Süddeutsche Zeitung - 20.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
kathrin müller-lancé

E


s wurde ziemlich viel Auto gefahren
imTatort„Nemesis“ vom vergange-
nen Sonntag. Die Dresdner Ermittle-

rinnen lenkten sich von Verhör zu Verhör,


trafen einen Informanten in der Waschan-


lage und lieferten sich am Ende eine klassi-


sche Verfolgungsjagd im Parkhaus. Die ei-


gentlichen Hauptdarsteller dabei: der sil-


berne VW der Kommissarinnen – und der


dicke Volvo der Verdächtigen. Bleibt nur


noch zu ermitteln: Warum war das VW-Lo-


go der Polizeiwagen stets einwandfrei zu


erkennen, der Volvo-Schriftzug aber teil-


weise verpixelt?


Es gebe „keinerlei Kooperationen zwi-

schen Autoherstellern und Sender“, teilt ei-
ne Sprecherin der Produktionsfirma W&B


Television auf Anfrage mit. Sie hat den


DresdnerTatortvom Wochenende verant-


wortet. In der entsprechenden Szene habe


man es als „grenzwertig“ empfunden, dass


der Volvo „bildmittig und prominent zum


Stehen kommt“. Da diese Szene aber für


den Schnitt notwendig gewesen sei, habe


man sich gemeinsam mit der Regie und


dem Sender dafür entschieden, den Schrift-


zug unkenntlich zu machen: „Mit dieser


Kompromisslösung konnten wir aus unse-


rer Sicht eine zu herausgehobene werbli-


che Darstellung der Marke verhindern.“


Ob es dem Grundsatz der Markenvielfalt


dient, wenn das eine Logo verpixelt, das an-


dere aber gezeigt wird, und ob die gezeigte


Marke damit nicht noch prominenter


wird, bleibt fraglich.


Dass eine bestimmte Marke von einer
Fernsehproduktion werblich profitiert,
verbietet in Deutschland der Rundfunk-
staatsvertrag: „Schleichwerbung, Pro-
dukt- und Themenplatzierung sowie ent-
sprechende Praktiken sind unzulässig“,
heißt es dort in Paragraf sieben.
Trotz dieses Grundsatzes gibt es aber
auch Ausnahmen, zum Beispiel dürfen un-
entgeltliche Produktplatzierungen, soge-
nannte Produktbeistellungen, in bestimm-
ten Sendungen und Filmen eingesetzt wer-
den. Demnach wäre auch ein vom Herstel-
ler kostenlos bereitgestelltes Auto imTat-
ortlegal – sofern im Abspann darauf hinge-
wiesen wird.
Der Grat zwischen zulässiger Darstel-
lung von Produkten und unterschwelliger
Werbung ist also schmal. Immer mal wie-

der gerät derTatortdeshalb in die Kritik,
zum Beispiel wenn in Hannover besonders
viele neue VW-Modelle gezeigt werden
oder wenn städteübergreifend besonders
viele Kommissare in Mercedes-Limousi-
nen unterwegs sind.
Im Fall des DresdnerTatortswurden
die Fahrzeuge allerdings nicht vom Herstel-
ler geliehen, sondern über eine Autover-
mittlungsfirma angemietet. Man entschei-
de in Abstimmung mit Regie und Sender,
welche Autos inhaltlich zu den erzählten Fi-
guren passen, heißt es aus der Produktions-
firma.
Auch beim SWR werden die Autos, die in
denTatortenzu sehen sind, in der Regel an-
gemietet. „Wir nehmen dann absichtlich
nicht die neuesten Modelle – es soll ja nah
an der Lebenswirklichkeit sein“, sagt An-

