatte schon während ei-
nes Treffens mit Michael Jackson im Jahr
1994 den Eindruck, der Sänger hege eine
sexuelle Vorliebe für Kinder. Wie der vor
15 Jahren verstorbene Oscar-Preisträger
bei der Staatsanwaltschaft in Los Angeles
zu Protokoll gab, gestand der damals Fünf-
unddreißigjährige, kaum Kontakt zu Er-
wachsenen zu haben. Als Brando ihn frag-
te, ob er jemals Geschlechtsverkehr hatte,
soll Jackson ihm ausgewichen sein. „Sein
Verhalten legte nahe, dass er etwas mit
Kindern zu tun hatte. Ich hatte den Ein-
druck, dass er mir keine klare Antwort ge-
ben wollte, weil er Angst davor hatte“, ließ
Brando die Ermittler wissen. (ceh.)
Lars Motzakommt mit Schuhgröße 57 ins
Guinness-Buch der Rekorde. Der 16 Jahre
alte Berliner hat die größten Füße eines
männlichen Jugendlichen auf der ganzen
Welt. Sein linker Fuß misst 35,05 Zenti-
meter, der rechte 34,98. Passende Schuhe
zu finden ist für den 2,05 Meter großen
Motza ein Problem. Meist müssen sie maß-
angefertigt werden. Die Kosten beliefen

sich auf rund 1200 Euro pro Paar, sagt sei-
ne Mutter Anke Motza. Seit vergangenem
Jahr übernimmt die Krankenkasse ein
Paar Schuhe im Jahr – wegen der speziel-
len Einlagen. Auch für seine Ausbildung
zum Tischler brauche der Sechzehnjähri-
ge spezielle Sicherheitsschuhe, die Kosten
in Höhe von 1800 Euro übernehme jetzt
das Arbeitsamt, sagt seine Mutter. (dpa)

Dem Südosten der Vereinigten Staa-
ten droht mit Dorian ein verheeren-
der Hurrikan. Allerdings hat der Wir-
belsturm offenbar seinen Kurs geän-
dert: Er soll nicht wie ursprünglich
befürchtet an diesem Montag direkt
auf Florida treffen, sondern am
Dienstag in Küstennähe nördlich ab-
drehen und sich abschwächen, wie
das Nationale Hurrikan-Zentrum am
Samstag mitteilte. Die Ausläufer des
Sturms erreichten am Wochenende
allerdings Windgeschwindigkeiten
von mehr als 285 Kilometern pro
Stunde. Damit ist Dorian ein „extrem
gefährlicher“ Hurrikan der höchsten
Kategorie fünf, der an Land zu gro-
ßen Zerstörungen führen würde.
Floridas Gouverneur Ron DeSan-
tis rief schon am Freitag für alle Be-
zirke des Bundesstaats den Notstand
aus. Der Gouverneur von South Caro-
lina, Henry McMaster, verhängte für
seinen Bundesstaat am Samstag den
Notstand, um die behördlichen Vor-
bereitungen für den Hurrikan zu be-
schleunigen.
Floridas Ostküste war zuletzt im
Jahr 1992 von einem ähnlich starken

Wirbelsturm heimgesucht worden.
Damals zerstörte Andrew in der Regi-
on von Miami fast 60 000 Wohnun-
gen. „Alle Bewohner, besonders die
an der Ostküste, müssen vorbereitet
sein. Da der Sturm an Stärke zu-
nimmt, hat er das Potential, schwere
Schäden anzurichten“, sagte DeSan-
tis. Auch McMaster warnte: „Wegen
der Stärke und Unvorhersehbarkeit
des Sturms müssen wir uns für jedes
mögliche Szenario vorbereiten.“
Selbst wenn der Sturm an der Küste
sich abschwäche, sei mit starkem Re-
gen, gefährlichen Überflutungen und
zerstörerischen Winden zu rechnen.
Hunderttausende Amerikaner leg-
ten vorsorglich Wasser- und Lebens-
mittelvorräte an. In der Küstenregion
des „Sunshine State“ Florida ver-
nagelten die Bewohner zudem Fens-
ter und Türen mit Holzplatten, um
sie zu schützen. In Cape Canaveral,
dem Raketenstartgelände der ameri-
kanischen Raumfahrtbehörde, wurde
technisches Gerät in Sicherheit ge-
bracht. Aus Jacksonville, einem Mari-
nestützpunkt, wurden Flugzeuge in
das Landesinnere verlegt. (ceh.)

