Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.09.2019

(Ron) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Politik MITTWOCH, 4. SEPTEMBER 2019·NR. 205·SEITE 3


Glück


auf!


S


eit Anfang Juni ist die Sozialdemokratie mal wieder auf
der Suche nach einer neuen Führung. Nur etwas mehr
als ein Jahr zuvor hatte die älteste deutsche Partei mit
der katholischen Sozialpolitikerin Andrea Nahles zum ersten
Mal eine Frau an ihre Spitze gewählt. Nahles war auf Martin
Schulz gefolgt, der auf Sigmar Gabriel gefolgt war, der
wiederum Nachfolger von Franz Müntefering gewesen war.
Nahles, die auch die SPD-Fraktion geführt hatte, war nach
monatelangem Kampf, umzingelt von Missgunst und schlech-
ten Wahlergebnissen, gegangen. In der Partei standen Nach-
folgerinnen oder Nachfolger nicht bereit. Stattdessen wurde
ein langes Auswahlverfahren erdacht, das nach
zehnwöchiger Nominierungsphase nun in die regionale
Bewerbungsphase übergeht.
Dazu reisen die insgesamt 17 Bewerber, 8 Frauen und 9 Män-
ner, bis zum 12. Oktober kreuz und quer durch Deutschland,
um sich bei 23 Regionaltreffen den Mitgliedern zu stellen.
Die Sache hat etwas von Speeddating, denn die Paare haben
jeweils fünf Minuten Vorstellungszeit, dann dürfen sie auf
Fragen eines Moderators oder einer Moderatorin jeweils 60
Sekunden lang antworten, danach auf Mitgliederfragen wie-
derum je 60 Sekunden. Am Ende der Reise werden zwischen
dem 14. und 25. Oktober die etwa 430 000 Mitglieder dar-
über abstimmen dürfen, wer es werden soll. Sollte eine Stich-
wahl nötig sein, würde sie im November stattfinden. Endgül-
tig gewählt werden der oder die neuen Parteivorsitzenden
beim Bundesparteitag Anfang Dezember. Die Rundreise be-
ginnt an diesem Mittwoch in Saarbrücken, mehr als 300 Ge-
nossinnen und Genossen haben sich angemeldet.
Das Rennen ist eröffnet! (pca./moja.)

Der bayerische SPD-Bundestagsabge-
ordnete Karl-Heinz Brunner bewirbt
sich ohne Partnerin an seiner Seite um
den SPD-Vorsitz. Auch deswegen dürf-
te der 66 Jahre alte Vater von zwei er-
wachsenen Kindern keine großen
Chancen haben. Seine Kandidatur, die
sich um den Begriff „Sicherheit“ dreht,

soll auch eher Signalcharakter haben.
Brunner gehört zu den Befürwortern
der großen Koalition, er ist Mitglied
des konservativen „Seeheimer Krei-
ses“, er will, dass „die ganze Vielfalt
der Partei widergespiegelt wird“, und
zeigen, dass nicht alle Leute in der
SPD das Heil in der Flucht nach links
sehen. In seiner Person deckt Brunner
selbst eine ziemliche Spannbreite ab.
Er ist Mitglied im Verteidigungsaus-
schuss, engagiert sich im Reservisten-
verband und der Vollversammlung des
Sudetendeutschen Rates, außerdem ist
er Sprecher seiner Fraktion für die Be-
lange von Lesben und Schwulen. In sei-
ner schwäbischen Heimat, wo der ge-
bürtige Münchner mehr als zehn Jahre
Erster Bürgermeister von Illertissen
war, wird seine Kandidatur nicht über-
mäßig ernst genommen, aber doch
überwiegend goutiert – auch, weil auf
diese Weise ein nicht nur von der deut-
schen Sozialdemokratie unterschätz-
ter Landstrich in den Fokus gerückt
wird. (tifr.)

