ein Ort des Austauschs, für Nachrichten,
Erkenntnisse, Ideen. Eine fast einmalige
Gelegenheit, Meinungen und Wissen
mit anderen zu teilen.
W
enn hingegen die Kauf
leutein diesen Tagen zu
sammenkommen, geht es
meist um nüchterne Zah
len. Frankfurts Messen gelten in We st
und Süddeutschland als allgemeingül
tige Zahlungstermine: Händler und
Handwerker legen in ihren Rechnungen
die jeweils nächste Messe im Herbst oder
Frühjahr als Fälligkeitsdaten fe st.
In der zweiten Messewoche werden
Schulden getilgt, Gelder eingetrieben,
Verbindlichkeiten verlängert. Die Kauf
leute beziehen Wa ren auf Kredit und
begleichen ihre Rückstände samt Zin
sen zu fe sten Sätzen sechs Monate später
auf der fo lgenden Messe, wenn alles
verkauft ist.
Längst wickeln sie viele Zahlungen
bargeldlos ab, denn Reisende tragen we
gen der Gefahr von Überfällen nur we
nig Bares bei sich. In Wechseln werden
Summen für Darlehen, Anleihen oder
Schuldforderungen fe stgeschrieben.
We r Geld anlegen will, kann bei
einem We chselhändler Schuldscheine
erwerben. Fürsten sichern sich auf den
Messen Kapital, für private Zwecke oder
leere Staatskassen. Auch diese Anleihen,
teils über enorme Beträge, werden in
Papierform ausgestellt; sie sind leichter
zu transportieren, diebstahl-und fäl
schungssicherer als Geldstücke.
Ohnehin herrscht im deutschen
Münzwesen eine verwirrende Vielfalt.
Zwar gibt es mit dem Reichstaler zu
24 Groschen eine überregional aner
kannte Handelsmünze, die vor allem von
Fürsten mit eigenen Silbergruben wie in
Sachsen und Braunschweig und großen
Handelsstädten -etwa Köln, Nürnberg
oder Frankfurt - geprägt wird und als
We rtmesser für alles Silbergeld gilt.
Daneben aber kursiert in Hanse
städten wie Harnburg die Mark Courant,
1704 I Frankfurt am Main
die 16 Schilling zu je zwölf
Pfennigen entspricht. In
Hessen gilt der Hessen-Al
bus zu zwölf Heller. Und
in der Reichsstadt Aachen
die Mark, die je sechs
Groschen, zwölf Schilling
oder 72 Heller wert ist. Zu
dem kursieren ausländische
Währungen wie der silberne
Philippstaler aus den Spa
nischen Niederlanden und
Goldmünzen wie der fr an
zösische Louisdor und die
spanische Pistole.
Überdies bringen ille
gal betriebene Prägestätten
minderwertige Münzen in
Umlauf. Und auch Fürsten
und Städte lassen immer
wieder Geld herstellen,
LITERATURTIPPS
HEIN ER BOEHNCKE U. A.
»Monsieur Göthe«
Die Familie Goethe in
Frankfurt: detailreiches
Stadt-und Zeitporträt
(Die Andere Bibliothek).
BERND BAEHRING
nBörsen-Zeiten«
Überblick zur Geschichte
der Stadt als Finanzplatz
(Frankfurter
Wertpapierbörse).
treffen sich die Kaufleute
im Haus Braunfels am Lieb
frauenberg- während der
Messewochen gegen zehn
Uhr vormittags, außerhalb
der Messezeiten werktags
ab zwölf Uhr.
Die jüdischen Krämer,
zum Börsenbesuch nicht
zugelassen, besprechen sich
gleich gegenüber: stehen da
und debattieren, wägen ab,
berechnen, jeden Morgen.
DREI WOCHEN dauert die
Frankfurter Messe, dann
kehren die Kaufleute heim,
ziehen die Gaukler weiter,
leeren sich die Herbergen
und holpern die Fuhrwerke
aus der Stadt.
dessen Edelmetallgehalt nicht seinem
Nennwert entspricht.
In Frankfurt haben Kaufleute aus
Nürnberg und Italien schon 1585 beim
Stadtrat durchgesetzt, dass der We rt der
wichtigsten Geldsorten während der
Messe durch einen Münzvergleich fest
zusetzen ist. Anfangs ka-
Manche Gäste bleiben über die
Marktwochen hinaus. Sie besuchen die
katholische Kirche St. Bartholomäus, in
der die wichtigsten Fürsten des Reichs
seit 1438 den Kaiser küren. Sie besichti
gen das Rathaus sowie das dort bewahr
te Exemplar der Goldenen Bulle, mit der
men die Händler alle sechs
Monate zusammen, um
verbindliche Kurse fest
zulegen, für ungarische,
spanische und pfälzische
Münzen, Rheinische Gold
gulden, Sonnenkronen
und Portugaleser Kreuz
dukaten.
Aus diesem Mi.inzver
gleich, der bald auch in den
Zeiten zwischen den Mes
sen verhandelt wurde, ist
inzwischen die Frankfurter
Börse entstanden (auch
wenn hier noch keine
Wa ren gehandelt werden
wie in Antwerpen, keine
Aktien wie in Amsterdam).
Um die aktuellen
We chselkurse fe stzulegen,
IN KÜRZE
Um 1700 zählt Frankfurt
zu den bedeutendsten
Handelsstädten Europas:
Die Metropole am Main
ist nicht nur berühmt
für ihren Buchmarkt,
sondern profiliert sich als
Umschlagplatz für Waren
aller Art. Nach einer
Ära der Konflikte und
Katastrophen verliert sie
zwar ihren Rang als
führende Messestadt,
erfindet sich jedoch neu -
und steigt bis 1800 zum
wichtigsten Finanzplatz
Deutschlands auf.
Kar! IV. im Jahr 1356
Frankfurt als Wahlort der
deutschen Könige festge
schrieben hat. Und bewun-
dern die "Kunstkammer"
der reichen Kaufmannsfa
milie Neufville, die We rke
von Dürer und Cranach
hütet.
Es ist leicht, sich täu
schen zu lassen vom Zau
ber von Macht und Geld.
Die Zerrissenheit zu über
sehen, die verborgen ist
hinterall dem Glanz, dem
Spektakel. Die Zeichen der
Krise.
Denn die erste Hälfte
des 18. Jahrhunderts wird
für die Stadt am Main zu
einer Zeit der Konflikte
und Katastrophen.