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eit mehr als zwei Monaten protestieren Menschen
in Hongkong gegen die Unterdrückung ihrer Frei-
heit. Zunächst ging es um einen Gesetzentwurf der
Regierung zur Auslieferung mutmaßlicher Krimineller an
China, inzwischen ist aus vereinzelten Demonstrationen
eine breite Bewegung geworden. Am Flughafen von Hong-
kong kam es vor Kurzem zu Ausschreitungen, eine De-
monstrantin wurde durch ein Gummigeschoss der Polizei
schwer am Auge verletzt. Seitdem tragen viele Augenklap-
pen als Ausdruck der Solidarität.
Der Dichter Liao Yiwu, Jahrgang 1958, lebt seit 2011 in
Deutschland im Exil, seine Werke sind in China verbo-
ten. Im Juni 1989 schrieb Liao das Gedicht „Massaker“
über die Ereignisse am Tiananmen-Platz am 4. Juni. Liao
wwwurde daraufhin wegen „Verbreitung konterrevolutionä-urde daraufhin wegen „Verbreitung konterrevolutionä-
rer Propaganda“ zu einer vierjährigen Haftstrafe verur-
teilt. Die Jahre im Gefängnis, in denen er gefoltert wur-
de, verarbeitete Liao in „Für ein Lied und hundert Lie-
der“. Liao Yiwu erhielt 2012 den Friedenspreis des Deut-
schen Buchhandels. Seine Romane erscheinen auf
Deutsch im S.-Fischer-Verlag. Über die Geschehnisse in
Hongkong schrieb Liao Yiwu vor wenigen Tagen ein Ge-
dicht, das wir hier exklusiv abdrucken.
Der 4. Juni Hongkongs
Eine Elegie von Liao Yiwu
Heute durchschlägt eine Kugel das Auge einer jungen Frau
morgen durchschlägt eine andere den Kopf eines jungen Mannes
übermorgen ist Hongkong blind, die einstige Perle des Ostens blind
Blut wird fließen in Strömen, Leichen werden sich türmen
schlohweiße Eltern werden suchen, klagen, Kinder zu Grabe tragen
wie der Himmelgott Sterne zu Grabe trägt
wer überlebt in Hongkong
sitzt als Verbrecher in einem Gefängnis in China
lebt als Sklave nicht wie ein Mensch, wie ein Hund
verkommt zu einer Waise der Menschheit
verstreut über die Welt im Exil
und kehrt nicht mehr heim.
Liao Yiwu, 11. August 2019
Übersetzung: Hans Peter Hoffmann
„Übermorgen ist
Hongkong blind,
die einstige Perle
des Ostens“
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17.08.19 Samstag, 17. August 2019DWBE-HP
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DIE WELT SAMSTAG,17.AUGUST2019 DIE LITERARISCHE WELT 27
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o beginnen, um das Phänomen
einzufangen, das dieses Buch ist,
vielleicht das Problem zu benen-
nen, das es hat? „Es ist Sarah“
kommt aus Frankreich zu uns, es
entstammt der Feder der gerade knapp über 30-jäh-
rigen Pauline Delabroy-Allard, es ist ihr Debüt und
hat sie in die zweite Runde des Prix Goncourt ge-
bracht. In Deutschland wurde schon geschrieben, sie
sei eine „Françoise Sagan unserer Tage“, niemand
hierzulande könne so schreiben, so leicht und so
traurig und so virtuos. Das stimmt. Einerseits. Die in
Paris spielende Liebesgeschichte zwischen zwei
Frauen ist wirklich ein Wunderwerk von einem Ro-
man, die Sprache ist beeindruckend, die Erzählweise
genial. „Es ist Sarah“ ist wie ein glucksender Strudel,
und man versteht erst am Ende der Lektüre, wenn
man hinabgesogen wurde, von welchem Ort diese Er-
zählung aus spricht und dass sie immer schon an die-
sem Ort, in ihrem Ende war. Aber das auf ganz ande-
re Weise, als man es denkt, wenn man die Buchdeckel
aufschlägt und vermeintlich schon alles weiß, was
passieren wird.
VON HANNAH LÜHMANN
„Es ist Sarah“ ist der Gedanken- und Erinnerungs-
strom einer jungen alleinerziehenden Mutter, die
sich an Sarah erinnert, die Frau, die in ihr Leben
platzte, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte. Zu
der Zeit, zu der Sarah in ihr Leben platzt, ist die
Icherzählerin in einem Modus der Apathie: „Ich füh-
re ein Leben, das ich so nie führen wollte, ein Leben
allein mit einer Tochter, deren Vater ohne Vorwar-
nung verschwunden ist.“ Sie „erwartet nichts und
niemanden mehr“, dabei gibt es – neben dem Kind –
sogar einen neuen Mann in ihrem Leben, „einen jun-
gen Bulgaren“. Diese Gleichgültigkeit gegenüber den
Männern, an deren Seite man lebt, das völlig Unspe-
zifische der Beziehung zum eigenen Kind, ist interes-
santerweise ein Topos, der sich auch an anderer Stel-
le in der französischen Gegenwartsliteratur findet,
etwa in Leïla Slimanis „All das zu verlieren“, das von
einer sexsüchtigen Ehefrau handelt, die im Versuch,
ihrem Alltag zu entfliehen, in brutale Sexszenarien
stürzt. In beiden Büchern kann man sich die zu den
Frauen gehörigen Kinder nicht wirklich vorstellen.