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Bildzeile

Auf dem Weg zur ersten Kandidaten-
runde in Saarbrücken will Norbert Wal-
ter-Borjans am Mittwoch noch schnell
für ein paar Pressestatements in Bonn
Zwischenstation machen. Dort beginnt
am Morgen nach jahrelangen Ermittlun-
gen der erste Cum-Ex-Strafprozess. Mit
einem schwer durchschaubaren Hüt-
chenspiel aus Leerverkäufen und Steu-
ererstattungen haben Börsenhändler
und Banken den Fiskus um enorme
Summen geprellt. Als nordrhein-westfä-
lischer Finanzminister war Walter-Bor-
jans einer der ersten Politiker in
Deutschland, der aktiv gegen solche Ma-
chenschaften vorging. Der Kampf ge-
gen Steuerhinterziehung jedweder Art
war und ist sein Markenzeichen. Als die
rot-grüne Landesregierung im Mai
2017 abgewählt wurde, schrieb sich
Walter-Borjans ein Buch über Steuerge-
rechtigkeit von der Seele. Es war auch
ein Signal an die eigene Partei: Es gibt
sie noch, die echten sozialdemokrati-
schen Botschaften.
Im Ringen um die SPD-Spitze tritt
der 66 Jahre alte Rheinländer mit Sas-
kia Esken aus Baden-Württemberg an.
Die 58 Jahre alte Informatikerin gehört
seit 2013 dem Bundestag an und befasst
sich vor allem mit Fragen der Digitali-
sierung, einem Thema, das die SPD bis-
her eher zögerlich beackert. Walter-Bor-
jans wiederum verfügt über breite, lang-
jährige Erfahrung in Politik und Verwal-
tung. Insgesamt 14 Jahre lang arbeitete
er in verschiedenen Funktionen für Mi-
nisterpräsident Johannes Rau. Später
war der promovierte Volkswirt in Saar-
brücken, dann wieder in Düsseldorf
Wirtschaftsstaatssekretär und von 2006
an Wirtschaftsdezernent in Köln. 2010
machte ihn Hannelore Kraft zu ihrem
Finanzminister. Esken/Walter-Borjans
haben im Rennen um die Parteispitze ei-
nen wichtigen Vorteil: Die Jusos unter-
stützen sie. Die große Koalition sieht
das Duo zwar überaus skeptisch. Doch
ein automatisches Groko-Aus ver-
spricht es für den Fall seiner Wahl
nicht. Bilanz zu ziehen und dann über
den Fortbestand des Bündnisses zu be-
finden sei vielmehr, wie vereinbart, Auf-
gabe des SPD-Bundesparteitags Ende
des Jahres, betonen die beiden. (reb.)


Als Petra Köpping im Herbst 2014 Mi-
nisterin für Gleichstellung und Integra-
tion in Sachsen wurde, stand sie auf ein-
mal Pegida gegenüber. Als eine Ursa-
che für Wut und Frust identifizierte sie
die unaufgearbeiteten negativen Fol-
gen der Nachwendezeit. Sie wurden
das Thema ihrer Amtszeit. Köpping
kam 1958 in Nordhausen in Thüringen
zur Welt und wuchs im sächsischen
Grimma auf. Sie studierte in der DDR
Staats- und Rechtswissenschaften und
wurde Bürgermeisterin in der Gemein-
de Großpösna bei Leipzig, trat aber im
Juni 1989 aus Protest aus der SED aus.
Nach der friedlichen Revolution fing
sie im Außendienst einer Krankenkas-
se noch mal von vorn an, wurde Mitte
der neunziger Jahre abermals zur Bür-
germeisterin in Großpösna und später
zur Landrätin im Leipziger Land ge-
wählt. Dort erlebte sie die Abwicklung
der Industrie und die folgende Abwan-
derung hautnah mit. 2002 trat sie in
die SPD ein, seit 2009 ist sie Abgeord-
nete im Sächsischen Landtag. Köpping
ist zum zweiten Mal verheiratet und
hat aus einer früheren Ehe drei Kinder.
Boris Pistorius gründet seinen beruf-
lichen Erfolg auf Härte und Durchset-
zungskraft. Bekannt ist er in seiner Hei-
mat Niedersachsen und bundespoli-
tisch zumindest in den Fachkreisen als
robuster Innenminister und Verfechter
einer starken Polizei. Zuvor sammelte
er als Oberbürgermeister von Osna-
brück kommunalpolitische Erfahrun-
gen. Als erster Innenminister hat Pisto-
rius vor einiger Zeit zwei in Deutsch-
land geborene islamistische Gefähr-
der, denen schwere Straftaten zuge-
traut wurden, in das Land ihrer Pass-
Identität abgeschoben. Beim Umgang
mit Asylbewerbern wirbt Pistorius
stets für faire Chancen, aber auch für
eine konsequente Durchsetzung des
Rechts. Dass der gebürtige Osnabrü-
cker aus einer SPD-Familie auch seine
weichen Seiten hat, davon kann man
sich im persönlichen Umgang überzeu-
gen, ebenso von seinen sozialpoliti-
schen Auffassungen, mit denen er in
seiner Partei seit dem 16. Lebensjahr
zu Hause ist. (lock./pca.)