nette Gilcher vom SWR. Ausnahmen bestä-
tigen die Regel: Der Porsche Targa, Bau-
jahr 1975, mit dem Kommissar Thorsten
Lannert (Richy Müller) durch Stuttgart
fährt, ist Eigentum des Senders, ebenso
der historische Fiat 130 vom ehemaligen
Ludwigshafener Ermittler Kopper (Andre-
as Hoppe).
So ganz verzichten kann und will man
beimTatortnämlich trotz allem nicht auf
Autos und Marken. Die Verbindung von
Kommissaren und ihren Dienstwagen ist
oft eine geradezu symbiotische: Seinen al-
ten Citroën CX rettete Götz George alias
Horst Schimanski sogar aus den Achtzi-
gern in die Neuauflage 2013 – ein Klassiker
eben. Ebenfalls in die Geschichte desTat-
ortseingegangen ist die Szene, in der Axel
Milberg als Kommissar Borowski in bester
Cowboy-Manier seinen rostbraunen Uralt-
Passat erschießt. Zuvor war das Auto von
Folge zu Folge weiterrepariert worden.
Und der Münsteraner Gerichtsmediziner
Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne (Jan Jo-
sef Liefers) scheint noch mehr verschiede-
ne Autos zu besitzen als akademische Ti-
tel. Mal kalauert er im Jaguar-Cabrio, mal
im Wiesmann-Sportwagen. Letzterer übri-
gens wurde von einem privaten Besitzer ge-
liehen – der vor Gericht Schadenersatz for-
derte, nachdem er sein Auto nach dem
Dreh mit Kratzern und Heckschaden zu-
rückbekommen hatte.
Und wenn die Fahrzeuge nicht mit Ex-
zentrik punkten können, dann doch im-
merhin oft auch mit regionalem Bezug. Die
Stuttgarter Ermittler fahren eben Porsche
und Mercedes, die Münchner BMW.
„Bei den Autos der Kommissare folgt
der Tatort der Alltagsrealität bei der
Münchner Polizei, die zu einem großen
Teil Autos der Marke BMW fährt“, teilt der
Bayerische Rundfunk mit.

Löschen Sie sämtliche Apps von Facebook
auf allen Ihren Geräten! Und auf denen Ih-
rer Kinder. Jetzt. Sie haben es immer ge-
ahnt, dass diese Firma ein Monster ist, das
mit Ihren persönlichen Daten jede Menge
Geld verdient. Doch manchmal braucht es
Filme, die einem die Augen öffnen.
Solch eine Dokumentation ist der Net-
flix-FilmThe Great Hackvon Karim Amer
und Jehane Noujaim, den Autoren des Os-
car nominierten FilmsThe Square. Im Zen-
trum ihrer neuen, fast zweieinhalbstündi-
gen Doku steht der Skandal um die briti-
sche Firma „Cambridge Analytica“ (CA).
Sie war spezialisiert auf strategisch politi-
sche Kommunikation, die auf der Analyse
von Big Data basierte. Solche Daten kamen
im großen Stil von Facebook. Illegal ge-
nutzt, wie Facebook sagt. Im besten gegen-
seitigen Einvernehmen und gemeinsam
ausgewertet am selben Bürotisch, wie im
Film gesagt wird.
Einen der größten Datenskandale der
Welt löste CA nach dem letzten US-Präsi-
dentschaftswahlkampf aus, weil die Firma
auf Grundlage der Profile von fast 90 Milli-
onen ahnungslosen Facebook-Nutzern de-
taillierte Psychogramme erstellte, um da-
mit gezielt Propaganda für Trump zu lan-
cieren. Sie war nach der Datenauswertung
speziell auf „Persuadables“ gerichtet, auf
die noch Wankelmütigen. Die mittlerweile
geschlossene Firma stand aber nicht nur in
Diensten Trumps und davor des republika-
nischen Senators von Texas, Ted Cruz, sie
diente ihre „electoral Services“ ebenfalls
den Brexit-Verfechtern von „Leave.Eu“
und Ukip an. „Oops, we’ve won,“ raunt da-
zu an einer Stelle ein Mitarbeiter.
2013 forcierte Cambridge Analytica in
Trinidad und Tobago nur bei den Anhän-
gern eines bestimmten Kandidaten eine
Graswurzelbewegung, die darin bestand,
nicht wählen zu gehen. Auftraggeber die-
ser Kampagne war natürlich der Gegen-
kandidat, der dann haushoch gewann.

