Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.08.2019

(Joyce) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Politik DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019·NR. 182·SEITE 5


Foto GGG


Sushma Swaraj gestorben
Sie wurde als Außenministerin des Vol-
kes bezeichnet. In den sozialen Netz-
werken fiel sie auf, weil sie sich persön-
lich den Problemen von Indern an-
nahm, die im Ausland in Nöte geraten
waren. In der indischen Politik, in der
gern Privilegien genossen werden, war
Sushma Swaraj damit eine Ausnahme-
erscheinung. Die
„Bharatiya Janata
Party“ (BJP), die
Partei Ministerprä-
sident Modis und
der Hindunationa-
listen, hatte die Ju-
ristin in ihrem Hei-
matstaat Haryana
einst zum jüngsten
Kabinettsmitglied
erkoren. Später
wurde Swaraj für kurze Zeit Landes-
chefin von Delhi und bekleidete mehre-
re Ministerposten unter dem ersten
BJP-Regierungschef Atal Bihari
Vajpayee. Als Außenministerin in Mo-
dis erstem Kabinett verteidigte sie rigo-
ros Indiens Interessen gegenüber Nach-
barländern wie Pakistan und China.
Aufgrund ihres angegriffenen Gesund-
heitszustands war sie bei der Parla-
mentswahl in diesem Jahr aber nicht
wieder angetreten. Nur Stunden vor ih-
rem Tod äußerte sie sich per Twitter
über die Aufhebung des politischen
Sonderstatus Kaschmirs. Sie habe dar-
auf gewartet, diesen Tag noch erleben
zu dürfen, schrieb sie. Am Dienstag-
abend ist Sushma Swaraj im Alter von
67 Jahren verstorben. (fäh.)

rüb.ROM, 7. August. Das Oberste Kassa-
tionsgericht in Rom hat in letzter Instanz
das Urteil gegen die rechtsnationalisti-
sche Partei Lega wegen Veruntreuung
von staatlicher Wahlkampfhilfe in Millio-
nenhöhe bestätigt. Damit muss die von In-
nenminister Matteo Salvini geführte Par-
tei definitiv knapp 49 Millionen Euro
Wahlkampfkostenerstattung an den Staat
zurückzahlen. Wegen Veruntreuung von
Wahlkampfmitteln und wegen Geldwä-
sche in den Jahren 2008 bis 2010 waren
der Gründer und langjährige Vorsitzende
der Partei, Umberto Bossi, sowie der da-
malige Schatzmeister Francesco Belsito
im Juli 2017 zu zweieinhalb beziehungs-
weise fünf Jahren Gefängnis verurteilt
worden. Das Kassationsgericht reduzier-
te die Freiheitsstrafen für Bossi nun auf
ein Jahr und zehn Monate, für Belsito auf
drei Jahre und neun Monate.
Die Führung der Lega hatte sich schon
nach dem Urteil eines Berufungsgerichts
in Genua vom Juli mit den Strafverfol-
gern darauf geeinigt, dass die Partei den
Betrag in jährlichen zinsfreien Raten von
600 000 Euro zurückerstatten kann. Nach
Angaben von Schatzmeister Giulio Cente-
mero verfügte die Partei zum Zeitpunkt
des Urteils des Genueser Berufungsge-
richts über Bankguthaben in Höhe von
rund 5,5 Millionen Euro.
Parteichef Salvini hat das jetzt abge-
schlossene Betrugsverfahren wiederholt
als „Geschichte aus der Vergangenheit“
bezeichnet, mit welcher er nichts zu tun
habe. Salvini hatte die Führung der einsti-
gen Regionalpartei Lega Nord im Dezem-
ber 2013 übernommen und vor den Parla-
mentswahlen vom März 2018 den Zusatz

