W
arum diskutieren wir über Baby-
pause und nicht über Business
und Karriere? Mit diesem Ein-
wurf konfrontierte eine junge Kollegin vor
einigen Monaten die Teilnehmerinnen ei-
nes internen Frauennetzwerkmeetings,
bei dem ich auch zugegen war. Und ich
muss selbstkritisch eingestehen, dass sie
recht hatte. Oder besser gesagt: Hätten die-
se Themen auch bei einem Treffen männli-
cher Kollegen prominent auf der Tagesord-
nung gestanden? Wahrscheinlich nicht.
Manchmal braucht man solch ein Mo-
ment, um sich wieder vor Augen zu führen,
welch weiten Weg Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft noch gehen müssen bis zur
Gleichstellung von Männern und Frauen.
Ich muss nur in meinen Wochenkalender
schauen und einmal aufzählen, wie viele
der Vorstandsmitglieder von Klienten, die
ich treffe, weiblich sind. Selbstkritisch bli-
cke ich auf die aktuelle Zahl der Partnerin-
nen in meinem Unternehmen und weiß,
dass wir im Branchenvergleich gar nicht
schlecht stehen, und doch ist ihre Zahl
noch viel zu niedrig.
Ich weiß aber auch um den ernsthaften
Willen und das große Engagement in einer
Vielzahl von Unternehmen, die versuchen,
das zu ändern. Trotzdem liest sich der
World Gender Gap Report 2018 des Welt-
wirtschaftsforums wie eine Schrift des Ver-
sagens. Auch in den beiden vergangenen
Jahren sind die Fortschritte alles in allem
marginal. Nicht einmal die Digitalisierung
scheint etwas daran zu ändern. So haben
die Autoren des Reports erstmals unter-
sucht, wie das Verhältnis zwischen Män-
nern und Frauen ist, die im Bereich künstli-
che Intelligenz tätig sind – mit erschre-
ckendem Ergebnis: Nur 22 Prozent sind
weiblich, und das, obwohl allein 2017 in
Deutschland laut Branchenverband Bit-
kom 55 000 Stellen im IT-Sektor unbesetzt
blieben und die Verdienst- und Karriere-
chancen hoch sind. Dieses Missverhältnis
deckt sich mit Untersuchungen über das
Geschlechterverhältnis bei Führungsposi-
tionen in der Techbranche.
Doch was folgt daraus? Noch mehr Geld
für Förderprogramme und verbindliche
Quoten? Vielleicht sollten wir Männer uns
erst lieber ehrlich machen. Das gilt beson-
ders für meine Generation in Führungsver-
antwortung. Verstecken wir uns nicht gern
hinter genau diesen Programmen und ge-
schlechterspezifischen Fortbildungen und
klopfen uns gegenseitig auf die Schulter,
was wir doch alles „für die Frauen“ tun?
Wie oft interessieren wir uns nur dafür, ob
genügend getan wird und nicht dafür, was
die Ergebnisse sind und wie wir sie umset-
zen. Würden wir unser Geschäftsmodell
auf diese Weise auf den Prüfstand stellen,
es würde unser Unternehmen schon lange
nicht mehr geben. Die Gleichstellung von
Frauen und Männern ist aber heutzutage
Teil unseres Geschäftsmodells, vor allem,
weil der demografische Wandel den heuti-
gen Studentinnen die immer stärkere Posi-
tion beschert. Im Wintersemester
2017/2018 stellten sie mit einem Anteil von
49 Prozent de facto die Hälfte der an Hoch-
schulen Eingeschriebenen. Ihr Anteil
schwankt jedoch nach Fachrichtung und
verschärft das Problem. Studentinnen ei-
nes MINT- oder IKT-Fachs können sich
mehr denn je ihren Arbeitgeber aussu-
chen, und sie haben ein ausgezeichnetes
Gespür dafür, wer es mit der Gleichstel-
lung im Alltag ernst meint.
Und hier versagen wir Männer. Wenn
ein Kollege die herausragende Arbeit einer
Mitarbeiterin als „rührig“ bezeichnet und
das noch positiv meint, dann frage ich
mich, ob er überhaupt jemals in einer der
Fortbildungen zu Gleichstellung und Diver-
sity zugehört hat. Wir bewerten unsere
männlichen und weiblichen Teammitglie-
der noch immer unterschiedlich. Testen
Sie sich selber und malen sie in Gedanken
eine Führungspersönlichkeit. Ich wette,
den meisten Männer passiert, was mir pas-
siert ist: Ich habe natürlich (!) einen Mann
gemalt, obwohl unser Verständnis von mo-
derner Führung doch angeblich schon
längst ein anderes ist.