CA war also so etwas wie ein Propagan-
da-Söldner mit sinistren Methoden, die
Fachkraft fürs Schmutzige also – oder, wie
die britische Journalistin Carole Cadwal-
ladr im Film sagt: die Spitze des „Überwa-
chungskapitalismus“.
Denn dieser Skandal hatte ja eben zwei
Agenten: CA, das Unternehmen mit den
fragwürdigen Methoden, aber eben auch:
Facebook, die Plattform, von der die Daten
(angeblich missbräuchlich) geschürft wur-
den. Man muss leider sagen, dass der Film,
der grandiose Bildideen aufbringt, um die
Datenwolke, die uns alle umgibt, sichtbar
zu machen, mit CA nur den abgehalfterten
Nebenschuldigen dieses Skandals ins Zen-
trum rückt, den Hauptschuldigen aber,
Facebook, der weiter Skandal auf Skandal
häuft, ein wenig zu sehr außen vor lässt.
Denn, wie sagt Julian Wheatland, der
ehemalige Geschäftsführer von CA, rich-
tig: „Es geht nicht um unsere Firma. Die
Technologie ist in der Welt, und sie wird
weiter genutzt werden. Mich ärgert, dass
es nun nicht mehr Cambridge Analytica
ist, die sie nutzt.“ bernd graff

The Great Hack, läuft auf Netflix.

Einmal kurz, und sei es nur aus sportli-
chem Ehrgeiz, die Gegenthese ausprobie-
ren. Es gibt ja schon wieder so schrecklich
viel Aufregung: „Skandal“, „Eklat“, „Mega-
Eklat“. Dieses Vokabular. Also: Luke Mo-
ckridges Auftritt im ZDF-Fernsehgarten
sollte ein rebellischer Akt der Verweige-
rung sein. Doch, doch – natürlich ist das
möglich. Alles ist möglich. Theoretisch.
Es sind schließlich eigentlich gute Zei-
ten für den Humor – sogar im deutschen
Fernsehen. Satire hat in den vergangenen
Jahren mit ein paar feinen Uneindeutig-
keiten interessante Diskussionen angesto-
ßen. Die Scherzbeauftragten machen ih-
ren Job gerade – manchmal – ganz ordent-
lich. Das ist schön. Es schafft Raum, der
sich unbedingt auch mit Unfug füllen lässt.
Auch mit Pipi-Kacka-Humor. Auch Pipi-
Kacka-Humor kann Kraft haben, vielleicht
sogar entlarven – wenn er exakt vermisst,
was er betrachtet. Siehe etwaJerks.
Was zurück zu Mockridge führt. Für
alle, die das Internet länger nicht anhatten,
dies ist passiert: Der Comedian ist in den
Fernsehgarten gegangen – die 33 Jahre
alte ZDF-Instanz, die sonntagvormittags
einen Marktanteil von im Schnitt mehr als
17 Prozent hat. Künstler finden hier meist
mehr als zwei Millionen Zuschauer, wenn
sie Promo für aktuelle Projekte machen.
Moderiert wird das Ganze von Andrea Kie-
wel, die schon mal eine Zeit lang nicht
moderierte, weil sie ein paar Probleme
wegen Schleichwerbung hatte. Mockridge
hat nun in der Sendung Antiwitze erzählt:
„Woran erkennt man eigentlich alte
Menschen? Sie haben graue Haare, sind
schrumpelig und riechen immer nach
Kartoffeln.“ Er hat mit einer Banane tele-
foniert. Er hat, gar nicht unglaubwürdig,
einen Affen imitiert, und – etwas unglaub-