„Nord“ aus dem Parteinamen gestrichen.
Nach jüngsten Umfragen ist die Lega der-
zeit mit knapp 40 Prozent Zustimmung
die mit Abstand stärkste politische Kraft
im Land. Bei den Europawahlen Ende
Mai hatte die Lega rund 34 Prozent der
Stimmen erhalten – etwa doppelt so viel
wie noch bei den Parlamentswahlen.
Weder die alte Parteispendenaffäre
noch jüngste Presseberichte über eine an-
geblich versuchte illegale Finanzierung
der Lega durch Geld aus Russland haben
Parteichef und Innenminister Salvini bis-
her geschadet. Das amerikanische Nach-
richtenportal „BuzzFeed“ hatte am 10.
Juli den geheimen Mitschnitt eines gut
einstündigen Gesprächs im Moskauer Ho-
tel „Metropol“ vom 18. Oktober 2018 ver-
öffentlicht. In dem Gespräch des Salvini-
Vertrauten Gianluca Savoini sowie zwei-
er weiterer Italiener mit drei mutmaßlich
Kreml-nahen Russen ging es um ein offen-
kundig illegales Ölgeschäft. Drei Millio-
nen Tonnen Erdöl im Wert von rund 1,
Milliarden Dollar sollten von einem staat-
lichen russischen Unternehmen an den
italienischen Energiekonzern Eni gelie-
fert werden – mit einem Preisnachlass
von rund vier Prozent. Beim Weiterver-
kauf zum Weltmarktpreis, abgewickelt
über mehrere Zwischenfirmen und Ban-
ken zur Verwischung der Spuren, sollte
ein Gewinn von 65 Millionen Dollar in
die Parteikasse der Lega fließen.
Salvini hat die Berichte als „Phantasie-
gebilde“ zurückgewiesen und versichert,
er und seine Partei hätten nie „auch nur ei-
nen Dollar oder Rubel“ aus Moskau erhal-
ten. Die Staatsanwaltschaft von Mailand
hat Ermittlungen in der Sache eingeleitet.

DARESSALAM,7. August


R

ebellenführer Ossufo Momade gab
sich zuversichtlich. Der Anführer
des „Nationalen Widerstands Mo-
çambiques“ (Renamo) sagte jüngst vor
einheimischen Medien: „Wir hoffen, dass
die Werte des Friedens siegen werden
und wir nicht die Fehler der Vergangen-
heit wiederholen.“ Denn rund einen Mo-
nat vor dem geplanten Besuch von Papst
Franziskus und zwei Monate vor den Par-
laments- und Präsidentenwahlen haben
in Moçambique Präsident Filipe Nyusi
und Momade einen Friedensvertrag unter-
zeichnet. Zu der feierlichen Zeremonie
auf dem Platz des Friedens in der Haupt-
stadt Maputo waren am Dienstag der por-
tugiesischen Nachrichtenagentur Lusa zu-
folge neben Tausenden Moçambiquanern
auch fünf afrikanische Staatschefs wie die
Staatspräsidenten Cyril Ramaphosa aus
Südafrika oder Paul Kagame aus Ruanda
anwesend. Die Europäische Union wurde
von der Außenbeauftragten Federica
Mogherini vertreten. Einige Tage zuvor
hatten Nyusi und Momade bereits ein Do-
kument unterzeichnet, in welchem eine
Einstellung der Feindseligkeiten beschlos-
sen worden war.
Dem Abkommen waren jahrelange Ver-
handlungen vorausgegangen. Diese wa-
ren noch von dem ehemaligen Renamo-
Chef Afonso Dhlakama angestoßen wor-
den. Dhlakama war seit 1979 Führer der
antikommunistischen Guerrilla und starb
im Mai 2018 an einem Herzinfarkt. Nun
sollen rund 5000 Renamo-Kämpfer ent-
waffnet werden. Etliche sollen in Polizei
und Armee, andere ins Zivilleben inte-
griert werden. Die ersten Rebellen hatten
bereits Ende Juli ihr Lager in den Goron-
gosa-Bergen im Zentrum des Landes ver-
lassen und waren für die Reintegration in
ein eigens dafür eingerichtetes Militärzen-
trum gebracht worden. Federica Mogheri-
ni sprach von einer „Botschaft der Hoff-
nung“ über Moçambique hinaus. In einer
Welt voller Konflikte, in der alles in die
falsche Richtung zu gehen scheine, „gibt
Moçambique uns Hoffnung, gibt Afrika
uns Hoffnung“, wird sie von der französi-
schen Nachrichtenagentur AFP zitiert.
Zuvor waren Verhandlungen oft daran
gescheitert, dass die Renamo eine kom-
plette Entwaffnung ablehnte und bewaff-
nete Rebellen in den Bergen Zentralmo-
çambiques zurückließ. Der aktuelle Frie-
densprozess wurde von einer Militärkom-
mission begleitet, der auch Vertreter der
Vereinten Nationen und westlicher Län-
der angehörten. Obwohl bereits im Jahr
1992 in Rom ein Friedensvertrag geschlos-
sen worden war, hatte die Renamo im
Jahr 2013 wieder zu den Waffen gegrif-
fen. Sie fühlte sich von der seit der Unab-
hängigkeit im Jahr 1975 ununterbrochen
herrschenden „Moçambiques Befreiungs-
front“ (Frelimo) unterdrückt.
In einem 2018 veröffentlichten Bericht
wirft die Menschenrechtsorganisation Hu-
man Rights Watch der Renamo schwere
Verbrechen vor. „Renamos bewaffnete
Gruppe“, heißt es in dem Report „The
Next One to Die“, „war in Entführungen