Simone Lange und Alexander Ahrens
sind erfolgreiche Kommunalpolitiker.
Sie ist Oberbürgermeisterin von Flens-
burg in Schleswig-Holstein, er von
Bautzen in Sachsen. Insofern erfüllen
beide das, was nun allenthalben von
SPD-Politikern erwartet wird: dass sie
Kontakt zu den Bürgern haben, auch
dahin gehen, wo es riecht und stinkt.
Die SPD sieht sich in der Theorie ger-
ne als Verein aus Kameraden, gefällt
sich in der Praxis aber als intellektuel-
le Programmpartei. Insofern können
Kommunalpolitiker die SPD-Führung
nur bereichern. Lange hatte schon
mal versucht, Parteivorsitzende zu
werden, 2018 trat sie gegen Andrea
Nahles an. Damals erreichte Lange be-
merkenswerte 28 Prozent, was aller-
dings weniger an ihrer inhaltlich eher
schwachen Rede lag als an der Antipa-
thie vieler Genossen gegenüber Nah-
les. Lange, 42 Jahre alt und früher Kri-
minalpolizistin, schaffte es nicht, die
Gegner der großen Koalition zu mobi-
lisieren wie etwa der Juso-Vorsitzende
Kevin Kühnert. Ob ihr ein Lucky
Punch wie gegen Nahles gelingt, dürf-
te fraglich sein.
Ihr Kandidaten-Partner Ahrens ist
bisher überregional kaum in Erschei-
nung getreten, kann aber umso selbst-
bewusster das Kommunale in der Par-
tei vertreten und steht nicht im Ver-
dacht, schon immer im Willy-Brandt-
Haus in Berlin mitgemischt zu haben.
Ahrens, 53 Jahre alt, Jurist und Sinolo-
ge, sagt, es müsse nun aus den Kommu-
nen heraus Verantwortung für die
SPD übernommen werden. Entspre-
chend wollen beide die Mitbestim-
mungsrechte der Mitglieder stärken.
In einem gemeinsamen Bewerbungsvi-
deo wies Lange darauf hin, dass die
SPD in den vergangenen 15 Jahren vie-
le Mitglieder verloren habe. „Ich möch-
te gerne diese Menschen um Verzei-
hung bitten“, sagte sie. Ihr Partner Ah-
rens ist selbst eines dieser verlorenge-
gangenen Mitglieder. 2001 trat er aus
der SPD aus, vor zwei Jahren dann wie-
der ein. (moja.)