Warum gehen wir eher mit männlichen
Teammitgliedern abends essen als mit
weiblichen, selbst wenn ihre Zahl gleich
ist? Warum fragen wir nicht öfter Frauen,
die es nach oben geschafft haben oder auf
dem Weg dorthin sind, was sie für Erfah-
rungen gemacht haben – und lernen dar-
aus?! Mit all dem treiben wir die Spirale
der Ungerechtigkeit weiter an. Frauen kön-
nen noch so hoch qualifiziert sein und ih-
rem Mantra des Fleißes so sehr folgen wie
sie mögen, solange sie beim Socializing
nicht dabei sind oder männliche Führungs-
kräfte kein Interesse an ihrer Sicht auf die
Dinge haben, sind sie immer im Nachteil.
Stattdessen fragen wir sie, wie sie das alles
schaffen mit Kind und Karriere. Als ob wir
das jemals einen Kollegen fragen würden,
der Vater ist.
Das alles ist nur ein Teil der Wahrheit.
Der andere lautet: Hören wir (männlichen)
Führungsköpfen auf so zu tun, als ob die
besten Frauen schon von allein die gläser-
ne Decke durchbrechen werden, auf der un-
sere Vorstandsstühle stehen. Warum zwin-
gen wir uns nicht in einem Nominierungs-
verfahren zu begründen, wieso keine Frau
oder warum mehr Männer als Frauen aus-
gewählt wurden? Vielleicht weil wir Män-
ner ahnen, dass der Argumentationsfaden
schnell zu Ende ist? Wer soll es aber ändern
und vorleben, wenn nicht wir, die wir die
Macht dazu haben? Warum machen wir es
nicht zum Teil gelebter Feedback-Kultur,
männliche Kollegen darauf hinzuweisen,
wenn sie in Geschlechterklischees denken
und argumentieren und fordern es auch
umgekehrt von ihnen ein.
Egal ob Feminist oder nicht, allein aus
wirtschaftlichem Interesse bleibt uns gar
keine Wahl. Wir werden in der globalisier-
ten Welt nur bestehen, wenn wir alle bes-
ten Köpfe für uns gewinnen und nicht für
50 Prozent von ihnen von vorneherein
möglichst unattraktiv wirken.
Oder anders gesagt: Wünschen wir uns
für unsere Töchter und Lebenspartnerin-
nen nicht auch, dass sie im Beruf einzig da-
nach bewertet werden, was sie können?
interview: caspar busse
und kathrin werner
M
it Jackie Hunt, 51, spricht man
Englisch. Die Vorstandsangehöri-
ge der Allianz SE kann zwar ein
Bier auf Deutsch bestellen („Die wichtigen
Sachen habe ich gelernt“), aber es ist
schwer, diese Sprache zu lernen, wenn man
ständig um den Erdball reist. Hunt ist bei
dem Versicherungskonzern zuständig für
Asset Management und das Lebensversi-
cherungsgeschäft in den USA. Das Magazin
Businessweeknennt sie „eine der wichtigs-
ten Frauen in der globalen Finanzwelt“.
SZ: Frau Hunt, wie besorgt sind Sie über
den Zustand der Weltwirtschaft?
Jackie Hunt: Es gibt große politische Ver-
werfungen, denken Sie an die Handelsaus-
einandersetzungen zwischen den USA und
China, an den Brexit oder an Italien. Wenn
das so weitergeht, wird das die Wirtschaft
treffen. Problematisch ist dann die Lage
der Zentralbanken, die Maßnahmen und
Möglichkeiten, die sie immer hatten, sind
aufgebraucht. Wenn es zu einer neuen Re-
zession kommen sollte, bleibt da nicht
mehr viel. Auf der anderen Seite haben die
Verantwortlichen inzwischen viel Erfah-
rung, wie sie mit diesen Hürden umgehen.
Ist das nicht frustrierend, wenn Sie Ge-
schäfte machen müssen in Zeiten, in de-
nen politische Fehler für so viel Unsicher-
heit sorgen?