BREMERHAVEN, 1. September (epd).
Das Wahrzeichen des Deutschen Schiff-
fahrtsmuseums in Bremerhaven, der Drei-
mastsegler Seute Deern, ist im Museums-
hafen gesunken. Das 62 Meter lange Holz-
schiff sei in der Nacht zum Samstag auf
den Grund des Hafenbeckens abgesackt,
teilte die Feuerwehr mit. Zuvor sei es zu ei-
nem massiven Wassereinbruch gekom-
men. Die Seute Deern (Süßes Mädchen)
lief vor 100 Jahren in Mississippi als Vier-
mast-Gaffelschoner unter dem Namen Eli-
zabeth Bandi vom Stapel und wurde 1938
nach Hamburg verkauft. Dort bekam das
Schiff seinen heutigen Namen. Seit 1966
liegt es an seinem derzeitigen Platz. Zur
Gründung des Schifffahrtsmuseums 1971
schenkte Bremerhaven die Seute Deern
dem Museum, seit 2005 steht sie unter
Denkmalschutz.Berichten zufolge muss
das Schiff schon länger dringend reno-
viert werden. Der Rumpf sei leck, so dass
täglich rund 150 000 Liter Wasser aus
dem Schiff gepumpt werden mussten.


WASHINGTON, 1. September (dpa). Mit
einer großangelegten Razzia in mehreren
amerikanischen Bundesstaaten haben
Fahnder einen weitverzweigten Rauschgift-
händlerring zerschlagen. Bei dem dreitägi-
gen Einsatz seien unter anderem 30 Kilo-
gramm Fentanyl sichergestellt worden.
Diese Menge des berüchtigten Schmerzmit-
tels hätte laut Mitteilung des amerikani-
schen Justizministeriums genügt, „um
mehr als 14 Millionen Menschen zu tö-
ten“. Fentanyl gilt als 30 bis 50 Mal so stark
wie Heroin und 50 bis 100 Mal so stark wie
Morphium. Sie stellten auch 35 Kilo-
gramm Heroin und Kokain sicher sowie
Dutzende Schusswaffen und umgerechnet
mehr als 630 000 Euro Bargeld. Fast 40 Ver-
dächtige wurden festgenommen. Dreh-
kreuz ihrer Aktivitäten war laut Ministeri-
um Virginia. Die Sucht nach Schmerzmit-
teln wie Fentanyl und Oxycontin – soge-
nannten Opioiden – ist ein gewaltiges Pro-
blem in den Vereinigten Staaten. Allein in
den vergangenen fünf Jahren gab es mehr
als 200 000 Todesfälle durch Überdosen.