Der linke Parteiflügel hat sich auf kein
Bewerberteam, das er gemeinsam un-
terstützt, geeinigt, deswegen wird es
links nun etwas eng. Hilde Mattheis
sieht das durchaus als Schwierigkeit,
hat aber als Vorsitzende des „Forum
Demokratische Linke 21“ zumindest
einige institutionelle Unterstützung.
Auch Mattheis hat allerdings einen
Anteil daran, dass die Parteilinke
nicht zusammensteht. Nachdem sie
2014 das Mindestlohngesetz scharf kri-
tisiert hatte, traten einige Mitglieder
aus dem „Forum Demokratische Lin-
ke 21“ aus – auch Andrea Nahles, die
das Gesetz als Arbeitsministerin mit
verantwortet hatte und deren Nachfol-
gerin Mattheis nun werden will. Mat-
theis, 64 Jahre alt und Bundestagsab-
geordnete aus Baden-Württemberg,
formuliert oft prägnant und provoka-
tiv, etwa wenn sie Thilo Sarrazin als
Rassisten bezeichnet.
Dierk Hirschel ist derzeit Chef-
ökonom bei der Dienstleistungsge-
werkschaft Verdi und sitzt im Vor-
stand des „Forums Demokratische Lin-
ke 21“. Er sagt eher solche Sätze: „Ich
habe den Pessimismus des Verstandes
und den Optimismus des Herzens.“
Hirschel, 1970 in Nürnberg geboren,
hat einmal Tischler gelernt, bevor er
über die „Ursache hoher Einkommen“
promoviert wurde. Das Team hat ein
eindeutig linkes Programm: Sie for-
dern flächendeckende Tarifbindung,
eine Anhebung des Mindestlohns auf
mindestens zwölf Euro pro Stunde,
eine generelle Aufwertung sozialer Be-
rufe und großangelegte Konjunktur-
programme. Prekäre Beschäftigung
wollen sie eindämmen. Die Politik, so
meinen sie, brauche grundsätzlich ei-
nen „utopischen Überschuss“. Alles
steht unter der Überschrift „Mehr de-
mokratischer Sozialismus“. Und
schließlich wollen die Kandidaten Mat-
theis und Hirschel raus aus der großen
Koalition. Doch mit dieser Forderung
stehen sie in der linken Ecke wahrlich
nicht allein. (moja.)

Michael Roth und Christina Kamp-
mann haben ihre Kandidatur für den
Parteivorsitz zu einer Zeit bekanntgege-
ben, als die Zahl der bangen Nein-Sa-
ger größer war als die der Bewerberin-
nen und Bewerber. Der Hesse und die
Westfälin gehören zu den etwas jünge-
ren Kandidatenpaaren. Wer sie zusam-
men erlebt, kann sich vorstellen, dass
die beiden sich etwas zu sagen haben
und auch gemeinsam etwas zum Aus-
druck bringen wollen. Die Koalition se-
hen sie skeptisch, das Bündnis sogleich
aufkündigen wollen sie aber nicht. Der
früher ziemlich linke Roth aus dem
sehr linken Hessen-Nord-Gebiet hat in
den vergangenen Monaten als Staatsmi-
nister im Auswärtigen Amt interes-
sante Erfahrungen gemacht, vielleicht
auch jenseits der Tür-zu-Tür-Wahl-
kämpfe und der neuerdings hochge-
schätzten Erfahrungen in Kommunal-
parlamenten. Roth war allerdings in
seiner Laufbahn auch schon Juso-Funk-
tionär, hessischer Generalsekretär und
SPD-Unterbezirksvorsitzender, an Par-
teiaura fehlt es ihm nicht.
Seine Mitstreiterin Christina Kamp-
mann ist 39 Jahre alt und dennoch
schon Ex-Landesministerin. Sie
kommt vom Lande, war schon diplo-
mierte Verwalterin, ehe sie in Wien
noch internationale Studienerfahrun-
gen gesammelt hat. Ihr politischer Wer-
degang hat sie bereits kurz in den Bun-
destag geführt, ehe sie Ministerin für
Familie, Kinder, Jugend, Kultur und
Sport des Landes Nordrhein-Westfa-
len wurde. Kaum hatte man den Na-
men des Ressorts ausgesprochen, war
die SPD-Regierung allerdings bereits
abgewählt worden. Seither sitzt Kamp-
mann im Düsseldorfer Landtag, sie
hat dort ein Direktmandat aus Biele-
feld. Gemeinsam mit Roth will sie
„Herz und Haltung“ für die SPD zei-
gen. Und weil beide früh genug damit
angefangen haben, gibt es von ihnen
auch eine programmatische Schrift zur
Bewerbung. Sie heißt: „Mit uns zieht
die neue Zeit: Vorschläge für eine Re-
form der SPD.“ (pca.)