und die Ermordung von Vertretern der Re-
gierung oder der regierenden Partei Freli-
mo verwickelt.“ Zudem hätten Renamo-
Kämpfer zwischen dem Ausbruch neuerli-
cher Kämpfe 2013 und der Unterzeich-
nung eines Waffenstillstands im Jahr
2016 „mindestens fünf medizinische Ein-
richtungen verwüstet“ und öffentliche
Transportmittel mit Scharfschützen ange-
griffen und sie in Hinterhalte gelockt. Hu-
man Rights Watch wirft aber auch der Re-
gierung der Frelimo massive Verstöße ge-
gen die Menschenrechte vor. So seien im-
mer noch die Fälle zehn ranghoher Oppo-
sitioneller und Akademiker ungeklärt,
die bei Angriffen entweder ermordet
oder entführt worden waren. Zudem wür-
den immer wieder missliebige Journalis-
ten entführt, bedroht und körperlich miss-
handelt.
Der erste Bürgerkrieg zwischen Rena-
mo und der Frelimo-Regierung hatte in
dem südostafrikanischen Land bereits
kurz nach der Unabhängigkeit begonnen
und soll rund eine Million Menschen das
Leben gekostet haben. Die Frelimo war
im Jahr 1962 im tansanischen Daressa-
lam gegründet worden. Zur Zeit des Kal-
ten Krieges hatte der damalige sozialisti-
sche Präsident Tanganjikas, Julius Nyere-
re, auf die Vereinigung dreier rivalisieren-
der Befreiungsbewegungen im südlichen
Nachbarland hingewirkt. Moçambique
war damals ebenso wie das südwestafrika-
nische Angola noch portugiesische Kolo-
nie, in Südafrika herrschte das Apartheid-
regime. In Nordrhodesien (heute Sambia)
stand die Unabhängigkeit kurz bevor,
während Südrhodesien (heute Zimbab-
we) einige Jahre später unter dem Pre-
mierminister Ian Smith die Unabhängig-
keit von der britischen Krone erklären
würde.
Unterstützung erhielt die marxistische
Frelimo während ihres Unabhängigkeits-
kampfes sowohl von Maos China als auch
von der Sowjetunion und einigen skandi-
navischen Ländern. Als nach der Nelken-