Auch genetische Ursache


für Homosexualität


Kurze Meldungen


reb. DÜSSELDORF, 1. September. Beim
Zusammenfall von Teilen einer Bühne
sind am Samstagabend in Essen zehn Kon-
zertbesucher schwer und 18 leicht verletzt
worden. Nach bisherigen Erkenntnissen
der Ermittler waren bei dem Open-Air-
Konzert am Essener Baldeneysee der bei-
den Rapper Casper und Marteria durch
ein über Essen hinwegziehendes Unwet-
ter Teile einer LED-Wand von der Bühne
ins Publikum gestürzt. Wie die Polizei am
Sonntagvormittag mitteilte, schwebten
von den zwei Schwerverletzten zwischen-
zeitlich zwei in Lebensgefahr. Zudem stan-
den 150 der 18 000 Konzertbesucher un-
ter Schock und mussten von Einsatzkräf-
ten ambulant betreut werden.
Das Konzert war am Samstagabend ab-
gebrochen worden, die Besucher konnten
den Veranstaltungsort mit Shuttlebussen
verlassen. Wie Reporter des WDR berich-
teten, die am Samstag bei der Veranstal-
tung anwesend waren, sei zunächst in eini-
ger Entfernung ein Gewitter zu sehen ge-
wesen, das die Besucher des Konzerts
dann mit voller Wucht erwischt habe; vie-
le Besucher hätten sich zunächst unter
Bäume geflüchtet. Die Evakuierung habe
einige Zeit in Anspruch genommen, da
die meisten Besucher das Gelände über
eine kleine Brücke hätten verlassen müs-
sen. Panik und Chaos seien dennoch nicht
ausgebrochen. Die Kriminalpolizei hat
die Ermittlungen übernommen, deren Ge-
genstand die genaue Unglücksursache so-
wie unter anderem auch die Frage ist, ob
der Konzertveranstalter angemessen mit
den am Samstag vorliegenden Wetterinfor-
mationen umgegangen ist.


VENEDIG, 1. September. Kein Film in
Venedig erregte vor seiner Premiere
mehr Aufsehen als Roman Polanskis
„J’accuse“. In den Wochen vor Beginn
des Festivals gab es vor allem Kritik dar-
an, dass der Regisseur, der in den siebzi-
ger Jahren wegen der Vergewaltigung ei-
ner Minderjährigen in den Vereinigten
Staaten angeklagt und vor Gericht ge-
stellt worden war, überhaupt einen Film
in den Wettbewerb des ältesten Filmfesti-
vals der Welt schicken darf.
Während der Eröffnungspressekonfe-
renz der Jury lieferten sich Festivaldirek-
tor Alberto Barbera und die diesjährige
Jurypräsidentin, die argentinische Regis-
seurin Lucrecia Martel, sogar einen
Schlagabtausch. Barbera verteidigte sei-
ne Entscheidung, den Film zu zeigen.
Man müsse Kunst und Künstler vonein-
ander zu trennen wissen: „In der Kunst-
geschichte gibt es zahllose Künstler, die
Verbrechen begangen haben, trotzdem
bewundern wir ihre Werke noch immer.“
Polanski sei für ihn einer der letzten
Meister des europäischen Kinos, der
noch aktiv sei.
Martel entgegnete, sie trenne den
Menschen nicht von seiner Kunst, den-
noch sei Polanskis Fall nicht so leicht zu
beurteilen. Allerdings sei er für seine Tat
verurteilt worden, sein Opfer mit der

Entschädigung zufrieden gewesen. „Wir
müssen uns mit Menschen auseinander-
setzen, die bestimmte Taten begangen
haben und für die sie verurteilt wurden.
Diese Fragen gehören zur Debatte, die
wir derzeit führen.“
Polanskis Verbrechen geschah 1977.
Damals wurde er in Amerika unter dem
Verdacht verhaftet, mit einer Dreizehn-
jährigen Intimverkehr gehabt zu haben,
der Vorwurf der „Vergewaltigung unter
Verwendung betäubender Mittel“ wurde
erhoben. Polanski bekannte sich schul-
dig, ihm wurde eine Bewährungsstrafe
in Aussicht gestellt. Als sich abzeichnete,
dass das Strafmaß höher ausfallen könn-
te, floh er einen Tag vor der Urteilsver-
kündung über London nach Paris, wo er
seither lebt.
Für die amerikanische Justiz ist der
Fall noch immer nicht abgeschlossen.
Vor zehn Jahren wurde Polanski auf dem
Flughafen in Zürich festgenommen, die
Staatsanwaltschaft Los Angeles forderte
seine Auslieferung. Internationale Künst-
ler wie Martin Scorsese, David Lynch, Ju-
lian Schnabel und Wim Wenders forder-
ten die Freilassung Polanskis. Der Regis-
seur wurde unter Hausarrest gestellt. Auf-
grund von Verfahrensfehlern entschied
die Schweizer Justiz dann, ihn nicht an
die Vereinigten Staaten auszuliefern.