Die Ermahnung der derzeitigen Partei-
führung, die Abstimmung über den Par-
teivorsitz sei kein Votum über den Fort-
bestand der großen Koalition, ignorie-
ren die Kandidaten Karl Lauterbach
und Nina Scheer mit viel Elan. Bei ih-
nen soll das SPD-Mitglied wissen, was
es bekommt: ein vorzeitiges Ende der
ungeliebten Koalition mit der Union.
Das ist ihr Programm, auch wenn es of-
fiziell den Titel „Sozial, ökologisch,
klar“ trägt. Dabei passt das Profil der
beiden Fachpolitiker im Bundestag
durchaus zum Sozial-Ökologischen.
Lauterbach, 56 Jahre alt, ist Medizi-
ner, studierte in Aachen und Harvard
und machte eine beachtliche wissen-
schaftliche Karriere. Seine Approbati-
on holte er 2010 nach, sie sollte wohl
auch Ausweis einer gewissen Boden-
haftung sein. Lauterbach, der immer
stolz darauf war, gegen den Trend der
SPD seinen nordrhein-westfälischen
Bundestagswahlkreis in Köln/Leverku-
sen direkt gewonnen zu haben, betont
derzeit auffallend oft seine Herkunft
aus einer Arbeiterfamilie, aber das
Image des Fliege tragenden Professors
ist hartnäckig.
Lauterbachs Partnerin Scheer ist ver-
traut mit umwelt- und energiepoliti-
schen Fragen, ihre Themen sind gefrag-
ter denn je. Scheer, gebürtige Berline-
rin, ist 47 Jahre alt und hat ihre politi-
sche Heimat in Schleswig-Holstein ge-
funden, sie ist die Tochter des langjäh-
rigen SPD-Bundestagsabgeordneten
Hermann Scheer, der die Umweltpoli-
tik der Sozialdemokraten maßgeblich
beeinflusst hat.
Lauterbach trommelt seit vielen Jah-
ren öffentlichkeitswirksam für seine
Themen, etwa eine Bürgerversiche-
rung. Zusammen mit Scheer versucht
er nun Antworten zu geben auf die für
die Gesellschaft und die SPD wichtige
Frage, wie das Soziale mit dem Ökolo-
gischen verbunden werden kann. Aus-
gerechnet die Forderung nach einem
vorzeitigen Ende der großen Koalition
wirkt nicht mehr so mutig, weil gleich
mehrere Kandidatenteams es fordern
oder zumindest in Aussicht gestellt ha-
ben. (moja.)

Das größte berufliche Risiko aller Kan-
didaten geht wohl Olaf Scholz ein.
Wenn er nicht gewinnt, wird er viel ver-
lieren. Die erste Hälfte dieses Paares,
Klara Geywitz, hat bereits viel verlo-
ren, denn die Brandenburgerin ist am
vergangenen Sonntag im Rennen um
ein Direktmandat mit wenigen Stim-
men einer Grünen-Kandidatin unterle-
gen. Sie hat die Schwäche der SPD und
den enormen Aufwind für die Grünen
nun also auch ganz persönlich erfah-
ren. Geywitz kann in das Kandidaten-
rennen gleichwohl ihre Erfahrungen
als Kommunal- und Landespolitikerin
einbringen, wo die Politologin und Mut-
ter von drei Kindern fest verwurzelt ist.
Ihr Wahl-Partner Olaf Scholz bringt
als Finanzminister und Vizekanzler
das beträchtliche Gewicht seiner Äm-
ter mit in das Rennen, zudem ist Scholz
stellvertretender Parteivorsitzender.
Doch hier fangen seine Probleme
schon an: Der 61 Jahre alte Scholz, ge-
boren in Hamburg, Jurist, verheiratet
mit einer SPD-Politikerin, gehört seit
vielen Jahren zum Parteiestablish-
ment. In seine Zeit als Generalsekretär
fallen die Arbeitsmarktreformen von
Gerhard Schröder, die Scholz als Ar-
beitsminister von 2007 bis 2009 beglei-
tete.
In Hamburg hat Scholz schon ein-
mal miterlebt, was passiert, wenn die
SPD den Kontakt zur Wirklichkeit ver-
liert und abgewählt wird. Als Parteivor-
sitzender und dann als Erster Bürger-
meister in der Hansestadt zog er später
die Lehren aus der Niederlage. Eine da-
von lautet, dass Regieren besser ist als
Nichtregieren. Unter den Vorsitzkandi-
daten ist Scholz damit in der Minder-
heit. Besonders links ist er auch nicht.
Sein Wissen, seine Erfahrung und sei-
ne Souveränität werden allerdings un-
ter Parteimitgliedern durchaus ge-
schätzt. Und so kam es, dass mit den an-
deren Kandidatinnen und Kandidaten
auch die Zweifel wuchsen, ob einer wie
er nicht doch die bessere Wahl sein
könnte. Gemeinsam mit Klara Gey-
witz bildet Scholz nun das Realo-Paar
unter einigen eher schillernden Kombi-
nationen. (pca.)