Nein, das frustriert mich nicht, dann wird
es doch interessant. In ruhigen Zeiten, in
denen sich kaum etwas ändert, bewegt
sich auch die Allianz-Aktie wie der gesam-
te Markt. Sobald es schwieriger wird, gibt
es plötzlich mehr Wettbewerb und Innova-
tion. Das erfordert gute Führung, um dar-
aus Vorteile zu ziehen.
Apropos Führung: Sie mussten sich seitIh-
rem Amtsantritt 2016 viel mit internen
Querelen beschäftigen, die Investment-
tochter Pimco wieder auf Kurs bringen,
nachdem der schillernde Gründer Bill
Gross ging. Sind Sie jetzt fertig?
Pimco ist in guter Verfassung. Aber es
macht mich immer sehr nervös, wenn Leu-
te sagen, es gibt nichts mehr zu tun.
Wenn es nichts mehr zu tun gibt, braucht
man auch keinen Chef mehr...
Stimmt. Nein im Ernst, ich glaube, dass die
Moral in der Firma gut ist. Auch diese politi-
schen Themen und diese Hybris sind nicht
mehr da. Wir haben viele neue Leute ge-
holt, das Ziel war eine mehr team-orientier-
te Kultur. Wir legen keinen Wert mehr auf
diese Star-Kultur.
Sie gelten als die Pimco-Retterin.
Ich fühle mich sehr unwohl, wenn Sie sa-
gen, ich hätte die Firma gerettet. Das wäre
ja wieder dieser Star-Kult. Es war das
Team, das das geschafft hat – nicht eine
Person.
Sie sind viel unterwegs und besuchen die
einzelnen Standorte. Reisen Sie gerne?
Ich könnte auch ohne Reisen leben, aber
ich muss. Ich muss bei den einzelnen Unter-
nehmenseinheiten sein, nur dann verste-
he ich, was an der Basis passiert. Ich mag
München sehr gerne, auch wenn ich die
Hälfte der Zeit unterwegs bin.
Wie organisieren Sie das?
Ich bin viele Jahre gependelt, da habe ich
Erfahrung. Mein Sohn studiert schon, mei-
ne Tochter ist auch groß, und mein Mann
unterstützt mich. Ich kümmere mich auch
darum, es anderen Müttern zu erleichtern,
Karriere bei der Allianz zu machen. Interes-
sant ist, dass Karrieren von Frauen sehr da-
von abhängig sind, wo sie leben. Nehmen
Sie Bayern, hier fehlen Kinderbetreuungs-
plätze. Das ist das größte Problem für jun-
ge Mütter. Die Allianz baut jetzt große Räu-
me hier in München in einen Kindergarten
um. Mütter hier in Bayern beklagen sich
außerdem, dass sie als Rabenmütter gel-
ten, dass es sozial schwierig ist, schnell in
den Job zurückzukehren. Mitarbeiterin-
nen aus Berlin oder aus Ostdeutschland ha-
ben dieses Problem dagegen nicht. Mehr
als 50 Prozent unserer Mitarbeiter sind
weiblich. Aber nur zwei von zehn Vor-
standsmitgliedern sind Frauen, da ist der
Weg noch weit.
Waren Sie selbst mal Opfer von solchem
Klischeedenken in Ihrer Karriere?
Ich denke, dass jeder ein Opfer von Stereo-
typisierung ist. Leute denken, sie verste-
hen, wer du bist, abhängig davon, wo du
aufgewachsen bist, in welcher Klasse, was
dein Bildungshintergrund ist und dein Ge-
schlecht. Ich bin schon sehr lange in der Fi-
nanzindustrie, einer sehr männerdomi-
nierten Branche, auch wenn das nie der
Plan war. Ich hatte eigentlich keinen kon-
kreten Plan. Am Anfang hatte ich ein Sti-
pendium von einer Minenfirma. Ich kom-
me aus keinem reichen Elternhaus und
brauchte Geld für das Studium. In der Fir-
ma bin ich durch alle Abteilungen rotiert,
um herauszufinden, was ich mit meinem
Leben anstellen möchte. Nach und nach ha-
be ich mich spezialisiert.
Wenn Sie ein Mann wären, wären Sie dann
schon irgendwo Vorstandschef?
