KOMMENTAR
TORSTEN KRAUEL
Wunder
brauchen Zeit
A
ktionismus und rhetorische
Heilsversprechen bringen
nichts, das merkt nun auch
Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder. Die Einrichtung eines ei-
genen bayerischen Amtes für Asyl
„und Rückführungen“ hat die Zahl
der Rückführungen ausreisepflichti-
ger Asylbewerber nicht imposant in
die Höhe schnellen lassen. Die Zah-
len sind annähernd gleich hoch wie
zuvor. Eine neue Behörde mehr oder
weniger führt zu keinem durch-
greifenden Erfolg – wenn höhere
Ausreisezahlen überhaupt ein
Schlüsselmaßstab für erfolgreiche
Ausländerpolitik sind.
Daran sind Zweifel begründet. Den
AAAusreisestau gibt es nicht, weil reni-usreisestau gibt es nicht, weil reni-
tente Betrüger mithilfe böswilliger
Helfer jedes rechtliche Schlupfloch
nutzen. Es gibt ihn hauptsächlich
deswegen, weil Deutschland darauf
verzichtet, Menschen in Länder zu-
rückzuschicken, die entweder die
AAAufnahme verweigern oder vorufnahme verweigern oder vor
schweren Krisenlagen stehen.
Deutschland handelt aus zwei Grün-
den so. Erstens wäre es Völkerrechts-
bruch, Länder zur Aufnahme von
Menschen zu zwingen, deren Her-
kunft aus diesem Land nicht zwei-
fffelsfrei feststeht – auch dann, wennelsfrei feststeht – auch dann, wenn
sich das Zielland wider besseres Wis-
sen weigert. Solche Verdachtsfälle
müssen bilateral geklärt werden, und
sie werden es auch. Aber das kostet
Zeit. Zweitens wäre es ein Verfas-
sungsbruch, Asylbewerber wegzuschi-
cken, die in Deutschland gegen ihre
AAAusweisung klagen. Denn das Asyl-usweisung klagen. Denn das Asyl-
recht ist ein Grundrecht. Artikel 1 des
Grundgesetzes sagt ausdrücklich,
dass die Menschenwürde und die
Grundrechte für alle Menschen gel-
ten, nicht nur für Deutsche. Sie dür-
fffen eingeklagt werden – mit der ein-en eingeklagt werden – mit der ein-
zigen Einschränkung, dass der In-
stanzenweg beim Asylrecht vor dem
Bundesverwaltungsgericht endet.
Diese Besonderheit führt dazu,
dass Asylbewerber auch Sozialleis-
tungen bekommen und befristete
Arbeitserlaubnisse – und Deutsch-
land so die Unterscheidung zwischen
Asyl und Einwanderung bis zur Un-
kenntlichkeit verwischt. Der Arbeits-
markt für Flüchtlinge entwickelt sich
aaauch deshalb unbefriedigend. Zwaruch deshalb unbefriedigend. Zwar
sind viele inzwischen in Lohn und
Brot, aber meistens in perspektivlo-
sen Hilfsjobs. Das „zweite Wirt-
schaftswunder“, von dem 2015 der
fffrühere Daimler-Vorstandschef Dieterrühere Daimler-Vorstandschef Dieter
Zetsche sprach, lässt auf sich warten.
Zetsche sagte allerdings nur, „im
besten Falle“ gebe es ein solches
WWWunder, und einen Zeitpunkt nannteunder, und einen Zeitpunkt nannte
er nicht. Das war angemessen, denn
ein solches Wunder braucht Zeit.
Ohne ein EU-weites Asylrecht mit
wirksamen Außengrenzen läuft die
Zeit davon. Die nächste Flüchtlings-
welle aus Westafrika rollt bereits.
