FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen MITTWOCH, 4. SEPTEMBER 2019·NR. 205·SEITE 25
D
ie Anleger haben ihre Meinung
längst kundgetan: Finanzkonzern
Nummer eins im Rhein-Main-Gebiet ist
für sie schon lange nicht mehr die Deut-
sche Bank. Es ist die Deutsche Börse.
Rund 26 Milliarden Euro ist die Börse
an der Börse mittlerweile wert. Die
Deutsche Bank kommt nur auf gut die
Hälfte: 13,8 Milliarden Euro.
Nun manifestiert sich der Wachwech-
sel auch in Europas wichtigstem Börsen-
barometer, dem Euro-Stoxx-50. Vor ei-
nem Jahr musste die Deutsche Bank raus
aus dem Index. Und am späten Montag-
abend teilte die Deutsche Börse als In-
dexbetreiber mit, ihre Aktie vom 23. Sep-
tember an in den Index aufzunehmen.
Die Vorfreude war dem Aktienkurs
schon seit Freitag anzumerken, als sich
die Gerüchte verdichteten. Mit zeitweise
mehr als 138 Euro verzeichnete der Kurs
auch am Mittwoch ein Rekordhoch.
Die 33 börsengehandelten Index-
fonds (ETF) auf den Euro-Stoxx-50 müs-
sen nun alle die Aktie der Deutschen
Börse entsprechend abbilden. Gut 31
Milliarden Euro sind in den Fonds ange-
legt. Käme die Deutsche Börse auf ein
Gewicht von knapp 1 Prozent – was
nicht unrealistisch ist –, wären es immer-
hin rund 300 Millionen Euro, die in die
Aktie fließen müssten. Hinzu kommen
die zahlreichen aktiv verwalteten
Fonds, die sich an Indexzusammenset-
zungen orientieren. Die Deutsche Börse
ist dann einer von 15 Dax-Werten im
Euro-Stoxx-50. Absteigen muss für die
Börse der französisch-niederländisch-
australische Immobilienkonzern Uni-
bail-Rodamco-Westfield.
Hinter der Börsenaktie liegen sehr
gute Monate und Jahre. „Dem Unterneh-
men wird Wachstum auch in einem
schwierigeren globalen Konjunkturum-
feld zugetraut, das gibt es nicht so oft im
Dax“, sagt Roland Pfänder, Aktienana-
lyst der Bank Oddo BHF. Die zuletzt wie-
der etwas höheren Kursschwankungen
an den Börsen sorgen für steigende Han-
delsumsätze, was sich für Börsenbetrei-
ber in Heller und Pfennig auszahlt. Zu-
dem gilt die Börse auch als Brexit-Ge-
winner. „Sie hat sich gut in Position ge-
bracht als europäischer Spieler, der im
Falle eines harten Brexits das bisher
überwiegend in London stattfindende
Euro-Clearing in der EU übernehmen
könnte“, sagt Pfänder.
Der jüngste Kursanstieg der Aktie
habe sie in Bewertungsregionen ge-
führt, die der Analyst für angemessen
hält. Weiteres Kurspotential sieht er da-
her nicht. Andere sehen noch Chancen.
Dieter Hein von Fairesearch zum Bei-
spiel rät weiter klar zum Kauf der Ak-
tie: „Alle Treiber sind intakt, die Bör-
sen fahren Monopolgewinne ein.“ Die-
se starke Marktstellung in ihren jeweili-
gen Heimatmärkten mache alle Börsen-
aktien attraktiv.
