Der Tagesspiegel - 18.08.2019

(Axel Boer) #1
Es ist schon einige Jahre her, da war Peter
Fonda wieder einmal in Berlin, und zufäl-
lig hatte er Geburtstag. Das reicht bei an-
deren Zelebritäten gerade zur Erwäh-
nung in den Gesellschaftskolumnen der
lokalenPresse, nicht sobei „Captain Ame-
rica“.PlötzlichtauchtenHundertevon Bi-
kern aus ganz Deutschland vor seinem
Hotel auf,dessen Management einen Ein-
fall der Hell’s Angels vermutete. Dabei
waren alle ganz harmlos, hatten Rosen
und eine Geburtstagstorte mitgebracht,
drehten mit ihrem Star ein paar Runden,
ließen sich Helme und Tanks signieren.
So hat es Peter Fonda jedenfalls erzählt.
Einmal Easy Rider, immer Easy Rider.
Manche Schauspieler werden ihre be-
rühmteste Rolle einfach nicht los. Sean
Connery, der wahre Bond, hat es vergeb-
lich und mit Bravour versucht, und auch
PeterFondaistdasImagedeskiffendenRe-
bellen auf Rädern lange nicht losgewor-
den, hat sich anfangs darüber geärgert,
dannseinenFriedendamitgemacht.Aber
der Groll blieb, dass seine anderen Filme
lange Zeit kaum jemand sehen wollte.
Unddavon gabes eineganze Menge.
Allerdings, was heißt schon Rebell!
Captain America, der im Wood-

stock-Jahr, vor genau einem halben Jahr-
hundert also, erstmals über die Lein-
wände der Welt rollte, war keiner, der
mit gereckter Faust und flatterndem
Transparentgegen dasEstablishmentauf-
begehrte, sondern rebellisch einfach
durch seinen Lebensstil. Kein Handeln-
der, sondern ein beiläufig Beobachten-
der, dabei obercool schon durch die auf
Bike und Klamotten verteilten „Stars and
Stripes“-Insignien. Einer, der mit seinem
Kumpel, gespielt von Dennis Hopper, der
auch Regie führte, einfach die Weiten der
USA durchquerte und sich den Tag gut
sein ließ – ein Hassobjekt aber für das
etablierte Bürgertum und den vor Lynch-
mord nicht zurückschreckenden Boden-
satzder Gesellschaft. Ein für kleinesGeld
von Fonda produzierter Indepen-
dent-Film,derdie Studiobosse schon des-
wegen misstrauisch machte, aber ein Rie-
senerfolg – mehr noch: eine Legende.
Und was sagte Papa Henry Fonda dazu,
als er „Easy Rider“ vorgeführt be-
kam: „Das wird dem Publikum nicht ge-
nügen, mein Sohn.“ So hat es dieser spä-
ter in einem „Spiegel“-Interview verra-
ten. Ohnehin, das Verhältnis der beiden
war in Interviews ein stetes Thema. Peter
Fonda ist dem nicht ausgewichen, ob-
wohl es doch überaus privat war. Ein pro-

blematisches Verhältnis, das ist bei ei-
nem, der für seine Autobiografie den Ti-
tel „Don’t say Dad“ wählte, nicht weiter
überraschend. Henry,das wardermit Os-
car-Nominierung und -Prämierung hoch-
dekorierte Großschauspieler, der auf die
beruflichenerstenSchritte des Sohnesei-
nen übergroßen Schatten warf. Der auch
als Vater nicht gerade von herzlich-für-
sorglichem Wesen war, vielmehr abwei-
send und streng, wenn er überhaupt bei
seinen vielen beruflichen Verpflichtun-
gen je mal zu Hause war. Nicht, dass Pe-
ter Fonda seinen Dad nicht geliebt hätte,
aber auf sein Werben um Zuneigung kam
eben leider wenig zurück. Von aufmun-
terndem Lob ganz zu schweigen.
Dabei wurde Peter Fonda schon 1961
bei seinem Broadway-Debüt als vielver-
sprechendes Talent mit dem New Yorker
Critics Award bedacht, damals war er 21.
Erste Filmauftritte folgten, darunter
1966 in „The Wild Angels“ die Haupt-
rolle als Anführer einer Motorradgang.
An den Riesenerfolg von „Easy Rider“,
als Schauspieler, Produzent und – mit ei-
ner Oscar-Nominierung geehrter – Dreh-
buchautor konnte Peter Fonda nie an-
schließen, anders als Jack Nickolson und
Dennis Hopper, wenngleich dieser schon
durch seinenausgiebigen Drogenkonsum