revolution Portugal seine Kolonien in die
Selbständigkeit entließ, rief die Frelimo
umgehend die „Volksrepublik Moçam-
bique“ als Einparteienstaat aus und be-
gann im benachbarten Rhodesien den be-
waffneten Kampf der chinafreundlichen
„Zimbabwe African National Union“
(Zanu) zu unterstützen. So kam es dort be-
reits 1975 zur Gründung der Renamo als
antikommunistischer Rebellenorganisati-
on, in der sich vom stramm kommunisti-
schen Kurs der neuen Herrscher ent-
täuschte ehemalige Frelimo-Kombattan-
ten wie Soldaten, die zuvor auf der Seite
der Portugiesen gekämpft hatten, versam-
melten.
Bis Ende der siebziger Jahre hatte die
Renamo ihre Rückzugsgebiete im heuti-
gen Zimbabwe – dann übernahm Robert
Mugabe 1980 die Kontrolle im Land und
verjagte die moçambiquanischen Rena-
mo-Kämpfer aus seinem sozialistischen
Herrschaftsgebiet. Diese suchten fortan
Schutz bei den Buren in Südafrika, wäh-
rend die Frelimo-Regierung den Kämp-
fern des Afrikanischen Nationalkongres-
ses Unterschlupf und die Versorgung mit
Waffen und Geld bot. Zwar vereinbarten
Pretoria und Maputo 1984 im sogenann-
ten Nkomati-Abkommen, die Unterstüt-
zung der Guerrilla-Aktivitäten im Nach-
barland zu beenden, allerdings zog in Mo-
çambique erst Frieden ein, als mit dem
Untergang der Sowjetunion der Kalte
Krieg beendet worden war und Südafrika
vor den ersten demokratischen Wahlen
seiner Geschichte stand.
Zwar hatte die Frelimo irgendwann
dem Marxismus abgeschworen und auch
wieder Wahlen zugelassen, von der
Macht lassen mochte sie allerdings nicht.
Nach einer Erhebung von Afrobarometer,
einem Netzwerk, das in diversen afrikani-
schen Ländern Umfragen zu politischen
und ökonomischen Fragen durchführt,
glauben nur 27 Prozent der Moçambiqua-
ner, dass es in ihrem Land „einen Unter-
schied zwischen der herrschenden Partei
und dem Staat“ gebe. Von der letzten Prä-

sidentenwahl hatte nur ungefähr die Hälf-
te der Bevölkerung geglaubt, dass diese
„frei und fair“ war. Auf dem Korruptions-
index der Organisation Transparency In-
ternational liegt das bitterarme Land mit
30 Millionen Einwohnern auf dem 158.
Platz von 180 gelisteten Staaten. „Korrup-
tion ist ein Hauptgrund für die Malaise
und hat das Land Schätzungen zufolge
zwischen 2002 und 2014 fast fünf Milliar-
den Dollar gekostet“, schreibt Transpa-
rency. Der Internationale Währungs-
fonds schätzt das durchschnittliche Mo-
natseinkommen eines Moçambiquaners
auf 429 Dollar im Jahr – weniger verdie-
nen demnach nur die Menschen in der
Zentralafrikanischen Republik, Malawi,
Burundi und Südsudan.
Im März dieses Jahres verschärfte sich
die Lage, als der Zyklon „Idai“ bei der seit
Jahren von der Regierung vernachlässig-
ten Renamo-Hochburg Beira auf das Fest-
land traf. Mehr als 600 Menschen starben;
ein gewaltiger Teil des Landes wurde un-
ter Wasser gesetzt. Die meisten Probleme
in Moçambique sind allerdings hausge-
macht. Seit 2017 gilt das Land, dem be-
reits mehrmals die Schulden erlassen wur-
den, wieder einmal als zahlungsunfähig
und erhält kaum noch internationale Kre-
dite. Einer der Gründe ist ein Korruptions-
skandal, bei dem es um einen Zwei-Milliar-
den-Dollar-Kredit für eine Fischfangflot-
te, Radarstationen und Patrouillenboote
ging. Rund ein Viertel der Summe ver-
schwand auf mysteriöse Weise in den Ta-
schen beteiligter Banker und Politiker.
Autoren eines von Interpol finanzier-
ten Drogenberichts „Die Heroinküste“
halten mittlerweile Heroinschmuggel für
eine der Haupteinnahmequellen Moçam-
biques – damit verdiene das Land rund
600 bis 800 Millionen Dollar im Jahr. Im
Norden des Landes, wo es große Erdgas-
funde gibt, wüten seit Oktober 2017 zu-
dem Islamisten. Allein zwischen Mai und
Juli 2018 sollen sie bei Überfällen mindes-
tens 39 Menschen ermordet und eintau-
send aus ihren Häusern vertrieben haben.