Die Londoner Börse LSE hat zuletzt
mit einer Großübernahme auf sich auf-
merksam gemacht und will für 27 Milli-
arden Dollar den britischen Finanzda-
tenanbieter Refinitiv/Thomson Reuters
vom Finanzinvestor Blackstone über-
nehmen. Die Deutsche Börse wollte
auch gerne etwas im Datengeschäft ma-
chen. Und ihr wurde auch immer wieder
Interesse an der Refinitiv-Tochtergesell-
schaft FX All nachgesagt. Doch nun
geht sie vorerst leer aus. „Ich sehe die
Deutsche Börse nicht unter Zugzwang
und bin mir auch nicht sicher, ob die
LSE mit der Refinitiv-Übernahme wirk-
lich glücklich wird“, sagt Hein. „Wenn
ein großer Finanzinvestor verkauft, ist
das Potential vielleicht doch nicht so
groß wie gedacht.“
Analyst Pfänder hegt auch nicht die
Erwartung, dass die Deutsche Börse
solch eine teure, transformatorische
Übernahme plant. „In der Größenord-
nung 1 bis 3 Milliarden Euro wird die
Börse vielleicht aktiv, also in einer ope-
rativ relativ leicht machbaren Größe“,
sagt Pfänder. „Von diesen großen Deals,
bei denen die Wettbewerbsbehörden
sich ein Jahr drüber beugen und sie
dann doch untersagen, hat die Deutsche
Börse genug versucht.“
Theodor Weimer hatte zu Beginn sei-
ner Zeit als Vorstandsvorsitzender An-
fang 2018 angekündigt, Hausmannskost
zu liefern. Den Angriff auf die Weltspit-
ze, den noch sein Vorgänger Carsten
Kengeter ausrief, hat er sich nicht laut
als Ziel gesetzt. Das wäre auch ohne
Großübernahme gar nicht möglich. Die
amerikanische CME ist weit enteilt.
Doch die Börsen-Aktionäre können
damit bisher sehr gut leben. Im Dax no-
tiert sonst nur die Beiersdorf-Aktie auf
Rekordhoch. Weimer hat ein paar kleine-
re Übernahmen getätigt, Kooperationen
geschlossen und mit Stichworten wie
Cloud und Blockchain den Eindruck er-
weckt, auch Zukunftsthemen für die Bör-
se im Blick zu haben. Die Anleger neh-
men ihm das ab. Und als vergangene Wo-
che die Staatsanwaltschaft Köln in Esch-
born anrückte, um wegen Cum-Ex-Ver-
strickungen von Mitarbeitern der Börse
zu ermitteln, da vertrauten die Märkte
auch auf die Zusage, dass die Börse keine
Rückstellungen für mögliche Rechtsrisi-
ken bilden müsse. Von einer solchen
Welt können Deutsche-Bank-Aktionäre
nur träumen. DANIEL MOHR
mho.FRANKFURT, 3. September. Als
vor gut einem Jahrzehnt die Finanzkrise
ausbrach, handelten die Regulatoren
rasch. In Windeseile wurden institutionel-
len Investoren wie Versicherern Vorschrif-
ten auferlegt, die die Risiken ihrer Vermö-
gensanlagen begrenzen sollten. Je risiko-
reicher ein Vermögenswert, desto mehr
Eigenkapital sei dafür bereitzuhalten.
Das Prinzip leuchtet ein, allerdings gin-
gen die Regulatoren bisweilen recht un-
scharf vor. So machten sie etwa das Anle-
gen in forderungsbesicherten Wertpapie-
ren (ABS) unattraktiv, obwohl europäi-
sche ABS bis heute nur sehr wenige Forde-
rungsausfälle zu verzeichnen haben. Seit
Jahren arbeitet man nun an einer neuen
Regulierung, die den blockierten Verbrie-
fungsmarkt wieder beleben soll.
Demgegenüber wurde das Investieren
in Staatsanleihen sehr günstig ausgestal-
tet, und das schuf ebenso schnell Proble-
me. Denn neue Staatsanleihen bringen
mittlerweile zum großen Teil keine Rendi-
te mehr, der Großteil der existierenden
Anleihen weist negative Renditen auf. Da-
gegen drückt die teure Eigenkapitalunter-
legung die eigentlichen Renditen etwa
von Immobilien- oder Infrastrukturinvest-
ments deutlich. Das Erwirtschaften von
Erträgen für Kunden und Konzerne ist zu
einer echten Herausforderung geworden.
Das führte dazu, dass eine neue Dienst-
leistungsindustrie entstanden ist. „Wenn
man es so ausdrücken will, sind wir die
Verpackungsindustrie für institutionelle
Investoren“, sagt Lahcen Knapp, Vor-
standsvorsitzender des Investmentmana-
gers Empira. Das Unternehmen ist darauf
spezialisiert, für große Investoren Investi-
tionshüllen für Immobilien maßzuschnei-
dern. „Die Regulatorik ist mit so vielen
unterschiedlichen Aufsichtsbehörden
und Aufsichtsregimen so feingliedrig ge-
worden, dass es schier unmöglich ist,
noch mit Standardprodukten zu arbei-
ten“, sagt Knapp.