in geringerem Maße. Doch nach Jahr-
zehnten, als Fonda zumindest hierzu-
lande kaum noch mehr war als ein My-
thos,eineallerdingszäheErinnerunganei-
nencoolenTypenaufeinemunbequemen
Chopper, gelang ihmdochnoch einfurio-
ses Comeback – als Imker mit Problemen
in „Ullee’s Gold“. Dafür gab es 1998 er-
neuteineOscar-Nominierung, alsHaupt-
darsteller. Und er, der ein entschiedener
GegnerdesVietnamkriegesgewesenwar,
spieltenuneinenVeteranen,deresmitei-
nerganzenDrogenbandeaufnimmt– und
gewinnt.
Am Freitag ist Peter Fonda mit 79 Jah-
ren gestorben, neun Jahre nach seinem
„Easy Rider“-Kumpel Dennis Hopper.
EineFortsetzung,wie ihmoftvorgeschla-
gen worden war, wollte ernie drehen. „Es
ist doch hier nicht wie bei ,Dallas‘, wo
Bobby erschossen wird und dann war es
nur ein Traum“, hatte er 2004 im Tages-
spiegelgeulkt.AuchalsBeraterfüreinRe-
make wollte man ihn engagieren: „Ich
habe dann immer nur geraten: Lass es
sein.“ Aber für eine Rolle als Alt-Biker in
der Roadmovie-Komödie „Wild
Hogs“ von 2007 ließ er sich dann doch
überreden. In die deutschen Kinos kam
der Film mit anderem, passenderem Ti-
tel: „Born tobe Wild“.

Zum Auftakt der neuen Theatersaison
spielt die Schauspielerin Sina Martens im
Berliner Ensemble Squash. Allerdings
drischt sie die Bälle nicht gegen eine real
existierende Wand, sondern zielt frontal
ins Publikum – im Theaterjargon durch
die immaterielle vierte Wand zwischen
Bühne und Zuschauerraum. Dorthin, wo
die Bälle im Dunkel verläppern. Es sei
denn, ein Zuschauer greift das Spielchen
auf und wirft sie auf die Bühne zurück,
wo sie dann müde hopsend auskullern.
Die neue Berliner Theatersaison – der
Premieren-Aufschlag im BE ist der erste
nach der Sommerpause – beginnt als Bild
gewordener Rohrkrepierer. Leider ge-
hört Martens’ Squash-Einlage zu den wit-
zigsten Einfällen in Alexander Eisenachs
Abend. Man muss sie als Schlüsselszene
betrachten: Hier werden neunzig Minu-
ten lang Bälle geworfen, Kabarett-Späß-
chen versendet und philosophisch klin-
gende Gedankensplitter hin und her ge-
wendet, um im Nichts zu versacken.
Das Gegenständlichste, was man über
den BE-Saisonauftakt sagen kann, ist,
dass er sein Thema wirklich ernst nimmt
und performativ geradezu übererfüllt. Es
geht ja um Hochstapelei. Ausgangspunkt
von Eisenachs Inszenierung sind die „Be-
kenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“,
das Romanfragment von – wie es einmal
heißt – „Thomas-alter-weißer-Mann“.
Sieht man von den überstrapazierten
Name-Jokes ab, nimmt Eisenach Manns
Reflexionen über schnöde Wahrhaftig-
keit und höhere Wahrheit, über Original
und Kopie, die Authentizität des Fakes
und den Fake des Authentischen zum An-
lass einer Art Branchen-Selbstreflexion.
„Felix Krull – Stunde der Hochstapler“,
so der Titel seiner „Bearbeitung nach
Thomas Mann“, ist eine Nummernrevue
überdas Theater als professionelle Hoch-
stapelei. Die Geschichte um den Sohn ei-
nes bankrotten Sekt-
fabrikanten, der sich
in scharfsichtiger
Verkennung der Tat-
sachen bereits im
Kinderwagen alsKai-
ser feiern lässt und
es in der omniprä-
senten Branche des
Scheins auch später
weit bringt, dient
vorwiegend als
Stichwortgeberin.
Und zwar für Theater-Jokes, die nach der
Ästhetik von Frank Castorf schielen, den
Sound von René Pollesch anpeilen, hin-
ter beidem zurückbleiben und ihren Ge-
genstand substanzarm verquirlen.
Da werden nicht nur Erkenntnisse à la
„Das sind doch alles wahnsinnige Kon-
strukte, denenman sich unterwirft“, über
die Rampe transportiert. Sondern es
muss auch ein hoch geschätzter Schau-
spieler wie Marc Oliver Schulze als berli-
nernder Toilettenmonteur auftreten,
weil es bei Thomas Mann eine denkwür-
dige Sexszene zwischen (dem von
Schulze dargestellten) Krull und der
Schriftstellerin Diane Philibert gibt. Die
lässt sich ihr schönes Leben ja von einem
reichen Kloschüsselfabrikanten-Gattenfi-
nanzieren. Im Berliner Ensemble wird
eine tolle Schauspielerin wie Constanze
Becker bei dieser Gelegenheit als zickige
Autorinnen-Diva verheizt. Sie verwickelt
den Toilettenmonteur, der sich durch
fahle Witzchen über die Ausstattung des
Berliner Ensembles berlinert, in erbar-
mungswürdige Bodenturn-Kopulations-
spielchen. Und wenn man denkt, mehr
Theatermottenkiste geht nicht, entlässt
Constanze Becker den Kollegen mit der
Ansage,ersolle gefälligstüben gehen, da-
mit das bei der zweiten Vorstellung bes-
ser klappe. Die
Schauspielerin
selbst mutiert an-
schließend zur
Mann’schen Trapez-
künstlerinAndroma-
che und verspricht
einen gefährlich
übersteigerten Nar-
zissmus-Diskurs an-
zudiskutieren, der
freilich nicht ausge-
führt wird.
Gut möglich, dass da am Anfang tat-
sächlich theoretische Überambition war.
Aber praktisch hoppelt der Squash-Ball
eben vom Mannschen Hochstapler zu
den zeitgeistigen Instagram-Selbstopti-
mierern und -ästhetisierern. Und rollt
dann weiter in Richtung verläppernder
gesellschaftskritischer Status-quo-Be-
trachtungen.
Das BE-Vorspiel zum Berliner Saison-
auftakt ist also stark ausbaufähig, im dop-
pelten Sinn. Eisenach schreibt, wie das
Theater mitteilt, an einem „Stück über
die Figur des Hochstaplers als Inbegriff
des modernenMenschen“,das imDezem-
ber uraufgeführt werden soll. Als Vorstu-
diehat ersich jetzt „mit dem entsprechen-
den Paradebeispiel der Literaturge-
schichte“ beschäftigt. Bleibt wirklich nur,
allen Beteiligten gutes Gelingen zu wün-
schen! Christine Wahl