Es wäre zu einfach, Ralf Stegner und
Gesine Schwan als Verlierer-Duo abzu-
stempeln. Zwar ist es richtig, dass Steg-
ner in seinen vielen Jahren als schles-
wig-holsteinischer Politiker kaum eine
Wahl gewonnen hat, außer die für Frak-
tions- und Parteivorsitz – ausgerech-
net. Als Spitzenkandidat bei der Land-
tagswahl im Jahr 2009 trug er der SPD
gar ihr schlechtestes Ergebnis ein.
2017, als der sozialdemokratische Mi-
nisterpräsident Albig die Konsequen-
zen aus dem Wahldebakel ziehen muss-
te, blieb Stegner trotz allem im Amt.
Aber Stegner kann durchaus gewin-
nend sein, vor allem im persönlichen
Gespräch ist er gewitzt und witzig.
Steht er auf der Bühne und ist eine Ka-
mera auf ihn gerichtet, wirkt er hinge-
gen oft miesepeterig, insofern ist das
Format der Regionalkonferenzen, wo
Hunderte Augen auf ihn schauen wer-
den, eine Herausforderung. Mit immer
schlechteren Werten, zuletzt 62 Pro-
zent, wurde er zum stellvertretenden
Parteivorsitzenden gewählt. Das liegt
auch daran, dass Stegner, 59 Jahre alt,
schwer zu kontrollieren ist, als Partei-
linker widerspricht er der übrigen Par-
teiführung oft und lautstark. Ähnlich
ist es bei Gesine Schwan, 76 Jahre alt.
Auch sie gehört zum Partei-Establish-
ment, aber auch sie hat sich eine Art
Sonderstatus erarbeitet. Seit fast 40
Jahren ist sie Parteimitglied, lange saß
sie der SPD-Grundwertekommission
vor. Noch nie hat sie bislang ein Partei-
amt angestrebt, nun bewirbt sie sich
gleich für den Vorsitz der ganzen Par-
tei. Zweimal war sie bei dem Versuch
gescheitert, Bundespräsidentin zu wer-
den. Dass sie es nach der ersten Nieder-
lage noch einmal versuchte, zeugt
durchaus von Mut. Die Politikwissen-
schaftlerin hat bewiesen, dass sie Insti-
tutionen und Menschen führen kann.
Mehrere Jahre war sie Präsidentin der
Europa-Universität Viadrina in Frank-
furt (Oder). Zusammen mit ihrem
Mann Peter Eigen ist sie das Gesicht
der „Humboldt-Viadrina Governance
Platform“, eines Diskussionsforums
zum Thema gutes Regieren. (moja.)

Karl-Heinz


Brunner


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Petra Köpping


Boris Pistorius


Norbert Walter-Borjans


Saskia Esken


Alexander Ahrens


Simone Lange


Hilde Mattheis


Dierk Hirschel


Michael Roth


Christina Kampmann


Nina Scheer


Karl Lauterbach


Klara Geywitz


Olaf Scholz


Ralf Stegner


Gesine Schwan

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