Als Teenager der sechziger Jahre sah ich meine Mutter immer in Uniform – zumin-
dest im Haus. Baumwolle oder Nylon, pflegeleicht, kleingeblümt, Knopfleiste
vorn, Arme frei: die Kittelschürze. Für mich war dieses Kleidungsstück damals ein
Symbol für etwas, das ich auf gar keinen Fall sein wollte, nämlich eine züchtige
und angepasste Hausfrau.
Von miriam burG
M
eine Mutter verstand meine Abneigung gegen
dieses unglaublich »praktische« Kleidungsstück
überhaupt nicht. Sie fiel darin auch gar nicht
auf, denn viele Frauen der Nachbarschaft
trugen Kittelschürzen. Aber das ist lange her. Inzwischen
ist die Kittelschürze aus den Küchen und Kuhställen
verschwunden.
Die Geschichte der Schürze
Die Kittelschürze ist eine relativ neue Erfindung, Schürzen
gab es aber schon viel früher. Seit dem 15. Jahrhundert
wurden sogenannte Zierschürzen auch als modisch deko-
ratives Element der Frauenkleidung eingesetzt. In der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kam in Bayern der
Begriff Fürtuch (»Vortuch«) auf, also eine Schürze ohne
Brustteil. Manchmal wird der Begriff noch für Trachten-
schürzen verwendet. Die Schürze gehörte bis ins 19. Jahr-
hundert hinein zur Alltagskleidung einer Bürgerin der
Mittel- und Unterschicht. Landfrauen besaßen in der Regel
eine große Zahl von Schürzen, die sie je nach Tätigkeit
und sozialer Situation wechselten. Der Erste Weltkrieg ließ
die Alltagskleidung der Frau insgesamt einfacher und
zweckmäßiger werden. Auch Damen aus gutem Hause
tauschten Modellkleider gegen Arbeitskluft.
Moderne Managerin im Haus
Als die industrielle Revolution den Haushalt erreichte,
wurde die Hausfrau zur »Haushalts-Managerin« und die
Kittelschürze war die Berufskleidung dieser neuen Ära.
Schnittmusterbögen und Modemagazine trugen die
Kittelschürze zusammen mit dem letzten Schrei aus Paris
während der Zwischenkriegszeit bis auf den fernsten Hof.
Landzauber — 63