— Wieder am 23. und 28. August


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Rebell auf Rädern


Erst spät konnte Captain America sich vom „Easy Rider“-Image lösen. Ein Nachruf auf Peter Fonda


„Kraft für sechs Knaben“ bescheinigt ihr
Goethe, nachdem er Clara am Klavier ge-
hört hat. Sie ist zu diesem Zeitpunkt elf
JahrealtundderBeweisdafür,dassdaspä-
dagogische Experiment ihres Vaters auf-
geht. Das Wunderkind spricht erst spät,
auch hier wird der allmächtige Vater ein-
greifen und ein Tagebuch für Clara füh-
ren.InIch-Formlässtersichdortüberdie
Faulheit seines Klaviergeschöpfes aus.
Eine Therapie würde nicht ausreichen,
um sich von dem Druck zu lösen, der auf
diesemungewöhnlichen Kindlastet.
Kurz vor Clara Schumanns 200. Ge-
burtstag widmet ihr die Neuköllner Oper
einen Abend, der ihr einen Blütenkranz
flechten will. „Casting Clara“ spaltet die
gefeierteVirtuosininsiebenAkteurinnen
auf – und das ist keinesfalls eine zu viel.
Denn sind die entstellenden Bieder-
meier-Schleifen erst mal runter von den
Köpfen,zeigensichAspekteeinerPersön-
lichkeit,dietrotzallerGängelungreichan
Empfindungenund Widersprüchen ist.
Was es bedeutet, dass Robert Schu-
mann„im wunderschönen Monat Mai“in
ihr Leben tritt und mit Leidenschaft und
Renitenz das Vater-Tochter-Gefüge
sprengt, spielt das von Regisseurin Cor-
dula Däuper erdachte Musiktheater mit
unverkrampft angewandtem Charme
aus. Es findet auch
eindrückliche Bilder
dafür, dass Clara
bald darauf sieben
überlebende Kinder
undeinen lebensmü-
den Mann hat. Sie
reist von Konzert zu
Konzert, um Geld zu
verdienen, und
kämpft ihr schlech-
tes Gewissen mit
Tausenden Briefen
an die verstreut untergebrachten Kinder
nieder. Und plötzlich sind die sieben Cla-
ras auf der Bühne ihre sieben unheimlich
artigen Kinder.
Däupergelingtes,insVerhältniszuset-
zen, was isoliert nur schwer zu fassen
bleibt. Sie schlägt den Bogen noch weiter
ins Jetzt, wenn die Handys der Darstelle-
rinnen klingeln und zur Unzeit nach der
Mama oder Familienmanagerin rufen.
Würde sich Clara Schumann heute für
Frauenquoten in der Kunst einsetzen, da-
für, dass etwa an Berlins großen Opern-
häusern ebenso viele Regisseurinnen wie
Regisseurebeschäftigtwerden–undnicht
nur eine unter 21 wie in der kommenden
Saison? „Casting Clara“ nimmt die Jubila-
rin da nicht als Geisel, wohl aber als An-
stoß. Nur etwas mehr Musik hätte der
kurzweilige Abend vertragen, die Arran-
gements von Johannes Schwencke entfa-
chenjenseitsderSchumann-Songsnurwe-
nigzwingendeKraft. Ulrich Amling