Lassen Sie es mich so sagen: Ich bin zwar kei-
ne Vorstandschefin eines Konzerns, das
liegt aber nicht daran, dass ich eine Frau
bin. Es hätte schon Gelegenheiten gegeben,
ein Amt zu übernehmen. Aber ich möchte ei-
nen Job haben, bei dem ich das Gefühl habe,
dass ich einen Beitrag leisten kann und bei
dem die Werte des Unternehmens zu mei-
nen eigenen passen. Ich war nie von der
Jagd nach Titeln getrieben. Andererseits:
Wenn Sie fragen, ob ich glaube, dass es mich
manchmal aufgehalten hat in meiner Karri-
ere, dass ich eine Frau bin, sage ich: Ja, abso-
lut! Es gibt Vorurteile.
Wie war Ihr erster Eindruck von der Alli-
anz vor Ihrem Wechsel nach München?
Vor meinem ersten Treffen mit Oliver...
... Sie meinen Oliver Bäte, den Vorstands-
chef der Allianz...
Ja. Da war ich nicht sicher, ob ich den Job tat-
sächlich annehmen würde. Ich habe vorher
immer nur im angloamerikanischen Um-
feld gearbeitet, auf vier Kontinenten. Von
außen betrachtet schien die Unternehmens-
kultur der Allianz, vor allem der Vorstand,
damals nicht sehr international und anders
als das, was ich bisher kennengelernt hatte.
Was hat er gesagt, um Sie zu überzeugen?
War es das Geld?
(Lacht) Oh nein. Er hat interessante Sachen
gesagt: Wie er die Kultur ändern will. Mehr
Frauen, mehr internationale Stimmen. Sei-
ne Strategie ist wirklich sinnvoll. Und die an-
deren Jobs, die ich damals in Aussicht hatte,
waren alle sehr ähnlich zu denen, die ich be-
reits gemacht hatte.
Wie hierarchisch dürfen Unternehmen
heute noch sein?
Es kommt sehr auf die Situation an und die
Kultur. Wenn ein Unternehmen in einer Kri-
se steckt, kann es sein, dass es eine starke
Führungskraft braucht, die sehr sichtbar ist
und den Leuten sagt, dass alles wieder gut
wird. Ich würde immer lieber un-
hierarchischer arbeiten. So sehe ich auch
meine Rolle, ich will mein Team stärken
und eher aus dem Hintergrund steuern. So
fühlen sich Entscheidungen für sie mehr so
an, als hätten sie sie selbst getroffen. Gera-
de für jüngere Menschen, für Millennials,
ist das wichtig.
Millennials sind oft weniger karriereori-
entiert, wollen nicht mehr so viele Über-
stunden machen, worüber sich Persona-
ler ja gern mal beschweren.
Die Millennial-Generation hat viele gute
Seiten. Sie möchten Sinn in ihrer Arbeit se-
hen, die Welt verbessern. Auch mehr Work-
Life-Balance. Das sind alles gute Dinge. Es
ärgert mich sehr, wenn Leute sich beschwe-
ren, dass die Millennials so anders sind.
Außerdem frage ich mich, ob wir alle im Le-
ben diese Kurve durchlaufen. Ob wir alle,
wenn wir jung sind, fest an irgendwelche
Sachen glauben, und dann unsere Werte
ändern, wenn wir älter sind und den Haus-
kredit abbezahlen müssen. Menschen wer-
den oft ja auch als Wähler konservativer.
Ich frage mich, ob das auch auf Menschen
als Arbeitskräfte zutrifft: Dass sie im Laufe
des Arbeitslebens immer pragmatischer
werden. Bei der Allianz beschäftigen wir
uns zum Beispiel ja sehr mit dem Klima-
wandel, etwa, wenn es darum geht, wie wir
Geld anlegen. Viele junge Menschen stel-
len da die richtigen Fragen und schubsen
uns in die richtige Richtung.
MerkenSie auchselbst, dassSie konserva-
tiver geworden sind?
Politisch konservativer – nein! Ich bin ein-
deutig liberal. Ich glaube an gleiche Rechte
für alle, ich halte Protektionismus für
schlecht, ich glaube an die Europäische
Union und so weiter. Ich bin aber vorsichti-
ger geworden. Als ich jung war, gab es
einen Vorfall. Mir ist etwas passiert, eine
„Me Too“-Sache. Und damals habe ich ent-
schieden, dass ich mir so etwas nicht antun
will und habe gekündigt. Ich konnte ein-
fach von einem Moment zum anderen sa-
gen: Das war’s. Das war möglich, weil ich
keine Kinder hatte, die Essen und Klamot-
ten brauchten. Wenn man es so interpre-
tiert, bin ich konservativer geworden.
