Geo Epoche - 08.2019

(lu) #1

WANDDEKORATION und Möbellässt Eberhard Ludwig präzise aufeinander abstimmen,
nichts darf den Gesamteindruck schmälern. Und so mischt sich der Herzog noch in kleinste
Details ein, etwa wo in der Zimmerflucht seiner Schwiegertochter das Bett zu stehen hat


diose Illusionen von mit Orna­
menten und Figuren geschmück­
ten Räumen, deren Decken sich
in den von antiken Göttern bevöl­
kerten Himmel öffnen.
Ohne Rücksicht zieht Eber­
hard Ludwig Menschen und Ma­
terial für das monumentale Un­
terfangen heran. Als Landesherr
darf er Städte und Amtsbezirke
dazu verpflichten, ihm kostenlos
Arbeitskräfte zu stellen.
Wer sich dem Diktat wider­
setzt, hat mit Stockschlägen zu
rechnen- oder damit, in Ketten
an den Karren gelegt zu werden.
Große Mengen an Baumate­
rial und Nahrungsmitteln müssen
nach Ludwigsburg gebracht wer­
den: Allein die Stadt Marbach ist
verpflichtet, in zwei aufeinander-


fo lgenden Jahren die Anlieferung
von 86 000 Backsteinen, 14 000
Dachziegeln und 368 Eimern
Kalk zu leisten. Dazu Fuhren an
Getreide, Stroh, Holz und We in.
Manche Kommunen kaufen
sich von der Fron frei, damit die
Arbeiten und das öffentliche Le­
ben in den Distrikten nicht völlig
zum Erliegen kommen.

W


eil es anfangs
nicht genug Un­
terkünfte noch
Schutzhütten
gibt, zehren We tter und Wind die
Arbeiter aus. Viele Handwerker
müssen jeden Morgen lange mar­
schieren, um rechtzeitig um vier
Uhr in der Früh auf der Baustelle
zu sein. Ihr Tagwerk endet meist

146 I GEO EPOCHE Deutschland um^1700


erst 15 Stunden später, zwei Stun­
den davon haben sie Pause.
Nur für die Künstler, Bau­
meister und Besucher des Fürsten
bietet Ludwigsburg eine Wo hn­
statt: den 1707 erbauten Gasthof
"Waldhorn". Unweit davon ent­
stehen bald Handwerkersiedlun­
gen, denn die Baustelle Ludwigs­
burg wird stetig größer: 1709
beschließt der Herzog, nicht mehr
nur ein Schloss mitsamt weitläu­
fi gem Park zu erschaffe n -son­
dern gleich eine ganze Stadt, mit
der Residenz als Zentrum.
In jenem Jahr ruft er seine
Untertanen dazu auf, sich in Lud­
wigsburg anzusiedeln. Der Herzog
lockt mit Privilegien, verspricht
die kostenlose Bereitstellung von
Baumaterial und Grundstück,
dazu eine Steuer-und Abgaben­
befreiung auf 15 Jahre, bald auch
Religionsfreiheit. Er braucht drin­
gend Wo hnungen für seine Hand­
werker und Künstler.
Eberhard Ludwig hat genaue
Vo rstellungen davon, wer in der
Stadt leben soll. Gewerbetrei­
bende, Kaufleute und Händler
sind in seiner idealen Welt will­
kommen, Ackerbauern und mit­
tellose Untertanen hingegen un­
erwünscht: Niederlassen darf sich
nur, wer über ein Ve rmögen von
mehr als 1000 Gulden verfügt.
Sein Architekt entwirft ei­
nen ersten Bebauungsplan für die
Stadt, kann ihn jedoch anschlie­
ßend nicht mehr umsetzen: Völlig
entkräftet stirbt Johann Friedrich
Nette 1714 auf einer Studienreise
nach Frankreich.
Zu seinem Nachfolger wird
der Italiener Donato Guiseppe
Frisoni ernannt, der bereits seit
Jahren als Innenausstarter am
Schloss arbeitet. Der Stuckateur
wird Ludwigsburg sein einzig­
artiges barockes Flair verleihen.
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