Und so macht Empira aus Immobilien-
investments, je nachdem, was gebraucht
wird, vorwiegend Anleihen, oft im Nach-
rang, sogenannte Mezzanine-Produkte.
Schuldverschreibungen zählen nicht zur
Immobilienquote und müssen mit weni-
ger Eigenkapital unterlegt werden. Diese
böten auch einen weiteren Vorteil, denn
sie seien liquider als direkte Immobilien-
investments und hätten planbarere Mittel-
flüsse, sagt Knapp, der das Vorgehen so
erklärt: „Wir agieren ähnlich wie eine
Bank, indem wir das Kapital der Kunden
entweder als Kredite oder als eigenkapi-
talähnliche Beteiligung an Zweckgesell-
schaften ausreichen.“
Knapp sieht auch weder ein Problem
noch eine Gefahr in diesem Umweg zum
Immobilieninvestment. „Versicherer ha-
ben schon immer in Immobilien inves-
tiert. Die Regulierung hat sie nur zuletzt
ausgebremst, so dass ihre Immobilienquo-
te mit durchschnittlich 6 Prozent eher ge-
ring ist.“ Auch die Illiquidität sei keine
Schwierigkeit. „Viele Versorgungswerke
sind immer noch jung, so dass noch auf
Jahrzehnte die Einzahlungen größer sein
werden als die Auszahlungen. Manche
müssen jeden Monat Milliarden aus Erträ-
gen und Prämien anlegen.“ Das treffe
noch mehr auf die Versorgungswerke zu,
deren Immobilienquoten höher seien.
Manche von diesen hätten noch gar keine
Leistungsbezieher.
Aber es sind nicht nur Immobilien-
investments, die passend verpackt wer-
den. Gleiches gilt auch für Infrastrukturin-
vestitionen. Das ist das Hauptgeschäfts-
feld der Hansa Invest Real Assets, die
zum Signal-Iduna-Konzern und damit
selbst zu einem Versicherer gehört. Die
Vorschriften zur Eigenkapitalunterle-
gung seien ein Treiber des Geschäfts, sagt
Christoph von Geldern, Leiter des Portfo-
lio-Managements für diesen Bereich.
Ihren Ursprung nahm die Abteilung
einmal in Direktinvestitionen des Kon-
zerns in erneuerbare Energien. „Doch es
ist viel Kapital unterwegs in diesem Be-
reich“, sagt von Geldern. „Das hat zu stei-
genden Preisen geführt, die für eine kon-
servative Strategie einfach zu hoch sind.“
Um zwei bis zweieinhalb Prozentpunkte
seien die Renditen gegenüber 2014 gefal-
len. „Wir wollen aber keineswegs den
Weg gehen, dass wir unsere Annahmen
etwa über Strompreise und Nutzungsdau-
er überdehnen. Es sind immer noch unter-
nehmerische Beteiligungen mit entspre-
chenden Risiken.“
Also tritt man bei den Projekten als
Co-Finanzierer im Nachrang auf. „Dabei
sehen wir uns die Projekte genau an, defi-
nieren unseren Beleihungswert, versu-
chen, die Mittelflüsse zu verstehen, und
verlassen uns dabei auch nicht ausschließ-
lich auf Gutachten von Dritten, sondern
machen unsere eigenen Analysen.“ Für
den Projektentwickler sei das von Vorteil.
Nach Steuern erhalte er die gleiche Liqui-
dität, müsse aber dafür nicht verkaufen.
„Nach Auslaufen der Finanzierung, in der
Regel nach 18 Jahren, ist er entschuldet
und behält die Chance, mit dem Projekt
weiter Gewinn zu erzielen, etwa im Zuge
des Repowerings eines Windparks.“ Das
stabilisiere auch die Unternehmen. Als Fi-
nanzierer bemühe man sich zudem, diese
nachhaltig zu begleiten, etwa durch einen
gemeinsamen Beirat. 125 Millionen Euro
an Mezzanine-Kapital habe man in drei
Fonds bisher begeben, ein vierter Fonds
sei in Vorbereitung, der fünfte geplant. 50
Millionen Euro seien auf diese Weise der-
zeit unterwegs. „Da gibt es noch viel Po-
tential im Markt. Wir stehen da im Grun-
de noch am Anfang, wobei die Attraktivi-
tät natürlich auch von der aktuellen Zins-
landschaft abhängt.“
Aktie im Blick:Deutsche Börse
Was Analysten meinen
Analysehaus Empfehlung Kursziel
Day by Day Kaufen 141,37
Bankhaus Metzler Verkaufen 118
Fairesearch Hinzufügen 145
Exane BNP Paribas Unterdurchschnittl. 112
RBC Capital Markets Durchschnittlich 129
Berenberg Halten 137
Kepler Cheuvreux Halten 138
Commerzbank Halten 120
Deutsche Bank Kaufen 133
Quelle Bloomberg
Schwungvoll in den Euro-Stoxx-50
mfe.FRANKFURT, 3. September. Zah-
lungsdienstleister aus Europa wollen ein
Gegengewicht zu mächtigen internationa-
len Konkurrenten wieApple Payoder
Google Paybilden und schließen sich da-
her zur European Mobile Payment Sys-
tems Association (EMPSA) zusammen.
