gab nur wenige freie Stellen, einige haben für den
Boss gearbeitet. Doch nachdem Freunde verhaf-
tet und Pick-ups beschlagnahmt wurden, haben
sie sich zurückgezogen. Jetzt warteten sie ge-
meinsam auf das, was da noch kommen kann.
Gleichzeitig hören sie von anderen jungen
Männern, die sie beschwören: Du suchst Arbeit?
Wir bezahlen. Du brauchst Geld, um zu heira-
ten? Wir bezahlen. Die YouTube-Videos und
WhatsApp-Nachrichten der aus dem benach-
barten Nigeria stammenden Dschihadgruppe
Boko Haram machen die Runde.
Eines Abends bei einer fada – einem sponta-
nen Beisammensein junger nigrischer Männer
bei Tee und Kartenspielen – steigt ein besonders
Geschäftstüchtiger, der früher als Importeur von
Pick-up-Lkw gut verdient hatte, aber jetzt nur
noch wenige Abnehmer fand, aus der Karten-
spielrunde aus und grübelt verdrossen über sein
Schicksal nach.
„So kann das nicht weitergehen“, sagt er leise.
„Es wird der reinste Dschungel.“
DIE HOFFNUNGSLOSIGKEIT FÜHRT oft dazu, auch
den brüchigsten Strohhalm zu ergreifen, der
Rettung verspricht. Am Südrand der Sahara ist
darum ein westafrikanischer Goldrausch aus-
gebrochen. Tausende Männer attackieren das
schuttübersäte Buschland. Manche schwingen
Spitzhacken und Schaufeln. Andere bedienen
einen Erdbohrer. Einige haben überhaupt keine
Werkzeuge – außer Steine, um die Erde auf-
zulockern.
Manchmal erbebt der Boden, gefolgt von
einem markerschütternden Dröhnen: Dynamit.
Es ist eine effizientere Weise zu graben, aller-
dings ziemlich gefährlich und noch dazu illegal.
Was nicht ins Gewicht fällt, da die meisten der
Männer hier ohnehin keine offizielle Genehmi-
gung zum Goldschürfen besitzen.
Um sie herum befindet sich eine Art Zeltstadt,
die zu Bändern zerfetzten Zelte flattern im Wind,
während die Bergarbeiter auf dem Boden liegen
und schnarchen. Die illegale Siedlung heißt
Amzeguer, und sie existierte bis vor etwa fünf
Jahren noch nicht.
Es ist ein bekanntes afrikanisches Paradox,
dass Niger als fünftgrößter Uranproduzent der
Welt zwar reich an Mineralien ist, im UN-Ent-
wicklungsindex aber an letzter Stelle steht. Im
Jahr 2017 hatte die Regierung das größte Gold-
abbaugebiet im Norden stillgelegt – offiziell
wegen Terroraktivitäten, aber vermutlich vor
Die wichtigste Einkommensquelle der Stadt
war offiziell verboten worden. Das führte dazu,
dass die gesamte Post-Tourismus-Wirtschaft in
Agadez faktisch auf den schwarzen Markt ge-
drängt wurde.
Trotz des Verbots des Menschenschmuggels
wird Agadez schon wegen seiner geografischen
Lage eine wichtige Transitstation für ausländi-
sche Durchreisende bleiben. Aber heute beher-
bergt es auch Gäste anderer Art. Die sogenann-
te Air Base 201 ist ein Luftwaffenstützpunkt im
Besitz des nigrischen Staates, der von den USA
gepachtet und von etwa 550 Angehörigen der
U.S. Air Force bevölkert wird. Seine Existenz ist
kein Geheimnis, doch die Amerikaner gehen
hier sehr diskret vor. Man sieht sie, wenn sie in
Agadez eine Schule wieder aufbauen oder in
einem Dorf in der Nähe einen Brunnen anlegen,
aber meistens bleiben sie auf dem Stützpunkt.
US-Pioniertruppen bauten eine anderthalb
Kilometer lange Start- und Landebahn, die Wüs-
tenbedingungen standhalten soll. Flugzeuge der
Marken C-17 und C-130 werden die Piste nutzen,
aber auch waffenbewehrte MQ-9-Drohnen, die
nicht nur die Aktivitäten von extremistischen
Gruppen überwachen, sondern diese auch an-
greifen sollen.
Diese Einsätze werden weit über die Region
von Agadez hinausreichen, bis in die „raue
Nachbarschaft“, in der die extremistischen
Gruppen entstanden sind. „Der Feind nutzt die
Grenzen – die sehr durchlässig sind – ständig
aus“, sagt Samantha Reho, Sprecherin des U.S.
Africa Command, dem die Militäroperationen
der USA in Niger unterstehen. In den recht deut-
lichen Worten des US-Außenministeriums heißt
es: „Die US-Auslandshilfe für Niger spielt eine
entscheidende Rolle beim Erhalt der Stabilität
in einem Land, das anfällig ist für politische Un-
beständigkeit, Terrorismus und die Ausbreitung
von gewalttätigem Extremismus, Nahrungs-
unsicherheit und regionaler Instabilität.“
Nach Aussagen eines US-Verteidigungsbeam-
ten wird Agadez selbst in aktuellen Risikoana-
lysen der Geheimdienste nicht erwähnt. Aber
die Existenz einer Militärbasis und die Entfer-
nung zur Grenze werden die Stadt nicht für
immer schützen können.
Die Gespräche hinter den Lehmziegelwänden
zeugen von wachsender Unzufriedenheit. Die
jungen Männer zählen ihre erschöpften Möglich-
keiten auf. Sie sind zur Schule gegangen, haben
nach Arbeit gesucht, die Regeln eingehalten. Es
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