Handelsblatt - 22.08.2019

(ff) #1

ren, kündigte Zahn an. Und auch die
LEG Immobilien will neuerdings
bauen. Die Vorzüge des Geschäfts:
Neubauten sind von der Mietpreis-
bremse ausgenommen. Allerdings
wird es Jahre dauern, bis sich diese
Aktivitäten spürbar in den Bilanzen
niederschlagen. Bei Vonovia wirkt
die Umsetzung bislang zwar am
größten. Doch selbst wenn die Bo-
chumer in diesem Jahr ihr Neubau-
ziel von 2 500 Wohnungen errei-
chen, würde der Bestand nur um
0,06 Prozent erweitert. „Aufgrund
der begrenzten Verfügbarkeit von
Bauland und der langfristigen Pla-
nungsprozesse gehen wir aber davon
aus, dass das Baugeschäft der Unter-
nehmen kurz- bis mittelfristig relativ
marginal bleiben könnte“, sagt Bois-
sier von UBS.
Spürbarer sind Erweiterungen im
Ausland. So besitzt Vonovia bereits
mehr als 14 000 Wohnungen in
Schweden. Hier ist mit Zukäufen zu
rechnen. Gelingt die Strategie, könn-
te das auch dem Kurs helfen. Bislang
trägt das Schweden-Geschäft aller-
dings noch überschaubare sechs
Prozent zu den Mieteinnahmen bei.
Wachstumsbestrebungen in Frank-
reich oder den Niederlanden stehen
noch ganz am Anfang. Es wird auch
hier Jahre dauern, bis sich die Poten-
ziale materialisieren.
Deutsche Wohnen möchte hinge-
gen im Pflegesektor wachsen. Das
hat sich zuletzt bezahlt gemacht.
Nach einem Kauf haben sich die Ge-
winne aus diesem Bereich im ersten
Halbjahr nahezu verdoppelt, sind
auf 43,9 Millionen Euro gestiegen.
Am Periodenergebnis liegt der Anteil
damit bei 7,3 Prozent. Hierin könnte
durchaus ein Modell für zukünftiges
Wachstum liegen.
Die Hoffnungen darauf werden al-
lerdings, und auch das zeigen die
Entwicklungen in dieser Woche, an
den Börsen immer wieder vom Re-
gulierungsthema überdeckt: Als das
Bundesverfassungsgericht am Diens-
tag die Mietpreisbremse als grundge-
setzkonform einstufte, rutschten die
vier großen Konzerne ins Minus.
„Trotz aller politischer Nebenge-
räusche halte ich die Aktien für rela-
tiv stabil, allerdings wohl mit einer
höheren Schwankungsbreite“, sagt
Remke von der Baader Bank. Die Re-
gulierung belastet die Aktien der
Wohnimmobilienkonzerne zwar. An
den von der Konjunkturschwäche
angeschlagenen Börsen haben sie
dennoch die Möglichkeit, mit einer
soliden Entwicklung überdurch-
schnittlich abzuschneiden.


Altersvorsorge

Provisionshöhe unbekannt


Verbraucher kennen die
Kosten von Versicherungen oft
nicht. Viele Kunden wären
bereit, Honorare statt
Provisionen zu zahlen.

Frank M. Drost, Susanne Schier
Berlin, Frankfurt

M


it einem Provisionsdeckel
will die Bundesregierung
die Abschlussprovisionen
bei Lebensversicherungen begren-
zen. Doch seit das Bundesfinanzmi-
nisterium den Referentenentwurf im
Frühjahr vorgelegt hat, hat sich zu-
mindest in der Öffentlichkeit nicht
mehr viel getan. Mehrmals nahm das
Bundeskabinett das Thema von der
Tagesordnung. Auch an diesem Mitt-
woch ist wieder nichts passiert. An
der Intention der Regierungsparteien
habe sich aber nichts geändert, heißt
es in Berlin. Während die Versiche-
rungsbranche mit Argusaugen auf die
politischen Entwicklungen schaut,
zeigt eine aktuelle Umfrage, dass Ver-
braucher die Provisionshöhen beim
Abschluss eines privaten Altersvor-
sorgeprodukts nur sehr vage kennen.
Zugleich sind auch sogenannte
Nettoversicherungen als Alternative
zu Provisionstarifen in der Bevölke-
rung weitgehend unbekannt. Nach
einer kurzen Erklärung bestehe bei
vielen Verbrauchern jedoch ein Inte-
resse an Nettoprodukten. Sie wären
auch bereit, ein Honorar zu zahlen.
Das ergab eine Onlineumfrage des
Marktforschungsinstituts Innofact im
Auftrag des Versicherers Mylife unter
1 000 Bundesbürgern.
Vor allem die Höhe der in den Ver-
trägen einkalkulierten Provision für
den Versicherungsvermittler ist Ver-
brauchern demnach kaum geläufig.
So schätzten mehr als 57 Prozent der
Befragten die Provision für einen
über 30 Jahre laufenden Vertrag mit
einer Beitragssumme von 36 000
Euro auf unter 500 Euro. Nur gut 19
Prozent schätzten die Provision auf
über 1 500 Euro. Der Mittelwert der
Schätzungen lag bei 770 Euro und
damit bei etwas mehr als zwei Pro-
zent der Beitragssumme. „Die Ergeb-
nisse der Studie deuten darauf hin,
dass viele Kunden die Höhe der tat-
sächlichen Vertriebskosten im Be-

