Focus - 10.08.2019

(Sean Pound) #1
KINO

FOCUS  


meiner Autofahrten gelegt hat – das hat
mich gleich zurückgeholt in diese Ära.
Sie interessieren sich auch sehr für Archi-
tektur – gab es da Entdeckungen?
Pitt: Nein, da war für mich eigentlich
nichts neu. Aber Rick Daltons Villa war na-
türlich toll, hip und nostalgisch zugleich.
DiCaprio: Ja, irre, diese Kulisse zu betre-
ten. Was überhaupt für das ganze Set-
Design gilt. Ich kannte ja noch selbst den
Hollywood Boulevard der Achtziger, aber
ihn jetzt so zu erleben, wie ihn meine Eltern
vorgefunden haben, als sie nach Los Ange-
les kamen, das war wirklich verblüffend.
Da wurde verdammt viel Liebe investiert.
Haben Sie Ihre Eltern auf irgendetwas
Bestimmtes angesprochen?
DiCaprio: Für den Film nur, was Charles
Manson betrifft. Mit ihm verlor diese Hip-
pie-Kultur ja die Unschuld. Man hatte
Angst und sperrte wieder die Türen zu. Er
bedeutete wirklich das Ende eines Traums.
Es passierte fast zeitgleich mit Woodstock.
DiCaprio: 1969 ist wirklich ein ganz wich-
tiges Jahr, ich habe mir extra einmal die
Timeline angeschaut, was da alles los war ...
unheimlich viele bedeutende Ereignisse.


DiCaprios Mutter stammt aus Deutsch-
land, und er hat früher seine Ferien oft
bei der Großmutter im Ruhrgebiet ver-
bracht. Beim Interview im Berliner „Soho
House“ beweist er Deutschkenntnisse:
„Sprach-Memos“ liest er vom Display
des iPhone ab und grinst, während er
neben Brad Pitt auf dem Sofa lümmelt.
Pitt selbst wirkt auch tiefenentspannt.
Beide sind leger gekleidet, mit dunkel-
blauen T-Shirts, Jacken und Jeans.
In „Once Upon A Time In ... Holly-
wood” ist es Tarantino gelungen, die
beiden Megastars erstmals gemeinsam
vor die Kamera zu bekommen – zwei der
höchstdotierten Schauspieler des zeitge-
nössischen Kinos, obwohl sie nie in den
besonders profitablen Superhelden-Fil-
men spielten.

Sieht man mal von der „Ocean“-Serie bei
Ihnen ab, Mr. Pitt, dann haben Sie beide
nie in Franchises und Marvel-Blockbustern
mitgewirkt. Ist das der Grund, warum Sie
als derzeit größte Schauspieler gelten?
Pitt: Ich fang jetzt nicht an, darüber
zu debattieren, ob ich das bin ... (lacht)

DiCaprio: Ich bin, ehrlich gesagt, erst
mal offen für alles, was man mir anbie-
tet. Wir haben ja über die Jahre in ein
paar Drehbücher reingeschaut. Es muss
auf deiner Amplitude einen Ausschlag
geben, etwas, das etwas Magisches mit
dir macht, und dann kommt eben der
Blick des Regisseurs. Es muss dich fas-
zinieren, wie er das auf die Leinwand
bringen will. Das sind so die Faktoren,
und nicht, ob es Franchises oder Super-
helden-Blockbuster sind.
Pitt: Meine Lieblingsfilme sind sicher-
lich die aus den Siebzigern. Die waren für
mich immer eine Art Führer, wenn es um
die Rollenauswahl ging. Meine Parameter.

Pitt wird ganz rührselig, wenn er davon
erzählt, wie er mit Burt Reynolds noch
Leseproben hatte, der George Spahn spie-
len sollte, den Besitzer einer Ranch, auf
der früher Serien wie „Bonanza“ gedreht
wurden und auf deren Gelände sich später
die Manson Family niedergelassen hat-
te. Nach Reynolds’ überraschendem Tod
übernahm Bruce Dern die Rolle. DiCaprio
wiederum traf auf dem Set Luke Perry, der
nach den Dreharbeiten starb.

Der große Leonardo DiCaprio war angeblich
„starstruck“, als er Perry begegnete ...
DiCaprio: Allerdings, Perry gehörte ein-
fach total zu meiner Jugend. Der Mann
aus „Beverly Hills, 90210“ war für uns die
TV-Version von James Dean, unser Held
in der Junior High. Und dann die echte
Person zu treffen, mit ihr am Set abzuhän-
gen, das war wirklich bewegend. Seine
Geschichten über seine Familie, die Indus-
trie und all die Anekdoten haben mich
umgehauen. Ein wunderbarer Mensch.
Sie scheinen ja gerade bestens miteinander
auszukommen. War das immer schon so?
Bei „Inglourious Basterds“ sollten Sie beide
schon mal gemeinsam vor der Kamera
stehen, und angeblich hat das nicht ge-
klappt, weil Sie sich nicht grün waren?
Pitt: (lacht) Nein, nein, das war bei
„Django Unchained“.
(DiCaprio stimmt in Pitts Gelächter ein.)
Aber Sie haben mir ja mal erzählt,
dass Sie die Rolle des SS-Führers
Landa gern gespielt hätten.
DiCaprio: Ja, das stimmt schon ...
Und dass ich Tarantino fragen müsse,
warum es nicht geklappt hat.
DiCaprio: Na ja, er hat ja dann den
Schauspieler gefunden, der am besten
in diese SS-Stiefel gepasst hat – den gro-
ßen Christoph Waltz, er ist ein Genie.

Star-Ensemble in Cannes
Regisseur Quentin Tarantino (mit dem Rücken
zur Kamera) dirigiert seine drei Hauptdarsteller beim
Festival-Foto-Shooting im Mai: Pitt und DiCaprio (r.),
dazwischen Margot Robbie, die Sharon Tate spielt
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