Die Initiative soll laut einer Pressemittei-
lung die Akzeptanz des mobilen Bezah-
lens in Europa erhöhen. Damit gemeint
sind vor allem Zahlungen per Smartphone
an Ladenkassen oder in Restaurants.
Teil der neuen Initiative sind mobile
Zahlungssysteme, die bisher weitgehend
getrennt in den neun Ländern Belgien,
Dänemark, Deutschland, Finnland, Nor-
wegen, Österreich, Portugal, Schweden
und der Schweiz eingesetzt wurden. So ist
in Deutschland der Standard des Wiener
Unternehmens Blue Code im Angebot.
Die Finanzaufsicht und die Zentralban-
ken haben die europäische Finanzbran-
che aufgefordert, der Dominanz interna-
tionaler Internetkonzerne auf dem Feld
des mobilen Zahlens ein eigenes Konzept
entgegenzusetzen. Die Initiative schreibt
sich daher recht martialisch auf die Fah-
ne, dem Aufruf zu folgen, verlorenes Ter-
rain im europäischen Zahlungsraum zu-
rückzugewinnen, steht aber noch ganz am
Anfang. „Ab Oktober können weitere
Händler und Banken beitreten“, sagt
Christian Pirkner, Chef von Blue Code.
Laut EMPSA deckt das neue Netzwerk
einen Markt mit 25 Millionen Smart-
phonenutzern, einer Million Händlern
und Gastronomen sowie 359 teilnehmen-
den Banken ab. So machen bei Blue Code
unter anderem zahlreiche Sparkassen so-
wie Galeria Kaufhof mit. Das sind promi-
nente Marken, doch muss das EMPSA-
Netzwerk darüber hinaus deutlich mehr
Händler von der Teilnahme überzeugen,
um die für ein Bezahlsystem nötige kriti-
sche Masse zu gewinnen. Händler und Re-
staurants werden ihre Kassensysteme nur
dann an neue Standards anpassen, wenn
sie sich mehr Umsatz versprechen. Der in
Deutschland und Österreich angebotene
Blue-Code-Standard funktioniert auch
für Nutzer des chinesischen Bezahlriesen
Alipay. „Daher könnte das neue Angebot
vor allem für Händler interessant sein,
die viel Kundschaft aus China haben“,
sagt der Payment-Fachmann Rudolf Lin-
senbarth. „Alipay kann unseren Standard
nutzen, erhält aber keine Daten von uns“,
sagt Blue-Code-Chef Pirkner.
Der Verbreitung helfen könnte, dass
Bankkunden die Smartphone-App des
Dienstleisters auch nutzen können, wenn
ihre Hausbanken nicht, wie viele Sparkas-
sen, direkt angeschlossen sind. Die kos-
tenlose App läuft auf Android-Geräten so-
wie auf iPhones. Apple hat die wichtige
NFC-Schnittstelle seiner Smartphones
zwar für fremde Anbieter gesperrt, um sei-
nem eigenen Bezahldienst Apple Pay ei-
nen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Unabhängig davon können iPhone-Nut-
zer trotzdem mit dem EMPSA-Standard
zahlen, weil das Netzwerk sogenannte op-
tische Verfahren nutzt, bei denen etwa
ein Strichcode oder QR-Code auf dem
Bildschirm des Smartphones angezeigt
wird, der sich an den Ladenkassen elek-
tronisch einlesen lässt.