— Weitere Aufführungen bis 20.9., am 13.9.
ab 21.30 Uhr Geburtstagsparty für Clara

Die


Inszenierung


schielt nach


Frank Castorf


und René


Pollesch


Die


wichtigste
These des

Stücks: Auch
Theater ist

Hochstapelei


Born to be wild.Mit dem Roadmovie „Easy Rider“ von 1969 wurde Peter Fonda (mit Dennis Hopper, re.) zum Star. Mit „Ulee’s Gold“ gelang ihm 1997 ein Comeback. Foto: Imago

Würde Clara


Schumann
heute eine

Frauenquote
in der Kunst

fordern?


Müde Bälle,


kullernde


Pointen


Saison-Start am BE mit


Manns „Felix Krull“


Von Andreas Conrad

SONNTAG, 18. AUGUST 2019 / NR. 23 918 KULTUR DER TAGESSPIEGEL 27


Sieben Köpfe


„Casting Clara“ in


der Neuköllner Oper


Neugründung am Savignyplatz! JUPHIA!


Der Charlottenburger Zahnarzt Dr. Johannes
Czerwinski hat zum 1. Juli ein neues Fachzen-
trum für Zahnmedizin direkt am Berliner Savi-
gnyplatz gegründet. Ein langjährig eingespiel-
tes Spezialisten-Teammit eigenem Meisterla-
bor bietet hochwertige Zahnmedizin und eine
vertrauensvolle Atmosphäre im ehemaligen
„Bale-Bale“. Der Name „JUPHIA“ ist Zufall:
„Wir haben über viele mögliche Namen nach-
gedacht, ohne von einer Idee überzeugt zu
sein. Eines Nachts dann kam mir der spon-
tane Gedanke, die Namen meiner beiden
Kinder zu kombinieren. Julian und Sophia.
JUPHIA. Das war es!“, so Dr. Czerwinski.
Allein die Gestaltungdes Foyers ist etwas

Besonderes: Eine langjährige Vertrauensper-
son hat hier Ihre Vorstellungen einer Gar-
ten-Architektur am Empfang umgesetzt. Es
ist noch nicht fertig, man kann die Einzigartig-
keit aber schon erahnen. Jetzt schon ist das
Feedback der Patienten überwältigend. Auch
ist dasArbeitsklima durchdie offenen Räume
und den steten Austausch mit Mitarbeitern
und Patienten sehr lebendig. Es haben alle
Mitarbeiter mit vollem Einsatz mitgeholfen.
„Wir stellen eine fachübergreifende und um-
fassende Beratung in den Mittelpunkt. Unser
Ziel ist die bestmögliche Versorgung unserer
Patienten inder Implantologie undOralen Chi-
rurgie, in der Prophylaxe und Parodontologie,

in der Zahntechnik und Prothetik, in der Laser
und Kinderzahnheilkunde, in der Endodonto-
logie und Funktionstherapie und nicht zuletzt
in der 3D-Diagnostik.“ Wenn Patienten sehr
ängstlich sind, kann im „JUPHIA“ in Narkose
(ITN) behandelt werden. Dr. Czerwinski: „Die
Operationen während des Schlafs erfreuen
sich großer Beliebtheit. Man kriegt nichts mit
und hat es dann einfach hinter sich.“

JUPHIA–Fachzentrum für Zahnmedizin
Savignyplatz 6, 10623 Berlin–Charlottenburg
Tel. 030/92 40 05 90, http://www.juphia.de
Öffnungszeiten:
Mo. – Fr. 8 – 20 Uhr, Sa. 9 – 14 Uhr

Rund um den Savignyplatz


Foto ©

Marchi Cucin

e

Wielandstraße 46 · Berlin Charlottenburg
0 30 65 00 55 56 newkitchen.berlin

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