Der Stern - 15. August 2019

(Barré) #1
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Was tun, wenn man den Verdacht hegt,
dass jemand ein Testament gefälscht hat?
Erbschleicher legen oft Kopien von vermeint-
lichen Testamenten vor oder fälschen Unter-
schriften. Man sollte die Originale verlangen
und Schriftgutachten anfertigen lassen.
Ist das Fälschen eines Testaments dasselbe
wie Erbschleicherei?
Ein Straftatbestand Erbschleicherei existiert
in Deutschland nicht. Juristisch gesehen geht
es um Betrug, Urkundenfälschung, Verun-
treuung oder Nötigung. Trotzdem haben wir
natürlich alle bestimmte Fälle vor Augen. Ich
persönlich spreche von Erbschleicherei, wenn
jemand ein Vertrauens- oder Abhängigkeits-
verhältnis dazu nutzt, sich in Erbangelegen-
heiten Vorteile zu verschaffen. Klassische
Beispiele sind Pfleger, die Patienten manipulie-
ren, oder Kinder, die bei den Eltern ihre eben-
falls erbberechtigten Geschwister ausbooten.
Wie gehen Erbschleicher vor?
Die Methode ist immer gleich: anschleichen,
abschirmen, abzocken. Erbschleicher leisten
ihren Opfern Gesellschaft, helfen im Haushalt,
machen sich scheinbar uneigennützig un-
ersetzlich. Dann suggerieren sie, dass Freun-
de oder Verwandte nichts Gutes im Sinn
haben. Im dritten Schritt überreden sie den
künftigen Erblasser, eine Vorsorgevollmacht
auszustellen oder das Testament zu ihren
Gunsten zu ändern.
Was kann die Familie tun?
Es ist wichtig, dass eine eventuelle Demenz
nachweisbar ist, wenn ein Testament im
Nachhinein angefochten werden soll, etwa
durch ärztliche Unterlagen. Und natürlich
hilft es, wenn ein Testament notariell hinter-
legt ist. Ansonsten gilt: Kontakt zu dem
künftigen Erblasser halten, damit man ihn
von den unredlichen Absichten des Erb-
schleichers überzeugen kann, solange er
noch zugänglich ist. Interview: Frank Brunner

„Anschleichen,


abschirmen, abzocken“


Wolfram Theiss ist Vorsitzender
der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht
im Deutschen Anwaltverein

Der Münchner Rechtsanwalt Wolfram
Theiss über Fälle von Erbschleicherei

nicht mehr folgen“, erzählt Bern-


hard Faller dem stern. Aber das war


das kleinere Problem. „Der enge


Kontakt endete, kurz nachdem Frau


Hage auftauchte“, sagt Juliane Faller


vor Gericht. Nach einer Weile sei


Veronika Hage bei den wöchentli-


chen Essen dabeigewesen, und ir-


gendwann habe sie in anderen Lo-


kalen reserviert und den Fallers


nicht mehr Bescheid gesagt. Anni


sei für ihre Freundin telefonisch


nicht mehr erreichbar gewesen.


Und Bernhard Faller, selbst Ge-


schäftsführer eines Unternehmens,


argwöhnte, dass Hage falsche Ent-


scheidungen bei der Verwaltung


der Wolf’schen Immobilien traf.


Ende einer Freundschaft


Gut ein Jahr vor Herbert Wolfs Tod


schrieb Faller einen Brief an das Be-


treuungsgericht Heidelberg: „Ich


wende mich an Sie, weil ich erhebli-


che Bedenken hinsichtlich der Ge-


schäftsfähigkeit von Herbert Wolf


habe ... Unser Eindruck war, dass Herr


Wolf zunehmend unter direktem


Einfluss von Frau Hage steht, dass er


keine Entscheidung ohne Rückspra-


che treffen konnte ... Da seine Frau


seit einigen Jahren dement ist, ist


kein korrigierender Einfluss mög-


lich.“ Das Betreuungsgericht lehnte


Fallers Ansinnen ab, seinem Freund


einen amtlichen Betreuer zur Seite zu


stellen, und als Wolf davon erfuhr,


war das Band zwischen den beiden


Männern zerrissen.


Auch andere, die den Wolfs lange


nahestanden, berichten vom geisti-


gen Verfall der Frau und von Zer-


würfnissen. Klaus und Adelheid S.


beispielsweise, deren Dachdecker-


firma sich dreißig Jahre lang um die


Wolf’schen Mietshäuser kümmerte.


Anfang 2013, so erzählen sie vor Ge-


richt, hätten sie zusammen mit dem


Ehepaar beim Griechen gesessen.


„Herbert, wo sind wir hier?“, habe


Anni ihren Mann immer wieder ge-


fragt. Adelheid S. sagt: „Schon im-


mer hat Herbert fast alles geregelt,


aber an diesem Abend wirkte sie


sehr verwirrt.“ Die gemeinsamen


Ausflüge seien seltener geworden.


Irgendwann habe Hage, die bei den


Wolfs inzwischen ein und aus ge-


gangen sei, erklärt, dass die Dachde-


ckerfirma S. zu teuer sei, und die


Aufträge an andere Unternehmen
vergeben.
Peter Schmidt, Hausarzt der Wolfs,
vermutete schon 2009, dass seine
Patientin an einer beginnenden
Demenzerkrankung litt – doch er
konnte sie nicht bis zu ihrem Ende
betreuen. Nach zwei Standardtests
verschrieb er ihr ein Anti-Demen-
tivum und überwies sie an einen
Neurologen. Am 21. November 2013
sah er Anni Wolf zum letzten Mal in
seiner Praxis, erzählt er vor Gericht.
Einige Zeit später habe er Veronika
Hage getroffen. „Warum kommt
denn Frau Wolf nicht mehr?“, habe
er sie gefragt. „Die hat den Arzt ge-
wechselt“, habe Hage knapp geant-
wortet.
Alle Zeugen, die vor dem Heidel-
berger Landgericht auftreten, sind
sicher, dass Anni Wolf nicht ansatz-
weise in der Lage gewesen wäre, 2013
allein ihr Testament zu verfassen.
Und Jugendfreundin Juliane Faller
sagt, dass es selbst ohne die Demenz
„unmöglich ist, dass Anni irgendet-
was ohne ihren Mann unterschrie-
ben hat“. Die beiden hätten nie et-
was getrennt gemacht, unter jedem
Mietvertrag ihrer Wohnungen hät-
ten beide Unterschriften gestanden.
Veronika Hage schweigt dazu vor
Gericht. Sie hat einen Anwalt mit-
gebracht und einen Privatsachver-
ständigen, den Neurologen Michael
Hufnagl. Auch die Nachfragen die-
ser beiden Männer vermögen die
Schilderungen der Zeugen nicht zu
entkräften. Richter Henn bezeich-
net es als „ungewöhnlich“, dass ein
Ehepaar zwei getrennte Testamen-
te zu zwei unterschiedlichen Zeit-
punkten verfasst. Und schreibt nach
der Anhörung der Zeugen in einer
Verfügung, es bestünden „weiterhin
hinreichende Zweifel an der Echt-
heit beider Testamente“. Er wird nun
einen Schriftgutachter beauftragen,
der herausfinden soll, wessen
Schrift sich auf den Papieren findet.
Sollten die Verwandten recht haben,
wäre damit auch klar, wessen Wil-
len sie ausdrücken. 2
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