Handelsblatt - 22.08.2019

(ff) #1
Berlin: Hier liegt
der Hauptbestand
von Vonovia und
Deutscher Wohnen.

EyeEm/Getty Images

Immobilienkonzerne im Vergleich

Vonovia
Dt. Wohnen
LEG
TLG

Vonovia
Dt. Wohnen
LEG
TLG

Vonovia
Dt. Wohn.
LEG
TLG

42,8
36,0
40,7
34,7

%
%
%
%

LTV
in %2
3 066
1 258
573
299

Umsatz
in Mio. €
1 065
479
319
134

2,3
2,3
3,5
3,3

%
%
%
%

50,39
42,26
96,10
26,27

Operatives
Ergebnis1
in Mio. €

Leer-
stands-
quote4

Aktienkurs
in Euro

EPRA-NAV3
je Aktie
43,23
30,32
104,25
26,85

1 894
786
560
224





40 102
164 265
133 6
84 426

Bewirtschaftete
Wohneinheiten
4,2
3,4
3,0
3,2

%
%
%
%

Miet-
anstieg

Mietein-
nahmen
in Mio. €

HANDELSBLATT Quellen: Unternehmen, Bloomberg

1) FFO 1: Operatives Ergebnis aus der Immobilienbewirt-
schaftung ohne Veräußerungsgewinne; 2) Loan to Value:
Nettoschulden zu Verkehrswert; 3) Nettovermögenswert:
Immobilienwert minus Schulden; 4) EPRA-Leerstandsquote;
5) Like for like: Im bestehenden Portfolio, ohne Zukäufe

Kennzahlen zum 31.12.2018

Matthias Streit Erfurt

W


as die Wohnkon-
zerne auch ma-
chen, der Druck
der Politik lässt
nicht nach: Vo -
novia hat seinen Mietern ab 70 Jahren
eine Bleibegarantie ausgesprochen
und sich selbst für Berlin einen Mie-
tendeckel auferlegt. Deutsche Woh-
nen, der zweitgrößte private Konzern
am Wohnungsmarkt, hat sich einen
teilweisen Mietendeckel auferlegt,
will künftig Mieterhöhungen begren-
zen. Kein Haushalt soll dadurch um
mehr als 30 Prozent belastet werden.
Besänftigt hat das die Politik nicht.
Der Koalitionsausschuss hat die Miet-
preisbremse dennoch verlängert, die
Berechnung des Mietspiegels ver-
schärft. Folge: Der Mietspiegel steigt
langsamer und damit auch die Mög-
lichkeiten der Konzerne, ihre Mieten
zu erhöhen. In Märkten mit Miet-
preisbremse dürfen ihre Mieten ma-
ximal zehn Prozent über dem Miet-
spiegel liegen.
Anleger schätzen Wohnimmobi-
lienaktien für ihre Stabilität. Doch die
Kurse stecken in der Krise, die Regu-
lierung stellt selbst die stabilen Ge-
schäftsmodelle auf die Probe. Den-
noch raten Analysten zum Kauf.
Gerade in konjunkturell schwa-
chen Phasen wie im Moment sind
Wohnimmobilienaktien eigentlich
begehrt. Denn die Mieteinnahmen,
der Cashflow der Konzerne, bleiben
auch dann stabil. Gewohnt wird im-
mer. Oder wie Rolf Buch, Chef von
Branchenprimus Vonovia, es bei der
Präsentation der Halbjahreszahlen
umschrieb: „Unsere Geschäftsent-
wicklungen sind angenehm langwei-
lig und angenehm berechenbar und
werden es auch bleiben.“
Während zahlreiche Industrieun-
ternehmen Gewinnwarnungen aus-
sprechen, konnten die vier größten
privaten Wohnkonzerne ihre Gewin-
ne steigern. Bei Vonovia kletterte der
Group-FFO, der Gewinn aus dem
operativen Geschäft, um 13 Prozent
auf 609 Millionen Euro. Deutsche
Wohnen vermeldete ein ähnliches
Gewinnplus auf 283 Millionen Euro.
Die Gewinnprognosen für das Jahr
wurden bestätigt.
Vor diesem Hintergrund wirken
die Aktien von Vonovia und Deutsche
Wohnen günstig. Seitdem der Berli-
ner Senat im Juni einen fünfjährigen
Mietendeckel angekündigt hat, ging
es mit den Kursen steil bergab. Mehr
als zwei Drittel des Deutsche-Woh-
nen-Portfolios liegen in Berlin. Von
Vonovia sind es rund elf Prozent. Die
Kurse liegen heute deutlich unter
dem Nettovermögenswert (NAV) je
Aktie. Der gilt unter Analysten und
Investoren als Maß für den Aktien-
kurs. Bei Vonovia beläuft sich der Ab-
schlag auf rund ein Zehntel, bei Deut-
sche Wohnen sogar rund ein Drittel.
Die deutschen Wohnimmobilien-
unternehmen zählen für den Analys-
ten Charles Boissier von der UBS zu
den bevorzugten Aktien auf den eu-
ropäischen Immobilienmärkten. Die
Risiken der Regulierung seien bereits
„mehr als eingepreist“. Boissier sieht
bei den Aktien ein durchschnittliches
Aufwärtspotenzial von 34 Prozent.

