Teddys Kreativ - September-Oktober 2019

(Greg DeLong) #1

Erlebnisse der kleinen Dorothy in einer
fantastischen Welt. Die deutschen Kin­
der erfahren in Gerd von Bassewitz‘ Pe­
terchens Mondfahrt von einer ähnlichen
Reise durch fantastische Länder und
sprechende Tiere werden bei uns durch
Biene Maja zum Erfolg, deren Abenteu­
er Waldemar Bonsel veröffentlicht. Dass
man mit Geschichten von sprechenden
Tieren und verkleinerten Menschen, die
gemeinsame Begebenheiten erleben, so­
gar einen Literaturnobelpreis erhalten
kann, stellt die in Schweden eigentlich
als Heimat­ und Geographiekunde von
Selma Lagerlöf verfasste Wunderbare
Reise des kleinen Nils Holgerssohn mit
den Wildgänsen unter Beweis.


Tochter aus gutem Hause


Viele der in diesem etwa 50 Jahre bis
zum Beginn des Ersten Weltkriegs um­
fassenden Zeitraum veröffentlichten
Kinder­ und Jugendbücher wurden von
Männern verfasst. Wie in der Erwach­
senenliteratur sind Autorinnen in der
Unterzahl. Erst die Gleichberechtigung


der demokratischen Verfassungen und
die Erfolge der so enannten Sufragetten
änderten dies. Literarisch erfolgreiche
Frauen Mitte des 19. und zu Beginn des


  1. Jahrhunderts waren aber zumeist un­
    verheiratete Töchter aus wohlhabendem
    Haus, die sich die Muße der Schriftstel­
    lerei leisten konnten und auf einen wirt­
    schaftlichen Erfolg ihrer Arbeit nicht
    angewiesen waren.


Aus diesem besonderen Milieu mit her­
vorragenden Startvoraussetzungen in
ein behütetes Leben stammte auch die
am 28. Juli 1866 in London geborene
Beatrix Potter. Der Wohlstand ihrer
Eltern beruhte sowohl väterlicher­ als
auch mütterlicherseits auf erfolgreichen
Tuchfabriken, so dass Beatrix’ Mutter
beispielsweise bei ihrer Eheschließung
bereits mit einer Mitgift in Höhe von
50.000 Pfund Sterling ausgestattet wur­
de. Obwohl ihr Vater als Anwalt arbei­
tete, lebte die Familie vom Ertrag des
Kapitals, das die jeweiligen Großeltern
aufgebaut hatten. Beatrix wuchs ge­
meinsam mit ihrem Bruder „Bertie“,

der sechs Jahre später zur Welt kam, in
einem vierstöckigen Haus mit Garten
und Stallungen in London­Kensington
auf. Neben dem Hauspersonal und ih­
rem Bruder war das schottische Kinder­
mädchen, dem Beatrix’ Eltern die Er­
ziehung übertragen hatten, nahezu ihre
einzige Bezugsperson. Denn, wie für
Mädchen dieser Zeit üblich und für ihre
soziale Schicht typisch, wurde die spä­
tere Kinderbuchautorin ausschließlich
zu Hause erzogen. Im Alter von etwa
sechs Jahren wurde die Erziehung von
Beatrix Potter der Gouvernante Florrie
Hammond übertragen, zu der sie eine
enge Bindung entwickelte und bis an ihr
Lebensende eine familiäre Freundschaft
pflegte. In diesen Jahren wurde sie auch
durch Hauslehrer in Lesen, Schreiben
und Rechnen aber auch in Latein und
Französisch unterrichtet. Ihre Begeiste-
rung aber auch ihre Begabung für das
Zeichnen wurde früh erkannt und durch
Beatrix’ Eltern gefördert. Aufgrund der
Interessen ihrer Familie hatte sie aber
auch in ungewöhnlich hohem Maß Zu-
gang zu Kunst und Literatur.

Beatrix Potter mit ihrem Ehemann
William Heelis um 1913

1999 beim
Auktionshaus
Christies in London
versteigerte
Erstausgabe der
Geschichte von
„Peter Rabbit“

Hase mit Frack und Pantoffeln in verschiedenen Größen


Foto: Margarethe Steiff GmbH, Giengen/Brenz
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