fäh.SINGAPUR, 7. August. Nachdem
die indische Regierung Kaschmirs Son-
derstatus aufgehoben hat, dringen nun
erste Berichte über vereinzelte Unru-
hen in der Region nach außen. Augen-
zeugen berichteten der Agentur Reu-
ters am Mittwoch, dass in der Altstadt
von Srinagar eine Gruppe von etwa
hundert jungen Männern Steine auf Si-
cherheitskräfte geworfen habe. Da-
nach seien die Soldaten mit Tränengas
gegen die Demonstranten vorgegan-
gen. Ein Polizist berichtete der Agen-
tur AFP außerdem, dass ein Demons-
trant auf der Flucht vor der Polizei in ei-
nen Fluss gesprungen und ums Leben
gekommen sei. Mindestens sechs Men-
schen seien mit Schusswunden und an-
deren Verletzungen ins Krankenhaus
eingeliefert worden.
Nach Angaben der indischen Polizei
war die Lage in Kaschmir aufgrund der
verschärften Sicherheitsvorkehrungen
jedoch weitgehend friedlich. Eine Prü-
fung dieser Angaben ist kaum möglich,
da der indisch verwaltete Teil Kasch-
mirs seit Sonntag von der Außenwelt
abgeschnitten ist. Die Behörden haben
sämtliche Kommunikationskanäle un-
terbrochen. Fernsehen, Internet und
Telefonverbindungen funktionieren
nicht. Es herrscht ein Versammlungs-
verbot. Darüber hinaus haben die Be-
hörden Tausende zusätzliche Soldaten
in die Region geschickt. Führende Re-
gionalpolitiker wurden festgenom-
men. Videoaufnahmen aus Kaschmir
zeigten ein hohes Militäraufgebot, Sta-
cheldrahtbarrikaden und ansonsten
menschenleere Straßen.
Darüber hinaus nehmen die Span-
nungen zwischen den Nachbarländern
Indien und Pakistan weiter zu. Der
pakistanische Regierungschef Imran
Khan hatte am Dienstag in einer Rede
vor möglichen Terroranschlägen in
Kaschmir gewarnt, die zu einer militä-
rischen Eskalation führen könnten.
Als Ursache nannte er die Unterdrü-
ckung des kaschmirischen Wider-
stands gegen Indien. „Mit einem sol-
chen Ansatz werden sich Zwischenfäl-
le wie Pulwama wiederholen, das kann
ich schon voraussehen. Sie werden ver-
suchen, uns dafür verantwortlich zu
machen. Sie werden uns womöglich
wieder angreifen, und wir werden zu-
rückschlagen“, sagte Khan laut der Zei-
tung „Dawn“ bei einer gemeinsamen
Sitzung der beiden Parlamentskam-
mern in Islamabad.
Pulwama ist der Ort, an dem im Fe-
bruar bei einem Terrorangriff auf ei-
nen indischen Militärkonvoi 40 Solda-
ten getötet worden waren. Die indische
Luftwaffe hatte daraufhin erstmals seit
Jahrzehnten pakistanisches Territori-
um aus der Luft angegriffen. Indien
wirft Pakistan vor, die islamistischen
Terrorgruppen und kaschmirischen Se-
paratisten heimlich zu unterstützen.
Der Stabschef der pakistanischen Streit-
kräfte erklärte nun, das Militär sei „zu
allem bereit“. „Die pakistanische Ar-
mee steht den Kaschmiris in ihrem ge-
rechten Kampf bis zum bitteren Ende
bei“, sagte General Qamar Javed
Bajwa. Gleichzeitig warnte Regierungs-
chef Khan im Parlament vor den ver-
heerenden Folgen, die eine militäri-
sche Auseinandersetzung haben könn-
te. „Niemand wird einen solchen Krieg
gewinnen, und er wird schwerwiegen-
de Konsequenzen für die ganze Welt ha-
ben.“ Der Ministerpräsident spielte dar-
auf an, dass beide Länder über Atom-
waffen verfügen. „Dies ist keine nuklea-
re Erpressung. Es ist die logische Folge
der Ereignisse“, sagte Khan.
Die Region Kaschmir ist zwischen
Indien und Pakistan geteilt, beide Län-
der erheben jedoch Anspruch auf das
gesamte Gebiet. Der Sonderstatus der
mehrheitlich muslimischen Region
war am Montag durch ein Dekret des
Präsidenten Ram Nath Kovind aufge-
hoben worden. Am Dienstag hatte zu-
dem das Parlament in Delhi die Ausset-
zung der Sonderrechte, die im Artikel
370 der indischen Verfassung festge-
legt sind, mit 351 Jastimmen und 72
Neinstimmen bestätigt. Innenminister
Amit Shah bezeichnete die Entschei-
dung als „historisch“. Er nannte Kasch-
mir einen „integralen Teil Indiens“.
Kritiker befürchten, dass der hindu-na-
tionalistische Ministerpräsident Naren-
dra Modi und seine Regierung eine
„Hinduisierung“ des Gebiets anstre-
ben. Mit dem Sonderstatus sollte die
muslimische Identität Kaschmirs ge-
schützt werden. Unter anderem war
der Besitz von Land bisher der dort an-
sässigen Bevölkerung vorbehalten.
Kritik an der Änderung des Sonder-
status kam auch aus Peking. Indien
habe mit dem Schritt Chinas territoria-
le Souveränität untergraben, sagte eine
Sprecherin des Außenministeriums.
Denn neben Indien und Pakistan kon-
trolliert auch China einen kleinen Teil
des einstigen Fürstentums. Indien hat
das Gebiet nun in ein Territorium Jam-
mu und Kaschmir und ein Territorium
Ladakh aufgeteilt, die jeweils direkt
von Delhi aus verwaltet werden sollen.
Aus indischer Sicht gehört der chine-
sisch besetzte Teil zum Territorium La-
dakh. Die Regierung in Delhi hatte die
chinesische Kritik zurückgewiesen. Die
Änderungen seien „eine interne Ange-
legenheit, die indisches Territorium be-
trifft“, sagte der Sprecher des Außenmi-
nisteriums, Raveesh Kumar.


