Zeichnerisches Talent
Beatrix Potter konnte bereits etliche Rei
sen innerhalb Großbritanniens unterneh
men. So verbrachte sie viele Monate auf
dem Landsitz ihrer Großeltern in Nord
england aber auch auf dem familienei
genen Sommersitz in Schottland. Inter
essanterweise wurde Beatrix und ihrem
Bruder das Halten einer ungewöhnlich
großen Anzahl an Haustieren erlaubt.
Sie hatten Hunde, aber auch Mäuse,
Kaninchen, Frösche und Eidechsen. Zu
gleich pflegte der Bruder Betram auch
kranke Wildtiere, wie Fledermäuse und
Greifvögel, wieder gesund. Beide Kin-
der hatten großen Spaß, diese Tiere und
ihr Verhalten zu beobachten und Beatrix
begann, ihr zeichnerisches Talent zu nut-
zen und fertigte unzählige Skizzenbü-
cher mit ihren Beobachtungen an. Die
Geschwister wuchsen einsam auf und
blieben ihr Leben lang eng befreundet.
Ihre Biographen beschreiben Beatrix’
Kindheit deshalb als einsam und depres-
siv. Zeit ihres Lebens wird sie sich mit
ihren Eltern auseinandersetzen.
Kunsthistoriker gehen davon aus, dass
ihre Traurigkeit und der stetige Kampf,
besonders mit ihrer Mutter, sie dazu be-
wogen haben, künstlerisch in die kleine
beschauliche Welt der Tiere einzutau-
chen. Auf Anregung der Gouvernante
förderten die Eltern Beatrix’ künstleri-
sche Begabung nicht nur durch zusätz-
lichen Unterricht, sondern fragten auch
Bekannte um Rat, wie sie ihre Tochter
weiter unterstützen könnten. Neben Un-
terricht in der Ölmalerei besuchte die
Heranwachsende deshalb gemeinsam
mit ihren Eltern auch viele Kunstausstel-
lungen und Museen, um ihre Fähigkeiten
weiter zu entwickeln. Als Beatrix 17
Jahre alt und ihr Bruder auf ein Internat
zur weiteren Erziehung geschickt wurde,
betrachtete man wie damals üblich ihre
Ausbildung als beendet und die Gouver-
nante wurde entlassen. Da ihre Tochter
immer noch nicht verheiratet war, muss-
ten die Eltern gemäß den damaligen
Gepflogenheiten eine „Anstandsdame“
beschäftigen, die sie in der Öffentlich-
keit begleitete, damit keine Zweifel in
Bezug auf die Sittsamkeit ihrer Toch-
ter aufkamen. Die Anstandsdame blieb,
denn in den nächsten 20 Jahren fand sich
anscheinend kein geeigneter Partner, der
sowohl Beatrix’ als auch den Ansprü-
chen ihrer Eltern genügte.
Mit Hilfe ihres zeichnerischen Talents
fertigte sie Postkartenmotive an, die sie
an Verlage verkaufen konnte und baute
sich auf diese Weise ein kleines Ver-
mögen auf. Das Interesse für Tiere und
die Natur gab sie nie auf und so fertigte
sie viele naturkundliche Zeichnungen
und Skizzen an. Auch Auftragsarbei-
ten entstanden in diesen Jahren, so zum
Beispiel detailgetreue Abbildungen von
Pilzen gemalt mit Wasserfarbe für eine
wissenschaftliche Forschungsbibliothek.
Kaninchen lernt sprechen
Gleichzeitig schrieb Beatrix Potter seit
Beginn der 1890er-Jahre sogenannte
Bilderbriefe an die Kinder ihres weiten
Familienkreises und die Kinder ihrer
ehemaligen Gouvernante. Sie entwickelte
eine besondere Begabung darin, Text und
bildliche Umsetzung des Geschriebenen
zu verknüpfen, um die jungen Briefemp-
fänger zu unterhalten. Am 04. Septem-
ber 1893 taucht dann in einem Brief, den
Beatrix an den fünfjährigen Sohn ihrer
ehemaligen Gouvernante schrieb, das
erste Mal die Figur des Peter Rabbit auf:
„Ich weiß nicht, was ich schreiben soll
- und so werde ich dir die Geschichte
von vier kleinen Kaninchen erzählen.“
Hauptfigur der Geschichte und im Brief
mit Jacke und Pantoffeln bekleidet ge-
zeichnet war Beatrix’ eigenes Kaninchen
namens Peter. Bereits am darauffolgen-
den Tag folgte der nächste Brief mit einer
Originaler Katalog – ohne verweis
auf Beatrix Potter
Foto: Margarethe Steiff GmbH, Giengen/Brenz
Aufwartender Steiffhase mit und ohne Bekleidung um 1910 Foto: Theriault’s Antique Auction