Aktuell dominieren internationale In-
ternetkonzerne das Geschäftsfeld mit
dem mobilen Bezahlen. Deutsche Ban-
ken sind dabei bisher über Feldversuche
und regional begrenzte Kooperationen
nicht weit hinausgekommen. Daran
konnte auch die gemeinsame Bezahllö-
sung Paydirekt der deutschen Banken
und Sparkassen nichts ändern, die vor-
wiegend auf das Online-Zahlen abzielte.
Der jetzt angekündigte Zusammen-
schluss europäischer Dienstleister ist
eine Kampfansage nicht nur an die ameri-
kanische Konkurrenz aus dem Silicon
Valley, sondern auch an die großen Kre-
ditkartenanbieterMastercardundVisa.
Denn das EMPSA-Netzwerk will Zahlun-
gen direkt vom Girokonto bei der Haus-
bank des Nutzers abbuchen.
Deutsche Börse
Wochenschlusskurse Xetra
3.9.: Tagesverlauf
ISIN DE0005810055
100
108
116
124
132
140
28.12.2018 3.9.2019
KGV12/20191)
137,65/102,40
26,068 23,0
1) KGV: Kurs-Gewinn-Verhältnis (IBES-Konsens-Schätzung).
Quelle: Thomson Reuters F.A.Z.-Grafik Heß
Höchst-/Tiefststand 52 Wochen, €
Börsenwert Mrd. €
in Euro
Kampfansage an Apple, Google, Mastercard & Co.
Neu gegründete europäische Initiative will Bezahlen per Smartphone erleichtern / Buchung direkt über Girokonto
nks.NEW YORK, 3. September. Nach
der jüngsten Zitterpartie an der Wall
Street stehen die Börsianer am Anfang ei-
ner traditionell schwachen Marktphase.
Der September ist für den breit gefassten
Aktienindex S&P 500 historisch der
schwächste Monat. Nach Angaben des In-
formationsanbieters Dow Jones Market
Data beliefen sich die durchschnittlichen
Kursverluste des Marktbarometers im
September auf knapp 1 Prozent. Am
Dienstag, dem ersten Handelstag nach
dem langen Labor-Day-Wochenende, er-
öffneten die amerikanischen Aktienmärk-
te umgehend mit Verlusten. Im Mittel-
punkt stand abermals der Handelskon-
flikt mit China. Am Wochenende waren
weitere amerikanische Strafzölle in Kraft
getreten. Zudem reichte China wegen die-
ser Zölle eine Beschwerde gegen die Welt-
handelsorganisation WTO ein. Der S&P
500 fiel im frühen Handel um rund 1 Pro-
zent.
Schon während der traditionellen
Wall-Street-Sommerpause im August wa-
ren die Börsianer durchgeschüttelt wor-
den. Die Sorgen um eine Eskalation des
Konflikts mit China hatten mehrfach für
extrem starke Tagesverluste von rund 3
Prozent gesorgt. Insgesamt hatte sich der
Markt nach Kurserholungen in der letz-
ten Augustwoche mit einem Minus von
nur knapp 2 Prozent auf Monatssicht aber
vergleichsweise gut behauptet. „Es gibt
immer noch Gelegenheiten bei Aktien“,
meint Kathy Fisher, die beim Wertpapier-
haus Alliance Bernstein die Anlagestrate-
gien für Privatkunden verantwortet. Fi-
sher führt das weiter robuste Wirtschafts-
wachstum der Vereinigten Staaten als
Stützungsfaktor für den Aktienmarkt an.
Alliance Bernstein empfiehlt Privatanle-
gern, an der langfristigen Aufteilung ih-
rer Vermögensanlagen festzuhalten und
angesichts der jüngsten Schwankungen
nicht in Panik zu geraten.
Die zukünftige Entwicklung der ameri-
kanischen Finanzmärkte wird auch im-
mer mehr für ausländische Anleger rele-
vant. Nach aktuellen Angaben des Finanz-
ministeriums haben diese im Juni so viel
amerikanische Aktien und Anleihen ge-
kauft wie seit August 2018 nicht mehr.
Insgesamt kauften die Investoren Wertpa-
piere im Wert von 64 Milliarden Dollar.