Glauben Sie, dass „Me Too“ die Arbeits-
welt verändert hat?
„Me Too“ hat eine Debatte losgetreten, die
ich nützlich finde. Ich bin mir allerdings
nicht sicher, ob sich die Dinge dauerhaft
verändert haben. Es gab ja auch eine Men-
ge Gegenwind. Sehr viele Menschen haben
nun das Gefühl, dass es nur um politische
Korrektheit geht und man aus politischer
Korrektheit manche Dinge nicht mehr sa-
gen oder tun darf. Aber wenn man seine
Macht missbraucht, geht es nicht um politi-
sche Korrektheit. Es geht um Anstand, um
respektvolles Verhalten.
Wenn Ihnen heute etwas passieren wür-
de, was unter „Me Too“ fällt, würden Sie
dann an die Öffentlichkeit gehen?
Vermutlich nicht. Ich bin ein sehr privater
Mensch. Ich mache solche Sachen mit mir
selbst aus, aber ich ermutige jeden in einer
solchen Situation, das öffentlich zu ma-
chen, und ich würde einen solchen Schritt
jederzeit unterstützen. Und ich würde defi-
nitiv etwas sagen, wenn ich sehe, wie ande-
ren Menschen etwas passiert. Das habe ich
schon immer getan. Das ist ja auch viel ein-
facher. Zumal es heute ja auch klar ist, dass
Fehlverhalten auch für das ganze Unter-
nehmen Konsequenzen hat.
Es bestehtja auch die Hoffnung, dass sexu-
elle Übergriffigkeit und dumme Sprüche
automatisch seltener werden, wenn es
mehr Frauen in Führungspositionen gibt,
die Respektspersonen und Vorbilder sind.
Es geht bei „Me Too“ oft um ein Un-
gleichgewicht der Macht. Wenn man das
angeht, geht man automatisch auch gegen
„Me Too“-Fehlverhalten vor. Darum ge-
hen viele Frauen auch an die Öffentlich-
keit, weil das ein Mittel derjenigen ist, die
sonst weniger Macht haben.
Vielleicht braucht die Allianz eine Vor-
standschefin.
Das ist Sache des Aufsichtsrats.
Es würde Deutschland nicht schaden,
wenn es endlich auch mal eine Chefin
eines Dax-Konzerns gibt.
Ja, null ist keine gute Quote. Schließlich
sind mehr als 50 Prozent der Bevölkerung
weiblich. Und wenn man sich die Verbrau-
cher anschaut und wer die finanziellen Ent-
scheidungen in den Familien trifft, ist die
ganz überwältigende Mehrheit Frauen.
Jacqueline Huntwuchs in Johannesburg/Südafrika
auf. Sie studierte dort Wirtschaft und Rechnungswe-
sen. Danach war sie in vielen leitenden Positionen
tätig, so bei Deloitte & Touche, PwC und Prudential
UK. Seit 2016 ist sie im Vorstand der Allianz SE.
Martin Eisenhutist Part-
ner und Zentraleuropa-
Chef der Unternehmens-
beratung A.T. Kearney.
Der promovierte Informa-
tiker verfügt über 20 Jah-
re Beratungserfahrung
mit Schwerpunkt auf
strategischen und operati-
ven Transformationspro-
zessen.FOTO: OH
Ola Källenius,50, neuer Daimler-Vor-
standschef, gibt sich zuversichtlich, trotz
seines schwierigen Starts. „Wir sehen den
globalen Automobilmarkt nicht in einem
lang anhaltenden Abschwung“, sagte der
Manager, der erst im Frühjahr das Amt
von Dieter Zetsche übernommen hat, der
Automobilwoche. Innerhalb dieser kurzen
Zeit hatte Källenius(FOTO: DPA)mehrfach
die Ziele für das laufende Jahr nach un-
ten korrigieren müssen, unter anderem
wegen der Diesel-Affäre und einer welt-
weit nachlassenden Nachfrage nach Neu-
wagen. Doch für den Konzern aus Stutt-
gart werde es nun wieder nach oben
gehen, sagt der
schwedische Mana-
ger: „Für Mercedes-
Benz Cars erwarten
wir im zweiten Halb-
jahr bereits eine
Trendwende. Und
langfristig überwie-
gen eindeutig die
Chancen.“ sz
Franz-Josef Kortüm, 69, Aufsichtsrats-
chef von Webasto, hat hingeschmissen.