[email protected]
DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,30.JULI2019 FORUM 15
A
ußen- und Sicherheits-
politik gilt in Deutschland
nicht als Gewinnerthema:
Der Auswärtige Ausschuss
des Bundestages wird
dominiert von Politikern, die ihre
Karrieren hinter sich haben. Die Eu-
ropapolitik, das Verhältnis zu den USA
und zu China – das wird aus dem
Kanzleramt gemacht, im Rest der
Welt verteilt das Entwicklungshilfe-
ministerium immer mehr Geld. Das
einst stolze Auswärtige Amt verlor in
den Merkel-Jahren nicht nur die Vize-
kanzlerschaft, sondern auch seine
Autorität. Ein Joschka Fischer las sich
wenigstens noch zwei Jahre lang
gründlich ein, bevor er auf die außen-
politische Bühne trat (als Aspirant für
seine Nachfolge tat es ihm der Grüne
Cem Özdemir übrigens nach). Doch
das ist eine Ausnahme: Die große
Koalition besetzte die für interna-
tionale Sicherheitspolitik zuständigen
Kabinettsposten zuletzt mit Heiko
Maas und Annegret Kramp-Karren-
bauer, also Novizen. Ziel der Über-
raschungspersonalien war in beiden
Fällen, politische Konkurrenten drau-
ßen (Sigmar Gabriel) oder klein (Jens
Spahn) zu halten.
Kein Wunder, dass die Parteien
Außenpolitik, wenn überhaupt, nur
pflichtgemäß verhandeln. Im von
Kramp-Karrenbauer durchaus ambi-
tioniert angelegten Prozess für ein
neues CDU-Grundsatzprogramm etwa
kommt die Außenpolitik bei den zwölf
Leitfragen nur als allerletzte, fast
pflichtgemäß vor.
Die sehr schnelle Moralisierung von
Politik, die auch unsere innenpoliti-
schen Debatten zunehmend er-
schwert, beschädigt das öffentliche
Gespräch über Außenpolitik noch
stärker. So brach die Kanzlerin etwa
den Versuch ab, den von ihr durch-
gesetzten Flüchtlingsdeal der EU mit
dem als Schurken markierten türki-
schen Präsidenten Recep Tayyip Er-
dogan der Öffentlichkeit zu erklären.
chen Präsidenten Recep Tayyip Er-
ogan der Öffentlichkeit zu erklären.
chen Präsidenten Recep Tayyip Er-
AAAuch Merkels Begründung für dieuch Merkels Begründung für die
Sanktionspolitik der EU nach der
Annexion der Krim drang gegen Ste-
reotype vom gedemütigten Russland
nicht durch. Vielleicht auch deshalb
erliegt Merkel im Herbst ihrer Kanz-
lerschaft immer öfter der Versuchung,
sich als Antipode zum unpopulären
US-Präsidenten zu inszenieren.
Hier steckt Deutschland in einem
Teufelskreis: Die Politik traut dem
Publikum zu Recht immer weniger
außenpolitische Debatten zu, das
Publikum verlernt auch deshalb au-
ßenpolitische Debatten immer schnel-
ler. Dabei kommen wir um solche
einfach nicht mehr herum: Die trans-
atlantische Sicherheitsgarantie wird
vom amerikanischen Präsidenten
infrage gestellt; die europäische Ei-
nigung wird vom Brexit infrage ge-
stellt; die weltweit offenen Märkte
werden von regionalen Konflikten
infrage gestellt. Welche Antworten
will Deutschland darauf geben?
Wie konkret und wie dringlich die-
se Frage ist, lernen wir in diesem
Sommer – in dem zwei wichtige Ent-
scheidungen anstehen. Die erste: Soll
sich die Bundesrepublik an einer eu-
ropäischen Mission in der Straße von
Hormus beteiligen, wie sie die Briten
ins Spiel gebracht haben? Dafür
spricht alles. Erstens, kaum etwas ist
fffür Deutschlands Sicherheit wichtiger,ür Deutschlands Sicherheit wichtiger,
als dass auch nach einem wie auch
immer chaotisch gestalteten Austritt
des Vereinigten Königreichs aus der
EU die Zusammenarbeit mit den Bri-
ten in der Sicherheitspolitik keinen
Schaden nimmt – ja im Gegenteil
sogar ausgebaut wird. Das Prinzip der
fffreien Seewege ist, zweitens, ein Teilreien Seewege ist, zweitens, ein Teil
der regelbasierten Weltordnung, die
Deutschland erklärtermaßen immer
anstrebt. Drittens würde der zur Ab-
schreckung iranischer Staatspiraterie
gedachte Einsatz die deutsche Außen-
Große Koalition,
kleiner Konsens
Der Streit über ein deutsches Engagement in
der Straße von Hormus wird zeigen, ob Union
und SPD noch ausreichend außenpolitische
Gemeinsamkeiten haben. Wenn nicht,
braucht es bald neue Mehrheiten
ROBIN ALEXANDER
LEITARTIKEL
Das Prinzip der
freien Seewege
ist ein Teil der
regelbasierten
Weltordnung, für
die Deutschland
steht
politik an einer Stelle ausbalancieren,
bei der sie zuletzt einseitig zu wirken
drohte. Der Versuch, trotz des Aus-
stiegs der USA aus dem Atomabkom-
men mit dem Iran an diesem fest-
zuhalten, ist richtig. Auch die Bemü-
hungen, deutschen Unternehmen den
Handel mit dem Iran trotz drohender
sogenannter Sekundärsanktionen zu
ermöglichen, sind vertretbar.