Mit der MeToo-Bewegung wurde die
Debatte über Polanskis Vergehen aber-
mals entfacht. Im Mai 2018 entzog ihm
die Oscar-Akademie die Mitgliedschaft
und lud stattdessen seine Frau ein, die
französische Schauspielerin Emmanuel-
le Seigner. Sie lehnte die Einladung aber
mit scharfen Worten ab. Im April 2019
wurde bekannt, dass Polanski gegen sei-
nen Ausschluss aus der Akademie ge-
richtlich vorgeht.
Vor der Premiere seines neuen Films
in Venedig wurde viel spekuliert: Würde
Polanski es wagen, nach Italien zu kom-
men? Würde es eine Erklärung von ihm
geben, oder würde er sich per Skype zur
Pressekonferenz zuschalten lassen? Und
ist sein Film „J’accuse“ über die Dreyfus-
Affäre Ende des 19. Jahrhunderts in Pa-
ris nicht eigentlich ein Verweis auf sei-
nen eigenen Fall? In Polanskis Film aller-
dings wird ein Unschuldiger angeklagt
und verfolgt, seine Familie diskreditiert
und Alfred Dreyfus’ Name in der Öffent-
lichkeit beschmutzt. Polanski hingegen
hat seine Schuld nie bestritten, sondern
sich zu der Tat bekannt.
Der 1933 in Krakau geborene Regis-
seur kam nicht, weder zur Pressekonfe-
renz noch zur Premiere seines Films. Es
gab auch keine Erklärung und keine Sky-
pe-Befragung. Stattdessen hat sich Po-

lanski von dem französischen Philoso-
phen und Schriftsteller Pascal Bruckner
für das Pressematerial des Films intervie-
wen lassen. Bruckner stellt ihm Fragen
wie: „Sie als Jude, der während des
Kriegs gejagt und als Filmemacher unter
den Stalinisten in Polen verfolgt wurde,
werden Sie den heutigen neofeministi-
schen McCarthyismus überleben, der Sie
auf der gesamten Erde verfolgt und die
Vorführung Ihres Films verhindern will
und Sie aus der Oscar-Akademie werfen
ließ?“ Polanski antwortet darauf: „Arbei-
ten und einen Film zu machen hilft mir
sehr.“ In der Geschichte über Alfred
Dreyfus sehe er einige Parallelen, die er
selbst erlebt habe. „Ich sehe die gleiche
Entschlossenheit, die Fakten zu bestrei-
ten und mich für Dinge zu verurteilen,
die ich nicht getan habe.“ Die meisten,
die ihn verurteilten, würden ihn und den
Fall zudem überhaupt nicht kennen.
In Venedig bekam „J’accuse“ stehen-
den Applaus vom Publikum, bei der inter-
nationalen Filmkritik liegt der Film weit
vorne. Jurypräsidentin Lucrecia Martel
ließ aber schon vor der Premiere durch-
blicken, dass für sie der Film wenig Chan-
cen habe, zu gewinnen. Ob sie sich von
den anderen sechs Jury-Mitgliedern
doch noch umstimmen lässt, wird sich
am 7. September zeigen, dann werden
am Lido die Löwen vergeben.

Foto dpa

Foto dpa

Krisengebiet statt „Sunshine State“


Ein„extrem gefährlicher“ Wirbelsturm


Museumsschiff sinkt im


Hafen von Bremerhaven


Großrazzia nach


Opioiden in den


Vereinigten Staaten


Mehrere Verletzte


durch Gewitter


bei Konzert in Essen


Er klagt an


Roman Polanskis Film „J’accuse“ erregt auch ohne den Regisseur in Venedig Aufsehen / VonMaria Wiesner


Essollten erholsame


Tage in Florida werden.


Nun dreht sich im


Urlaub alles nur um


Hurrikan Dorian.


Von Anna-Sophia Lang


Gigantische Ausmaße:Dorian ist mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 285 Kilometern in der Stunde ein Hurrikan der gefährlichsten Kategorie. Foto AFP
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