Mietendeckel voraus
Welche Auswirkungen der Mieten -
deckel auf Vonovia und Deutsche
Wohnen haben könnte, hat Kai Klose,
Analyst von Berenberg, berechnet.
Deutsche Wohnen könnte die Maß-
nahme im Vergleich zu den letzten
Erwartungen 2021 neun Prozent des
operativen Gewinns kosten. Der Fair
Value der Aktie würde dann bei 41

Euro statt aktuell 47 Euro liegen. Von-
ovia würde beim Gewinn wohl drei
Prozent einbüßen, der Fair Value der
Aktie von aktuell 54 auf 52 Euro sin-
ken. Klose mahnt jedoch vor einer
Überinterpretation seiner Kalkulati-
on, denn wie der Mietendeckel, der
schon 2020 in Kraft treten soll, aus-
sieht, ist nach wie vor unklar. Den-
noch: Selbst gegenüber den negativs-
ten Erwartungen hätten die Aktien
aus heutiger Sicht noch Aufholpoten-
zial. Wer sich nicht auf die Spekulati-
on zu Berlin einlassen möchte, findet
in LEG eine Alternative, deren Be-
stände fast ausschließlich in Nord-
rhein-Westfalen liegen. Wer einen Fo-
kus auf ost- und norddeutsche Städte
sucht, könnte die TAG präferieren,
sollte aber auch wissen, dass 15 Pro-
zent der Bestände in der Hauptstadt
und Umgebung liegen. Die Aktien der
beiden Unternehmen notieren zwar
schon knapp über ihrem Nettovermö-
genswert je Aktie. Analysten glauben
dennoch an Steigerungspotenzial.

Gebremstes Wachstum
Mit solidem Mietwachstum sei zwar
auch künftig zu rechnen, schließlich
sei der Mietendeckel eine Berliner
Besonderheit und daher nicht auf
Deutschland übertragbar, sagt Andre
Remke, Analyst bei der Baader Bank.
Doch allmählich werde sich der Ef-
fekt steigender Mieten abschwächen.

Die Konzerne hätten in den vergan-
genen Jahren die Mieten schon gut
erhöht, was sie in den Städten mit
Mietpreisbremse an den Rand des
Möglichen bringt. „Statt zuletzt drei
bis vier Prozent könnten die Mietstei-
gerungen in den Portfolios künftig
vielleicht nur noch ein bis zwei Pro-
zent betragen“, sagt Remke. In ande-
ren Worten: Das Wachstum im Kern-
geschäft wird ausgebremst.
Soll es weiter nach oben gehen,
müssen Alternativen her. Für Deut-
sche Wohnen hieß das zuletzt: ver-
kaufen. In dieser Woche verkaufte
das Unternehmen 6 000 Wohnun-
gen, die überwiegend in Nord-
deutschland liegen. Weitere 3 000
Einheiten sollen als Eigentumswoh-
nungen verkauft werden. Deutsche
Wohnen will die gute Marktlage nut-
zen, um sein Portfolio zu bereinigen
und seine Qualität zu steigern, erklär-
te Konzernchef Zahn jüngst. Eine
große Verkaufsstrategie stehe aber
nicht dahinter. Deutsche Wohnen
bleibt Bestandshalter, das Kernge-
schäft die Vermietung.
Ein Segment, auf das nun nahezu
alle großen Wohnkonzerne setzen,
ist der Neubau. Vonovia peilt allein
in diesem Jahr bis zu 2 500 Wohnun-
gen an, im ersten Halbjahr waren es
bislang 800. Deutsche Wohnen will
ab 2020 Jahren jährlich 150 bis 200
Millionen Euro in Neubau investie-

Aktie unter der Lupe


Soweit die Mieten


tragen


Aktien von Wohnimmobilienkonzernen gelten in konjunkturellen


schwachen Zeiten als Stabilitätsanker. Analysten raten trotz der


Risiken durch Regulierung zum Kauf.


Private Geldanlage
DONNERSTAG, 22. AUGUST 2019, NR. 161
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