Und bei „Es ist Sarah“ fragt man sich, warum diese
Liebe, die die Icherzählerin mit einer solchen Unver-
mitteltheit trifft, eigentlich so sein muss: so trei-
bend, so ermüdend, so exzessiv, warum dies keine
Geschichte mit einem glücklichen Ende sein kann.
Zum einen hat es natürlich mit Sarah zu tun, einer
Violinistin, die durchs Leben rast, unordentlich,
chaotisch, lebendig. Das ist das Wort, mit dem sie von
der sie liebenden Icherzählerin, einer Lehrerin, im-
mer wieder charakterisiert wird: „Sie ist lebendig.“
Diese Beschwörung taucht immer wieder auf, über-
haupt ist das ganze Buch eine einzige Beschwörung,
die Beschwörung einer Frau, Sarah, der kreisende
Versuch ihrer Beschreibung, des in immer neuen Er-
innerungsfacetten sich entfaltenden Soges, den sie
auf die Icherzählerin ausübt. Des Soges ihrer gemein-
samen Liebe, die verschlingend ist, obwohl sie durch-
aus Alltag kennt, gemeinsames Aufstehen mit dem
Kind, Nachmittage des Teetrinkens, Restaurantbesu-
che. Natürlich ist da auch der Exzess, die unzähligen
Zigaretten, die Sarah raucht, das gemeinsame Trin-
ken, das Es-nicht-ohne-einander-aushalten-Können.
Diese Liebe kennt den Alltag durchaus, aber sie ver-
schlingt ihn ebenso, wie sie das Außergewöhnliche
sucht, um es sich einzuverleiben, die Reisen, das Tan-
zen, den Streit.
Sarah reist mit ihrem Streichquartett durch Euro-
pa, die Icherzählerin begleitet sie, wann immer es
möglich ist. Alles andere gerät aus dem Fokus, ist
nicht mehr da. Das Dunkle kommt in die Beziehung,
man weiß nicht, warum; vielleicht ist es Sarah, die an
Weinkrämpfen leidet: „Manchmal wird sie verrückt.“
Das Verrücktwerden hat ansatzweise etwas damit zu
tun, dass Sarahs Eltern die Beziehung zwischen den
beiden nicht so richtig akzeptieren wollen: „Sie wirft
mir alles Mögliche vor, ihr die Zeit zu stehlen, ihre
Jugend zu stehlen, die Liebe ihrer Familie zu stehlen,
ihr die Vorstellung zu stehlen, die sie von klein auf
davon hatte, wie sie ihr Leben führen sollte.“ Die
Icherzählerin denkt: „Im Grunde, das spüre ich, wirft
sie mir vor, dass ich existiere, dass ich ihr über den
Weg gelaufen bin, sie wirft mir vor, dass ich eine Frau
bin.“ Aber auch das ist nicht wirklich die Geschichte,
die hier erzählt wird, all diese Fragen nach Lebens-
entwurf und Anerkennung homosexueller Liebe tau-
chen nur am Rande auf, sind dünne Ästchen am Rand
eines Feuers, das frisst. Warum die Icherzählerin und
Sarah aneinander verrückt werden, warum diese Lie-
be, die so schön gezeichnet ist, dass man sich regel-
recht in sie hineinsehnt, in diese Welt, in diese Nach-
mittage, diese Stadt, diese Stimmung, das ist am En-
de nicht wirklich klar. Dieses Porträt einer Amour fou
ist nichts weiter als die Beschwörung eines fast
schon dekadenten Leidens, dessen Ursache nicht so
recht fühlbar wird.
Warum muss das denn alles so dunkel werden, so
schrecklich, so verschlingend? Solche Fragen sind na-
türlich müßig, weil diese Geschichte nur so erzählt
werden kann, wie sie ist, ihr virtuoser Stil ist existen-
ziell verbunden mit der Tragik dieses Erinnerns.
Aber ihr fehlt eine letzte existenzielle Dimension,
man ertappt sich irgendwann dabei, dass man sich
fragt: Hätten die beiden nicht einfach als glückliche
Patchworkfamilie in ihrer schönen Pariser Wohnung
wohnen können? Und warum zur Hölle kann sie sich
nicht besser um ihre Tochter kümmern? Dieserart
auf die Position des Spießers zurückgeworfen, emp-
findet man beim Lesen eine gewisse Indifferenz ge-
genüber dem, was sich da entfaltet.
Diese Geschichte ist eine Aneinanderreihung tie-
fer, magischer Szenen und Momente, sie ist Dekor
und Lebensgefühl, sie handelt von einem ultimativen
Sinn in einer ultimativ sinnlosen Welt. Das ist als Ge-
genwartsdiagnose sicher irgendwie interessant
(wenn auch nicht neu) – als Geschichte kriegt es ei-
nen am Ende dann leider irgendwie doch nicht so
richtig. Das ist schade, denn in Sarah hat man sich am
Ende dieses Buches wirklich ein bisschen mitver-
liebt.
Pauline Delabroy-Allard: Es ist Sarah.
Frankfurter Verlagsanstalt, 182 S., 22 €.
„Sie ist lebendig“
EYEEM/ GETTY IMAGES
Wie ein
Wirbelsturm
Die junge französische Schriftstellerin Pauline Delabroy-Allard
beschwört in ihrem Debüt eine lesbische Amour fou. Warum aber
bleibt man von dieser virtuosen Erzählung letztlich so unberührt?
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santerweise ein Topos, der sich auch an anderer Stel-