WARSCHAU, 7. August. Es ist wieder ge-
schehen: Vier Soldaten sind bei Kämpfen
zwischen Regierungseinheiten und pro-
russischen Separatisten in der Ostukraine
getötet worden. Spätestens mit dem tödli-
chen Beschuss vom Dienstag kann die
Waffenruhe, auf die sich die Konfliktpar-
teien zum Tag der ukrainischen Parla-
mentswahl am 21. Juli geeinigt hatten, als
gescheitert gelten. Russische oder prorus-
sische Kämpfer feuerten erst – wie meist
üblich – in der Nacht, dann noch einmal
am Vormittag auf ukrainische Stellungen
nicht weit von Donezk. Sie setzten klein-
und großkalibrige Waffen ein. Die vier
Opfer sind nach Kiewer Angaben Marine-
infanteristen, die Installationsarbeiten in
einem Schützengraben verrichteten.
Am Mittwoch dann rief der im Mai ins
Amt gewählte ukrainische Präsident Wolo-
dymyr Selenskyj im Kreml an – sein zwei-
ter Anruf bei Wladimir Putin, und das in
kurzer Zeit. Er habe ihm gesagt, er solle
seinen Einfluss geltend machen und die
Rebellen dazu bringen, nicht mehr „unse-
re Bürger zu töten“. Auf Facebook schrieb
Selenskyj: „Der Zwischenfall zielt darauf
ab, nicht nur diese Waffenruhe, sondern
den Verhandlungsprozess insgesamt zu
torpedieren.“ Heute habe die ganze Welt
gesehen, „wer keinen Frieden will“. Da-
her rufe er seine Verhandlungspartner im
sogenannten Normandie-Format – die
Vertreter Frankreichs, Deutschlands und
Russlands – dazu auf, „so schnell wie mög-
lich zur Wiederaufnahme der Verhandlun-
gen zusammenzukommen“.
Gegenüber Putin hat Selenskyj nach ei-
genen Angaben gesagt, ein Vorfall wie