Wenn die USA nach einem Wechsel
des Präsidenten eine so schroffe Kehre
in ihrer Iranpolitik vornehmen, kön-
nen sie nicht erwarten, dass ihre Ver-
bündeten ihr kritiklos folgen – oder
sich gar dazu zwingen lassen. Zuletzt
drohte freilich der fatale Eindruck der
Äquidistanz zu den USA und dem Iran
aufzukommen. Es kann aber nicht um
Neutralität gehen, sondern nur um
einen Dissens, auf welche Weise man
die atomare Bewaffnung des Iran ver-
hindert und seine aggressive Außen-
politik eindämmt. Eine europäisch-
britische Mission in der Straße von
Hormus wäre ein guter Beitrag dazu.
Das aus der CDU-Fraktion vorgetrage-
ne Argument, dazu hätten die Briten
keine vernünftige strategische Planung
vorgelegt, weist mit vier Fingern auf
den Urheber zurück: Warum wird
Deutschland nicht selbst aktiv?
Das Gleiche gilt für die zweite au-
ßenpolitische Frage dieses Sommers:
Soll sich Deutschland weiterhin an
der Mission gegen die Terrorgruppe
IS im Irak beteiligen? Dazu müsste
der Bundestag das Mandat im Herbst
verlängern. Auch hier gilt: Alles
spricht dafür. Als vor einem Jahr Prä-
sident Trump plötzlich ankündigte,
alle Amerikaner aus Syrien abzuzie-
hen, war in allen europäischen Haupt-
städten – besonders in Berlin – der
AAAufschrei über den erratischen ame-ufschrei über den erratischen ame-
rikanischen Präsidenten groß: Die
Terrorgruppe sei noch nicht besiegt.
Ein vorschneller Rückzug gefährde
die prekäre Stabilität und schaffe ein
VVVakuum für autoritäre Mächte. Dasakuum für autoritäre Mächte. Das
stimmte alles. Und so gelang es den
VVVernünftigen in Washington, ihrenernünftigen in Washington, ihren
Präsidenten umzustimmen. Nun wol-
len die Amerikaner doch noch blei-
ben. Und nun sollen stattdessen die
Deutschen gehen?
Das ergibt keinen Sinn.
Eine regelbasierte Weltordnung
wird in den Zeiten nach der Pax Ame-
ricana nur zu erhalten sein, wenn
Deutschland den eigenen Einsatz
erhöht und die Zusammenarbeit mit
den anderen westlichen Verbündeten
intensiviert. In diesem Sommer gibt
es zwei Anwendungsfälle. Falls die in
einer tiefen Identitäts- und Führungs-
krise befindliche SPD nicht mehr die
Kraft hat, dies mitzutragen, sollten
andere Mehrheiten gesucht werden.
Die Liberalen, die unter Guido Wes-
terwelle noch einem nostalgischen
Genscherismus frönten, haben in den
vergangenen Jahren dazugelernt.
Noch steiler sind die Lernkurven
einiger grüner Fachpolitiker. Ob sich
die Realos der Außen- und Sicher-
heitspolitik gegen linke Funktionäre
in der Partei mittelfristig tatsächlich
durchsetzen können? Außenpolitische
VVVernunft war früher ein klassischesernunft war früher ein klassisches
Argument für große Koalitionen. Aber
auch hier könnten sich die Zeiten
geändert haben.
[email protected]
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ich als Antipode zum unpopulären
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erschaft immer öfter der Versuchung,erschaft immer öfter der Versuchung,П
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"What's "What's Teufelskreis: Die Politik traut demTeufelskreis: Die Politik traut dem
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S-Präsidenten zu inszenieren.
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