Die Käufe folgten auf eine schwache Kurs-
entwicklung im Mai, als der S&P 500 um
fast 7 Prozent gefallen war. Fachleute
glauben daher, dass das Interesse auslän-
discher Anleger trotz der latenten Unsi-
cherheit anhalten wird. Der Grund: Die
Vereinigten Staaten gelten als sicherer Ha-
fen, bieten vergleichsweise höhere Rendi-
ten und möglicherweise auch zusätzliche
Kursgewinne. Der S&P 500 liegt trotz der
jüngsten Rückschläge in diesem Jahr im-
mer noch fast 17 Prozent im Plus. Die An-
leiherenditen sind zwar gefallen, bieten
aber im Vergleich zu den internationalen
Märkten höhere Zinserträge. „Wir haben
flächendeckend negative Zinssätze, was
es so noch nie gegeben hat. Aber die Verei-
nigten Staaten schlagen sich viel besser
als andere Regionen“, sagte Yoram Lus-
tig, der für die amerikanische Fondsgesell-
schaft T. Rowe Price Anlagen in Europa,
dem Nahen Osten, Afrika und Lateiname-
rika verantwortet. Die Rendite zehnjähri-
ger amerikanischer Staatsanleihen, die
sich wie bei allen festverzinslichen Wert-
papieren gegensätzlich zum Kurs entwi-
ckelt, lag zuletzt knapp unter 1,5 Prozent.
Vor einem Jahr hatten die Papiere noch
mit rund 3 Prozent rentiert.
Der S&P 500 hat das globale Marktba-
rometer MSCI All Country Index nach Be-
rechnungen des großen Vermögensver-
walters Blackrock seit 2010 um durch-
schnittlich 0,7 Prozentpunkte je Monat ge-
schlagen. Diese überdurchschnittliche
Wertentwicklung macht allerdings Ana-
lysten Sorgen, die den amerikanischen
Aktienmarkt nach einer mehr als zehn
Jahre währenden Hausse für hoch bewer-
tet halten. Mit einem Kurs-Gewinn-Ver-
hältnis (KGV) von aktuell 16,6 auf Basis
der für die kommenden zwölf Monate er-
warteten Gewinne liegt der S&P 500 so-
wohl knapp über dem historischen Fünf-
jahresdurchschnitt von 16,5 als auch deut-
lich über dem Zehnjahresmittel von 14,8,
berichtet der Informationsdienst Factset.
Die Gewinne amerikanischer Unterneh-
men waren im zweiten Quartal nach Be-
rechnungen von Factset gegenüber dem
Vorjahr um 0,4 Prozent geschrumpft –
schon das zweite Quartal in Folge. Für
das dritte Quartal haben Analysten ihre
Prognosen zuletzt überdurchschnittlich
stark zurückgeschraubt. Derzeit kalkulie-
ren die Auguren im Durchschnitt mit um
3,5 Prozent nachlassenden Gewinnen.
Für die weitere Entwicklung des Aktien-
markts könnte das relevant werden, weil
Unternehmensgewinne langfristig die
wichtigste Rolle für den Trend der Aktien-
kurse spielen. Für das gesamte Kalender-
jahr 2019 prognostizieren Analysten aber
immer noch einen leichten Anstieg der
Unternehmensgewinne um 1,5 Prozent.
Für 2020 erwarten sie eine deutliche Er-
holung von fast 11 Prozent.
Ob sich diese Prognosen erfüllen, dürf-
te stark davon abhängen, ob die Vereinig-
ten Staaten den Handelsstreit mit China
beilegen, meinen Analysten. „Ich bezweif-
le, dass die Regierung in den kommenden
vier bis sechs Wochen eine bedeutende
Abmachung oder selbst einen mehrjähri-
gen Waffenstillstand im Handelsstreit er-
zielen wird“, sagte Barry Bannister, Lei-
ter der internationalen Anlagestrategie
bei der Investmentbank Stifel Financial,
dem „Wall Street Journal“. Es gehe Präsi-
dent Trump darum „zu gewinnen“. Des-
wegen rechnet Bannister mit anhaltend
starkem Druck auf China.
pik.FRANKFURT, 3. September. Die
hohen Versicherungsschäden der ver-
gangenen zwei Jahre haben die schwieri-
ge Situation der Rückversicherer leicht
entschärft. Schon in den Vertragserneue-
rungen im Januar, April und Juli konn-
ten sie zum Teil erhebliche Preissteige-
rungen für Rückversicherungsschutz
durchsetzen. Mit Steigerungen von
durchschnittlich 5 Prozent in den anste-
henden Verhandlungen dürfte sich das
weiter fortsetzen, erwartet Johannes
Bender, Rückversicherungsanalyst der
Ratingagentur Standard & Poor’s. „Wir
sehen Verbesserungen, aber der Sektor
ist auch Gegenwind ausgesetzt“, sagte er
im traditionellen Pressegespräch vor
dem jährlichen Rückversicherungstref-
fen in Monte Carlo am kommenden Wo-
chenende.
