Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

Straße von Hormus


Absage an US-Militärmission


Die Bundesregierung lehnt die


Politik des maximalen Drucks


auf den Iran ab. Auch die


Union sieht die US-Operation


im Persischen Golf skeptisch.


Annett Meiritz, Donata Riedel
Washington, Berlin

U


S-Präsident Donald Trump
lässt die schwarz-rote Koaliti-
on wieder näher zusammen-
rücken. Es gelte weiter die Aussage,
dass „sich die Bundesregierung nicht
an der Politik des maximalen Drucks
auf den Iran beteiligen“ wolle, verlau-
tete am Dienstag aus Regierungskrei-
sen. Damit erteilt die Bundesregie-
rung der US-Regierung eine Absage.
Diese hatte laut einer Sprecherin der
US-Botschaft in Berlin die Bundesre-
gierung offiziell gebeten, sich an der
US-Marinemission „Sentinel“ zum
Schutz der Handelsschiffe im Persi-
schen Golf zu beteiligen.
„Eine gemeinsame Mission mit den
USA kann es aktuell nicht geben, da
die Europäer eine grundlegend ande-
re Politik gegenüber dem Iran vertre-
ten“, sagte Norbert Röttgen (CDU),
Vorsitzender des Auswärtigen Aus-
schusses des Bundestags, dem Han-
delsblatt. Auch der für Verteidigung
zuständige Unionsfraktionsvize Jo-
hann Wadephul (CDU) sieht das so:
„Deutschland kann sich im europäi-
schen Rahmen nur dann an einer
Mission beteiligen, wenn mit den
USA Einigkeit über die Gesamtstrate-
gie gegenüber dem Iran besteht. Da-
zu waren die USA bisher nicht be-
reit“, sagte er dem Handelsblatt.
Als vergangene Woche der damali-
ge britische Außenminister Jeremy
Hunt eine europäische Mission zum
Schutz der Handelsschifffahrt in der
viel befahrenen Straße von Hormus
anregte, hatten die beiden führenden
Unions-Außenpolitiker diese Bitte als
Chance gesehen, dass die Europäer
mit einer militärischen Beobachter-
mission deeskalierend im Konflikt
zwischen dem Iran und USA wirken
könnten. „Umso bedauerlicher“ fin-
det Röttgen nun den Strategiewech-
sel der neuen britischen Regierung:
Diese hatte sofort nach Amtsantritt
eine gemeinsame Operation mit den
USA angekündigt. Damit, so Röttgen,
werde eine Chance verpasst, „dass
die Europäer eine Antwort auf die Si-
tuation im Golf entwickeln“.

Das Nein zu einer Bundeswehr-Be-
teiligung an einer US-Militäroperati-
on eint die Koalition. „Das Mittel der
Wahl für die Bundesrepublik ist vor-
rangig immer eine Diplomatie, die
auf Deeskalation abzielt“, sagte der
SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Fel-
gentreu dem Handelsblatt. Er be-
kannte sich aber auch zum Weißbuch
der Regierung, „das die Sicherheit
der Seewege als eine Aufgabe für die
Bundeswehr definiert“. Deshalb wer-
de auch die SPD einen Bundeswehr-
Einsatz im Rahmen eines Systems
kollektiver Sicherheit, also der UN,
der Nato oder der EU, „niemals aus-
schließen“, so Felgentreu.

Die USA entwickeln seit einem Mo-
nat Grundlagen für eine multinatio-
nale Operation, die die ungehinderte
Schifffahrt im Persischen Golf, in der
Straße von Hormus, in der Bab-el-
Mandeb-Straße und im Golf von
Oman gewährleisten soll. Mitte Juli
gab das Nahost-Zentralkommando im
Pentagon den Startschuss für die
konkrete Planung der Operation
„Sentinel“. Anfragen stellten die USA
außer an Deutschland auch an Frank-
reich, Großbritannien, Südkorea und
Japan. Einzelne Nationen sollen dem-
nach für den Schutz der Frachter, die
unter ihrer jeweiligen Flagge fahren,
verantwortlich sein, die USA würden
die Operation koordinieren.

