Handelsblatt - 22.07.2019

(sharon) #1

D


ie Grenzen der Bankenbranche lö-
sen sich bereits seit Längerem auf.
Ausgehend vom Zahlungsverkehr
drängen Technologieunternehmen


  • kleine wie große – als Wettbewer-


ber immer stärker in die Wertschöpfungsketten


der Banken.


Dieser Trend ist aus Kundensicht positiv, bie-


ten digitale Angebote wie automatisierte Anlage-


beratung durch Robo-Advisor, Zins- und Kredit-


portale oder digitale Zahlungsanbieter doch


Komfort, Transparenz und Mehrwert. Auch die


Banken gewinnen: Impulse, Know-how, Koopera-


tionspartner und nicht zuletzt einen gesunden


Wettbewerbsdruck. Inzwischen hat die starke


Durchdringung des Marktes insbesondere durch


Fintechs ein breites Spektrum digitaler Infra-


strukturanbieter hervorgebracht. Weit weniger


fortgeschritten ist hingegen die Debatte darüber,


ob unsere ordnungspolitischen Vorstellungen


den neuen Realitäten noch gewachsen sind.


Die Öffnung des Marktes für Finanzdienstleis-


tungen ist nicht zuletzt der ausdrückliche


Wunsch der Politik. Die in diesem Zusammen-


hang oft angeführte europäische Zahlungsdiens-


terichtlinie (PSD II) hat auch das Ziel, mithilfe


neuer Wettbewerber Innovationen zu beschleu-


nigen. Diese im Grunde begrüßenswerte Ent-


wicklung könnte nun auf einen Wendepunkt zu-


steuern. Denn neben jungen Start-ups engagie-


ren sich Unternehmen im Markt, die darauf


drängen, die Spielregeln im eigenen Sinne umzu-


schreiben – die Rede ist von großen Internet-


oder Technologiefirmen wie Apple, Tencent,


Facebook oder Amazon.


Verbraucher sind von der radikalen Einfach-
heit dieser Angebote überzeugt. Die teils kontro-
versen gesellschaftlichen Diskussionen, mit de-
nen sich die sogenannten Big Techs in ihrem
Kerngeschäft konfrontiert sehen – sei es die Da-
ten-Monopolisierung, politische Instrumentali-
sierung oder die Auslegung steuerlicher Ver-
pflichtungen –, werden vom Endkunden (noch)
weitgehend ausgeblendet.
Hier treffen im Schatten von Benutzerfreund-
lichkeit und Innovation mit den Banken und den
Big Techs nicht nur zwei systemkritische daten-
orientierte Branchen aufeinander. Die neue Kon-
kurrenz bringt auch ein anderes Marktverständ-
nis mit: Anstelle des freien Wettbewerbs tritt die
geschlossene Plattformökonomie – mit den Big
Techs als Türstehern. Dabei geht es nicht mehr
nur um Marktanteile, sondern um Marktbeherr-
schung.

Nicht dem Markt überlassen
Langfristig ist dies weder im Interesse der Ban-
ken noch der Politik und der Verbraucher. Die
Frage, die sich hier herausbildet, ist: Brauchen
wir neue ordnungspolitische Spielregeln? Bei al-
ler Sorgfalt, die die Antwort auf diese Frage er-
fordert, muss klar sein: Eine abwartende Haltung
von Regulierern und Politik spielt allein den glo-
balen Technologiekonzernen in die Hände.
Man kann den Markt an dieser Stelle nicht sich
selbst überlassen, sondern muss aktiv einen Rah-
men setzen. Dabei geht es weder um Protektio-
nismus oder Bestandsschutz für die herkömmli-
che Finanzindustrie. Es geht um die Sicherstel-
lung von Wettbewerb und damit den Erhalt der

Sozialen Marktwirtschaft. Auch in digitalen Zei-
ten muss Ordnungspolitik ein Ziel haben: gleiche
Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen.
Dafür braucht es klare Prinzipien. Das wich-
tigste lautet Gleichbehandlung. Wenn Banken et-
wa dazu verpflichtet sind, ihre Datenschnittstel-
len zu öffnen, muss das für Big Techs ebenso gel-
ten. Gleiches gilt für die Offenheit von
Zahlungssystemen auf mobilen Endgeräten. Fair
kann der Wettbewerb außerdem nur bleiben,
wenn es Marktteilnehmern erlaubt wird, in hö-
herem Maße zusammenzuarbeiten und Stan-
dards zu etablieren. Diesem Umstand muss das
Kartellrecht stärker Rechnung tragen.
Unabhängig davon wird die Finanzbranche
weiter ihre Hausaufgaben machen müssen. Das
beginnt bei der konsequenten Nutzung von Da-
ten für eine bessere Kundenbindung – ohne da-
bei die hohen Anforderungen im Datenschutz
aufzuweichen. Und es setzt sich fort in einer stär-
keren Zusammenarbeit über Länder und die Säu-
len des Bankensystems hinweg. Wir Banken müs-
sen einerseits geschlossen den Dialog mit der Po-
litik suchen, andererseits unsere gemeinsamen
Infrastrukturen zum Beispiel im Zahlungsver-
kehr ausbauen oder, wie aktuell, gemeinsam An-
gebote wie die digitale Identifizierung ermögli-
chen.
Es geht nicht um Abschottung, sondern viel-
mehr um den Erhalt des Wettbewerbs als Grund-
pfeiler einer offenen Gesellschaft.

Wettbewerb


erhalten


Große Technologiefirmen im Bankenmarkt


erfordern neue Regeln, findet Cornelius Riese.


Der Autor ist Co-Vorstandsvorsitzender der
DZ Bank, dem Spitzeninstitut der
Genossenschaftsbanken in Deutschland.

DZ BANK AG [M]

Anstelle


des freien


Wettbewerbs


tritt die


geschlossene


Plattform-


ökonomie –


mit den Big


Techs als


Türstehern.


Dabei geht


es nicht mehr


nur um


Marktanteile,


sondern um


Marktbe -


herrschung.


    
 



        

   
 





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Gastkommentar
MONTAG, 22. JULI 2019, NR. 138

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