der vom Dienstag dürfe sich nicht wieder-
holen. Dabei hat Putin auch Verfassungs-
änderungen in der Ukraine ins Spiel ge-
bracht, um – nach Angaben des Kremls –
den separatistischen „Volksrepubliken“
Donezk und Luhansk einen „Sondersta-
tus“ zu verleihen. Auch der seit dem 21.
Juli offenbar ins Stocken geratene Pro-
zess des Austauschs Hunderter Gefange-
ner zwischen Russland und den „Volksre-
publiken“ auf der einen und der Ukraine
auf der anderen Seite ist laut Moskau an-
gesprochen worden. Außerdem habe Pu-
tin „unterstrichen, weiterer Beschuss von
Wohnorten im Donbass durch die ukraini-
sche Armee müsse ausgeschlossen wer-
den“. Kiew bestreitet aber, dass Zivilisten
bombardiert werden.
Bis zum 21. Juli hatte man den Ein-
druck gewinnen können, Russland wolle
den Konflikt in der Ostukraine mit Blick
auf die Wahlen herunterfahren. Auch an
dem symbolischen Ort Stanyzja Luhans-
ka, einer zerstörten Grenzbrücke über den
Grenzfluss zur „Luhansker Volksrepu-
blik“, geht es nicht voran. Hier hatte im
Juli der Rückzug der schweren Waffen aus
einem vier Quadratkilometer großen Ge-
biet begonnen – ein Pilotprojekt. Bis zum


  1. August sollten die Minen eigentlich ge-
    räumt sein, damit mit dem Wiederaufbau
    der Brücke begonnen werden kann. Doch
    die ukrainische Seite klagt, dass die Kämp-
    fer der anderen Seite beim Betreten des
    Geländes für niemandes Sicherheit garan-
    tieren wollen. So müssen täglich Tausen-
    de, vor allem ältere Menschen, an diesem
    „Grenzübergang“ eine hölzerne Behelf-
    streppe nutzen. (gna.)


Sofortiger Rücktritt
In Sachsen-Anhalt hat die Grünen-
Landesvorsitzende Britta-Heide Gar-
ben am Mittwoch ihr Amt mit soforti-
ger Wirkung zur Verfügung gestellt.
Die 48 Jahre alte Politikerin hatte be-
reits tags zuvor ihren Rückzug ange-
kündigt. Die Parteiführung vereinbar-
te aber, dass Garben ihr Amt bis zur Re-
gelung ihrer Nachfolge im November
weiter ausübt. Dagegen regte sich in-
nerparteilich Widerstand. In der ver-
gangenen Woche war bekannt gewor-
den, dass Garben bei der Erstellung ih-
rer Blogbeiträge plagiiert hat. (bin.)