Washington macht Druck


Außenminister Mike Pompeo bekräf-
tigte, die USA würden sich „zu einem
wesentlichen Teil“ an der Gefahren-
abwehr für den Seeverkehr beteili-
gen. Am Montag erhöhte er den
Druck auf Verbündete. Die Umset-
zung werde „mehr Zeit in Anspruch
nehmen, als wir uns wünschen“, sag-
te er bei einer Veranstaltung des Eco-

nomic Club of Washington. „Wir
brauchen Länder aus der ganzen
Welt, die uns beim Schutz der Gesell-
schaft unterstützen.“
Noch scheint die Umsetzung der
Operation recht vage. Der neue Ver-
teidigungsminister Mark Esper gab
vergangene Woche erste Hinweise,
wie sich die USA den Ablauf vorstel-
len: Für unter amerikanischer Flagge
fahrende Schiffe werde das US-Militär
entscheiden, ob ein Handelsschiff ei-
ne Eskorte in den wichtigen Wasser-
straßen der Region benötige, „sobald
die Gefahr besteht, gestoppt oder be-
schlagnahmt zu werden“.
Esper betonte, dass sich US-Kriegs-
schiffe nicht direkt neben einem
Handelsschiff befinden müssten, um
es zu schützen. Es genüge, „in der
Nähe zu sein und schnell genug rea-
gieren zu können, um eine Provokati-
on zu verhindern“. Nicht hinter je-
dem Schiff in der Straße von Hormus
„muss zwingend ein Zerstörer fah-
ren“. Sollten die Iraner versuchen,
ein unter US-Flagge stehendes Han-
delsschiff zu erobern, würde das US-
Militär eingreifen, so Esper.
Die Sicherheit der Seeschifffahrt ist
Thema, seit der Iran ein britisches
Handelsschiff in der Straße von Hor-
mus festgesetzt hat – als Antwort auf
die Beschlagnahmung eines irani-
schen Öltankers durch Großbritan-
nien in Gibraltar. Die Briten begrün-
deten die Aktion mit den Sanktionen
gegen den Iran. Die USA hatten die
Strafmaßnahmen verschärft, nach-
dem sie das internationale Atomab-
kommen einseitig aufgekündigt hat-
ten. Die Europäer allerdings wollen
das Abkommen erhalten, mit dem
sich der Iran zum Verzicht auf die
Entwicklung einer eigenen Atom-
bombe verpflichtet hatte.
Die Bundesregierung blickt insge-
samt skeptisch auf das Agieren der
USA in der Golfregion. Am 8. Juli hat-
te Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
dem Wunsch Trumps nach deut-
schen Bodentruppen in Syrien eine
Absage erteilt. Die Bundeswehr-Sol-
daten sollten US-Truppen im Kampf
gegen den IS ersetzen.
Erwogen wird aber, die Bundes-
wehr-Beteiligung am Anti-IS-Einsatz
zu verlängern. Das Mandat für die
Aufklärungstornados, die von Jorda-
nien aus nach IS-Stellungen in Syrien
und dem Irak fahnden, würde ohne
neues Mandat am 31. Oktober aus-
laufen.

Heiko Maas in einer
Transall-Maschine:
Der Außenminister
würde gerne anders
agieren, als seine
Partei es zulässt.

Sabine Siebold/REUTERS

Die SPD, die erkennbar bemüht


war, Gründe für eine Nichtbeteili-


gung der Bundesmarine zu finden,


kann somit ihre Haltung leichter


rechtfertigen. Und Mützenich kann


dem Eindruck, es gebe Streit mit


Maas, nun kraftvoll entgegentreten.


„Die SPD-Fraktion unterstützt Au-


ßenminister Maas in seinen Bemü-


hungen zur diplomatischen Regelung


der Krise am Golf “, sagte er dem


Handelsblatt. Maas habe zu Recht da-


rauf hingewiesen, dass die Priorität


auf Deeskalation und Verhandlungen


liegen müsse Eine Beteiligung an der


US-amerikanischen Strategie des ma-


ximalen Drucks komme nicht infrage


(siehe Text rechts).


Die Einigkeit in der Ablehnung der


US-Politik verdeckt nur notdürftig,


wie eng der Handlungsspielraum für


den deutschen Außenminister ist.


Schon kündigen sich die nächsten


Kontroversen mit der SPD-Fraktion


an. Mützenich fühlt sich nicht an die


Zusage der Bundesregierung gebun-


den, den Verteidigungsetat bis 2024


in Richtung von zwei Prozent der


Wirtschaftskraft anzuheben. Die an-


haltende Debatte vergleicht er im


Bundestag mit dem biblischen „Tanz


ums goldene Kalb“.


Zugleich beharrt Mützenich darauf,


das Bundeswehrmandat für den


Kampf gegen die Terrormiliz Islami-


scher Staat auslaufen zu lassen. Maas,


der Multilateralist, hält eine Verlänge-


rung dagegen für „unabdingbar“. Sei-


ne großen politischen Sorgen besche-


ren ihm derzeit die eigenen Leute.


Britischer Tanker
und iranisches
Schnellboot:
Blockade in
der Meerenge.

Morteza Akhoondy/dpa

Eine gemeinsame


Mission mit den USA


kann es aktuell


nicht geben.


Norbert Röttgen
CDU

Wirtschaft & Politik
MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145


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