Der Stern - 15. August 2019

(Barré) #1
FOTOS: WOLFGANG SCHARDT; STYLING: MARIA GROSSMANN; FOODSTYLING: ROLAND GEISELMANN

O


hne Kaffee kann ich nicht. Ohne
Tee geht’s auch nicht. Beide trinke
ich notwendig und im Wechsel.
Dabei ist es nicht allein das Koffe-
in, was mich am Kaffee reizt, mehr
noch ist es der Duft. Während Tee
so feinaromatisch und elegant ist, dass ich
noch nie auf die Idee gekommen bin, da-
mit zu kochen oder zu backen (Ausnahme:
der Whisky Tea Brack, ein Früchtekuchen,
mit dessen Rezept ich schließe), duftet Kaf-
fee erstens beim Mahlen, zweitens beim
Brühen und drittens in der Tasse. Aroma,
Geschmack und Farbe sind so stark, dass
er sich zu deutlich mehr eignet als zum
Trinken allein.
In den Kochbüchern der Vergangenheit
finde ich nur wenige Zubereitungen mit
Kaffee, und wenn ... oje, oje! Da ist etwa Eli-
sabeth Ayrtons „The Cookery of England“,
das verlangt, Steakfleisch vor dem Braten
über Nacht in „strong coffee“ und Zitro-
nensaft zu mazerieren. Na ja, möchte man
Obelix beipflichten: „Die spinnen, die Bri-
ten“, aber ich vermute, das Rezept ist sehr
alt und stammt aus einer Zeit, als Kaffee
noch Luxus war und man schlichtweg al-
les unter Kaffee setzte, was sich nicht weh-
ren konnte – als Ausdruck schieren Ver-
mögens. Ich habe das Rezept tatsächlich
einmal zubereitet und fand, es hätte in
Mary Shelleys „Frankenstein“ gepasst.

Triumph der Verfahrenstechnik


Dass zumindest bei Süßspeisen heute gern
mit Kaffee gearbeitet wird, hat mit der Er-
findung des Gefriertrocknens zu tun. Sie
ermöglicht den Einsatz von Kaffee ohne
lästigen Grieß zwischen den Zähnen oder
den Schritt, ihn vor dem Einsatz herauszu-
filtern. Heute lassen sich ein, zwei in hei-
ßem Wasser liquidierte Teelöffel löslichen
Kaffees in einen Teig oder eine Butter-
creme einarbeiten. Nichts knirscht zwi-
schen den Zähnen, und trotzdem genießen
Nase und Gaumen schöne Kaffeenoten.
Im Juli auf den Hebriden stieß ich in
einer Galerie auf einen mit Kaffee aroma-
tisierten Kuchen, der nicht allein mir
schmeckte, sondern den die Besucher den
Betreibern geradezu vom Teller rissen. 4

Kaffee-Creme
mit Amarettini-
Bröseln, Hasel-
nüssen und
gebrochenen
Kaffeebohnen

Kaffee duftet, Kaffee schmeckt.
Und in Desserts ist Kaffee ebenfalls groß.
Allerdings erst seit einer Erfindung

Kaffee als Lösung


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GENUSS


Bert Gamerschlag ist der kulinarische Experte des stern

GAMERSCHLAGS KÜCHE

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