Die 20 größten Rückversicherer – an
der Spitze die Munich Re, die Swiss Re
und die Hannover Rück – zeichne eine
robuste Kapitalisierung aus. Ihr Risiko-
management sei professionell, und sie
zeichneten Versicherungsrisiken sehr
vernünftig. Herausfordernd sei weiter-
hin die Konkurrenz durch alternative Ka-
pitalgeber, die häufig Risikoschutz über
verbriefte Rückversicherungsverträge
anböten (Collateralized Reinsurance).
Auf diesem Markt hätten Investoren al-
lerdings in den vergangenen zweiein-
halb Jahren durch Großschäden wie die
Hurrikans Irma, Maria und Harvey, den
Taifun Jebi in Kapan oder die Wildfeuer
in Kalifornien zu spüren bekommen,
dass Renditen von 7 Prozent und mehr
keine Selbstverständlichkeit sind. In den
vergangenen Jahren erlitten sie durch-
schnittlich Verluste von 5,6 und 3,9 Pro-
zent. Auch in diesem Jahr zeichnet sich
bislang eine negative Rendite ab.
Diese Erfahrungen bringen aber auch
mit sich, dass der Rückversicherungs-
schutz teurer wird und die Branche profi-
tabler wirtschaften kann. Je nach Risiko
konnten die Rückversicherer zum Teil
zwischen 25 und 35 Prozent Preissteige-
rungen erzielen. Naturkatastrophen in
Florida zählen dazu. Dort droht auch
jetzt wieder der Hurrikan Dorian starke
Schäden zu hinterlassen. Doch einen
Markt, der sich einheitlich „verhärtet“
(also verteuert), gibt es wegen des vie-
len Kapitals, das in die Branche geflos-
sen ist, heute nicht mehr. „Wir sehen
weiterhin eine Abkopplung vom globa-
len Preistrend und eine Regionalisie-
rung der Märkte“, sagt Bender. Wenn
für Rückversicherungsrisiken in Florida
durch die großen Naturkatastrophen-
schäden höhere Preise anfielen, habe
das heute kaum mehr Auswirkungen auf
den Markt und den früher klarer zu er-
kennenden Preiszyklus. So fallen in Eu-
ropa die Prämienraten seit dem Jahr
2003 nahezu kontinuierlich.
Für Aktionäre der Branche bleiben
die Zeiten vorerst erfreulich. In den bei-
den vergangenen Jahren schütteten die
20 größten Rückversicherer über Aktien-
rückkäufe und Dividenden jeweils 9 Mil-
liarden Dollar aus. Die Ertragskraft ver-
bessere sich. Zwar liege die durchschnitt-
liche Rendite in der Kapitalanlage wei-
terhin bei niedrigen 2,7 Prozent. Doch
Investoren und Unternehmen seien sich
einig, dass es keinen Sinn ergebe, durch
höhere Aktienengagements das Risiko
auf der Kapitalanlageseite zu vergrö-
ßern. Der Wettbewerb ist zeitweise et-
was schwächer geworden. Stieg das Ka-
pital innerhalb der vergangenen zehn
Jahre kontinuierlich an, was die Preise
drückte, ist im Jahr 2018 erstmals tradi-
tionelles Kapital aus dem Markt heraus-
geflossen und Anfang dieses Jahres
auch erstmals alternatives Kapital. Vie-
le Unternehmen setzen weiterhin auf
Übernahmen und Fusionen, um die eige-
ne Position im Markt zu stärken.
Verpackungen für Immobilien und Infrastruktur
Aus illiquiden Investments werden Anleihen / Regulierung zwingt institutionelle Anleger zum Ausweichen
Wall Street zittert vor einem schwachen September
Die Wall Street:Hoffnungsvoll geht der Blick schon auf das kommende Jahr. Foto AP
Hurrikan Dorian treibt
Preise der Rückversicherer
Allmählich machen sich hohe Schäden bemerkbar
Ausländische Investoren
haben zuletzt in großem Stil
amerikanische Wertpapiere
gekauft. Ob sich das auszahlt,
hängt vom Handelskonflikt ab.