reich der Lebensversicherung kaum
kennen“, sagt Mylife-Vorstand Holger
Kreuzkamp. Eine Möglichkeit für
mehr Transparenz könne die Hono-
rarberatung sein, bei der die Vergü-
tung individuell und leistungsbezo-
gen vereinbart wird.
Durchschnittswerte zu den tat-
sächlichen Provisionen gibt die Versi-
cherungsbranche nur ungern preis.
Der Entwurf des Bundesfinanzminis-
teriums sieht als künftige Obergren-
ze 2,5 Prozent beziehungsweise – un-
ter Einhaltung gewisser Qualitätskri-
terien – vier Prozent der
Bruttobeitragssumme vor. So gelten
beispielsweise geringe Stornoquoten
und eine geringe Anzahl an Be-
schwerden als Qualitätsmerkmale.
Da diese Deckelung von der Koaliti-
onsregierung für notwendig gehalten
wird, dürfte es am deutschen Le-
bensversicherungsmarkt auch Tarife
mit höheren Provisionen geben. Un-
ter der Hand werden oft vier bis fünf
Prozent als übliche Provisionshöhen
genannt. Abschlussprovisionen und
Vergütungen für Vermittler machen
etwa zwei Drittel an den Abschluss-
und Vertriebskosten aus.
Viele Verbraucher wissen zudem
nicht, dass sie auch Nettotarife bei ih-
rem Finanzberater oder ihrer Versi-
cherungsgesellschaft abschließen
können. Das sind Tarife ohne Ab-
schlussprovisionen und laufende
Provisionen. Stattdessen erhält der
Berater, wie oben beschrieben, vom
Kunden ein Honorar. Rund 74 Pro-
zent der Befragten hatten vor der In-
nofact-Studie noch nie etwas von
Nettotarifen gehört. Nach einer kur-

zen Erläuterung gaben knapp 77 Pro-
zent der Umfrageteilnehmer an, dass
solche Policen für sie interessant sei-
en. Mylife, der Auftraggeber der Stu-
die, ist ein Lebensversicherungsun-
ternehmen mit Sitz in Göttingen, das
seinen Kunden Nettotarife anbietet.
Die Umfrageteilnehmer sollten
auch angeben, ob und in welcher Hö-
he sie bei dem genannten Musterfall
bereit wären, ein Honorar zu zahlen,
wenn sie dafür durch ein Nettopro-
dukt einen wirtschaftlichen Vorteil
bei der Ablaufleistung von mehr als
10 000 Euro erlangen könnten. Im
Schnitt nannten die Befragten einen
Betrag von 726 Euro.
Aus Sicht der Bundesregierung
sind indes nicht nur die Vertriebs-
kosten für Lebensversicherungen zu
hoch. Auch die entsprechenden
Kosten für Restschuldversicherun-
gen sollen gesenkt werden. Diese
Versicherungen dienen dazu, Rück-
zahlungsverpflichtungen aus Bank-
darlehen abzusichern. Ausfallrisiken
wie ein Todesfall oder eine Arbeits-
unfähigkeit sollen dadurch abge-
deckt werden.
Bei Abschluss einer solchen Versi-
cherung erhalten Kreditinstitute von
den Versicherungen einen erhebli-
chen Anteil der vom Darlehensneh-
mer gezahlten Versicherungsprämie
als Provision. Teilweise betragen die-
se Kosten mehr als zehn Prozent der
gewährten Darlehenssumme. Um
Fehlanreize zu reduzieren, will der
Gesetzgeber die Abschlussprovision
bei Restschuldversicherungen auf
maximal 2,5 Prozent der versicher-
ten Darlehenssumme deckeln.

Kunstmotiv Rente: Politik plant Provisionsdeckel für Lebensversicherungen.

imago/Eckhard Stengel

28


PROZENT
hat die Aktie von
Deutsche Wohnen
seit Verkündung des
Berliner Mieten -
deckels verloren.

Quelle: Reuters Wealth
Manager

 
      
 
 



   
 
 


  


 
 

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DONNERSTAG, 22. AUGUST 2019, NR. 161
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