Der Oberkontrolleur des Panorama- und
Schiebedachherstellers war nur etwa ein
Jahr in diesem Amt, das er zum 31. Au-
gust niedergelegt hat, wie eine Unterneh-
menssprecherin bestätigte. Zu den Grün-
den äußerte sie sich nicht. Nach Informa-
tionen derAutomobilwoche,die zuerst
über die Personalie berichtet hatte, soll
es im Aufsichtsrat Differenzen über die
strategische Ausrichtung gegeben ha-
ben. Kortüm(FOTO: OH)war bei der VW-
Tochter Audi im Jahr 1993 Ferdinand
Piëchs Nachfolger als Vorstandschef
geworden, hatte den Posten aber schon
nach einem Jahr wieder räumen müssen.
Nach dem kurzen Intermezzo in Ingol-
stadt war der Westfale von 1994 bis 2013
Vorstandsmitglied und Vorstandschef
von Webasto, seither saß er im Aufsichts-
rat des Familienkon-
zerns, der im vergan-
genen Jahr 3,4 Milli-
arden Euro umsetz-
te. Ein Nachfolger
für den Aufsichtsrats-
vorsitz soll nach
Unternehmensanga-
ben zeitnah berufen
werden. dpa
Angela Merkel, 65, promovierte Physi-
kerin und deutsche Bundeskanzlerin, ist
am Samstag als „Inspiration“ gewürdigt
worden. Das freundschaftliche Bekennt-
nis kam von Merkels langjähriger politi-
scher Weggefährtin, Christine Lagarde.
Die Frauen trafen an der Leipziger Han-
delshochschule sichtlich gelöst aufeinan-
der; der Anlass bot durchaus Grund zur
Freude: Merkel (FOTO: DPA) bekam den
Titel einer „Dr. rer. oec. h.c.“, einer Dokto-
rin der Wirtschaftswissenschaften ehren-
halber verliehen, vor allem wegen ihres
politischen Führungsstils. Lagarde hielt
die Laudatio auf „die liebe Freundin“.
Kanzlerin Merkel habe „Millionen Frau-
en weltweit beeinflusst“, sagte die Fran-
zösin. „Ich kann das bezeugen, ich bin
eine von ihnen.“ Beim Anblick der bei-
den mächtigsten Frauen Europas dürfte
mancher Zuhörer an die Zukunft ge-
dacht haben: Lagarde wird ab 1. Novem-
ber aus deutscher Sicht dafür verant-
wortlich gemacht werden, dass die Zin-
sen Kopf stehen – als Chefin der Europäi-
schen Zentralbank. Die extrem niedri-
gen Zinsen sorgen in
Deutschland für
Kritik. Wenn Merkel
also Lagarde künftig
im Kanzleramt emp-
fängt, wird es zwar
auch um Führung
gehen, aber jene in
der europäischen
Geldpolitik.gam
16 HF2 (^) WIRTSCHAFT Montag,2. September 2019, Nr. 202 DEFGH
FOTO: WOLFGANG STAHR
FORUM
Worin Männer versagen
DieGleichstellung im Berufsleben wird nicht erreicht, weil viele
Führungskräfte kein Interesse daran haben.Von Martin Eisenhut
Wie schaffen Sie das, Kind
und Karriere? Das fragen wir
immer nur Frauen
„Null ist keine gute Quote“
Jackie Hunt ist seit 2016 im Vorstand der Allianz und gilt als eine der mächtigsten
Frauen in der globalen Finanzwelt. Ein Gespräch über
Wirtschaftskrisen, die Macht der Männer und einen „Me Too“-Vorfall
Optimist bei Daimler
Abgang bei Webasto
Merkel als Influencerin
PERSONALIEN
MONTAGSINTERVIEWMIT JACKIE HUNT
„Ich komme aus
keinemreichen Elternhaus
und brauchte Geld
für das Studium.“