würdiger, aber noch okay – einen Elefan-
ten. Dann brach Kiewel den Auftritt ab.
Nach allem, was man über das lustige
Fernsehen gerade so weiß, dürfte das das
Ziel gewesen sein. Mockridge soll die Pro-
ben verpasst, dafür aber ein eigenes Kame-
rateam dabeigehabt haben. Man erlebte
am Sonntag also offensichtlich irgendwas
zwischen Prank und einer verlorenen Wet-
te. Das Ganze wird wohl oder übel in einer
anderen (wie Beteiligte andeuteten wohl
Mockridges neuen, eigenen) Sendung auf-
gelöst werden. Vermutlich schlecht.
Und das ist dann auch schon das
Problem: Mockridge hat im besten Fall ein
Format vorgeführt, bei dem es nichts zu
entlarven gibt – natürlich ist derFernseh-
gartentrutschiges Leistungsschunkeln –,
bei dem Hohn gegen die Fans damit aber
eine besonders hohlbirnige Form der Men-
schenverachtung ist (Schunkeln tut doch
niemandem weh). Das ist weder Skandal
noch Eklat. Es ist einfach nur: ein grandios
schlechter Witz eines eigentlich ja ganz gu-
ten Komikers. jakob biazza

Der „Tatort“ gerät immer


wieder mal wegen gezeigter


Marken in die Kritik


Propaganda-Söldner


Doku überFacebook und Cambridge Analytica


Hohlbirne im „Fernsehgarten“


Ihre Marke, bitte!


Im „Tatort“ vomSonntag sorgte das Auto einer Verdächtigen für Verwirrung, das mit verpixeltem Logo


durchs Bild rollte. Welche Fabrikate dürfen im Lieblingskrimi der Deutschen auftauchen? Eine Ermittlung


Rollt bei ihnen: Die Münsteraner lassen sich durchs Münsterland
fahren,die Kölner Ermittler posieren auf der Kühlerhaube, in Lud-
wigshafen setzt man auf böse Kennzeichen.FOTOS: WDR (2) ; SWR

DEFGH Nr. 191, Dienstag, 20. August 2019 (^) MEDIEN HF2 27
Berichte über Ex-Arbeitgeber Cambridge
Analytica:Brittany Kaiser. FOTO: NETFLIX
Affenimitator Luke Mockridge. FOTO:DPA
ABSPANN
Geheimnisvolles Gefährt: Im aktuellenTatort-Krimi „Nemesis“ wurde die Marke
des Fahrzeugs einer Verdächtigen unkenntlich gemacht. SCREENSHOT: ARD/TATORT
Lösungen vom Montag
63
9
51
3
7
56
4
8
7
39
SZ-RÄTSEL
3521 9 4867
8147 36295
9768 25314
5892417 36
1 4 36795 28
26 73589 4 1
72546 3189
43198 7652
6985 1 2473
Die Ziffern 1 bis 9 dürfen pro Spalte und Zeile
nur einmalvorkommen. Zusammenhängende
weiße Felder sind so auszufüllen, dass sie nur
aufeinanderfolgende Zahlen enthalten (Stra-
ße), deren Reihenfolge ist aber beliebig. Weiße
Ziffern in schwarzen Feldern gehören zu kei-
ner Straße, sie blockieren diese Zahlen aber in
der Spalte und Zeile (www.sz-shop.de/str8ts).
© 2010 Syndicated Puzzles Inc. 20.8.2019
Schwedenrätsel Sudokumittelschwer
2 8 7 1
9 5 7
5
3 7 8 4
2
4 3
6 3
1 6 7 5
9 8 2
Str8ts: So geht’s
54 89 32
43 9 7865
23 6754
5768 324
845673
798 3546
7645 89
65342 87
98 21 76
8
19
2
3
Str8tsschwer

Free download pdf