Nikosia bittet um Hilfe
Zypern bittet Deutschland und andere
EU-Staaten wegen deutlich steigender
Migrantenzahlen um die Übernahme
von 5000 Schutzsuchenden. „Ich muss
zugeben, dass unsere Möglichkeiten
und Ressourcen mehr als erschöpft
sind und wir riskieren, denjenigen, die
wirklich Schutz brauchen, nicht helfen
zu können“, schrieb Innenminister
Constantinos Petrides in einem Hilfe-
ruf an mehrere EU-Staaten sowie die
EU-Kommission. Gemessen an der
Einwohnerzahl, haben in Zypern 2018
im europäischen Vergleich die meisten
Menschen Asyl beantragt: Der Statis-
tikbehörde Eurostat zufolge waren es
7610 Menschen und damit 70 Prozent
mehr als im Vorjahr. Gut ein Viertel
von ihnen waren Syrer. (dpa)

Explosion in Kopenhagen
Vor der dänischen Steuerverwaltung in
Kopenhagen hat sich eine schwere Ex-
plosion ereignet. Die Polizei sprach am
Mittwoch von einem „Angriff“, der
sich offenbar gegen das Gebäude ge-
richtet habe. Hintergründe und mögli-
che Verantwortliche der Detonation
vom späten Dienstagabend waren am
Mittwoch noch unklar. Bilder vom Ein-
gangsbereich des Verwaltungsgebäu-
des zeigten erhebliche Schäden an Fas-
sade und Fenstern. Zwei Menschen, die
sich zu dem Zeitpunkt im Gebäude be-
funden hatten, blieben laut Polizei un-
verletzt. Eine Person im Freien sei von
Bruchstücken getroffen worden. (dpa)

„C14 nicht neonazistisch“
Die ukrainische Gruppierung „C14“,
die sich „nationalistisch“ nennt, darf
nicht als „neonazistisch“ bezeichnet
werden. Ein Gericht in Kiew verurteil-
te den Sender Hromadske TV, der dies
2018 auf Twitter getan hatte. Er muss
das Urteil veröffentlichen und die Ge-
richtskosten von etwa 125 Euro tragen.
Die Anwältin des Senders sah darin
eine Gefahr für die Meinungsfreiheit
und will in Berufung gehen. C14 wur-
de mehrfach mit Angriffen auf Roma-
Siedlungen und LGBT-Aktivisten in
Verbindung gebracht. Das Außenminis-
terium in Washington nennt C14 in ei-
nem neuen Bericht eine „nationalisti-
sche Hassgruppe“. (gna.)

Esper attackiert China
Im eskalierenden Handelskrieg zwi-
schen den Vereinigten Staaten und
China hat der amerikanische Verteidi-
gungsminister Mark Esper Peking
eine „räuberische“ Wirtschaftspolitik
vorgeworfen. China verstoße damit ge-
gen die internationale regelbasierte
Ordnung, „die wir aufrechtzuerhalten
versuchen“, sagte Esper am Mittwoch
laut der japanischen Nachrichtenagen-
tur Kyodo bei einem Treffen mit dem
japanischen Ministerpräsidenten Shin-
zo Abe in Tokio. Esper warf China zu-
dem „militärische Aggression“ vor.
„China destabilisiert weiterhin die Re-
gion“, sagte Esper laut Kyodo bei sei-
ner ersten Auslandsreise als neuer Ver-
teidigungsminister. (dpa)(Kommen-
tar Seite 8.)

Sushma Swaraj


Unter den Blicken von Tausenden

Hoffnungsvoll:Nyusi und Momade mit dem unterzeichneten Friedensvertrag in Maputo am Dienstag Foto AFP


Unruhen in


Kaschmir


Ein Demonstrant ums


Leben gekommen


Die Präsidenten telefonieren


Putin und Selenskyj sprechen nach Angriff in der Ostukraine


Wichtiges in Kürze


Lega muss Millionen zurückzahlen Personalien


Letzte Instanz bestätigt Urteil gegen Salvinis Partei


In Moçambique haben


dieRegierung und die


Renamo-Rebellen


einen Friedensvertrag


unterzeichnet. Das


Land hofft nun


darauf, dass endgültig


Frieden einkehrt.


Von Thilo Thielke

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