Die Zeit - 25.07.2019

(WallPaper) #1

26 WIRTSCHAFT 25. Juli 2019 DIE ZEIT No 31


S


ie liebt die Rolle der Königin, die
sich unerkannt durch ihr Reich
bewegt. Neulich fuhr Alexandra
Schörghuber in München mit dem
Taxi zu einem Termin in eines ihrer
Hotels. ihr Schwiegervater hatte
das Haus einst gebaut und nach
seiner Tochter Arabella benannt. Weil dieser Name
aber den amerikanischen Gästen nichts sagte, wur-
de das markante Gebäude umbenannt. Heute
heißt es The Westin Grand Hotel, weshalb der
Taxifahrer, der Schörghuber dorthin chauffierte,
überzeugt war, die Familie habe es verkauft. Ein
schwerer Fehler, wie er fand. Die unerkannte Ei-
gentümerin beruhigte ihn, so erzählt sie es: »ich
weiß aus sicherer Quelle: Das Hotel gehört schon
noch der Familie. Aber behalten Sie’s für sich.«
Alexandra Schörghuber, 61 Jahre alt, eine Frau mit
üppigen locken und herzlichem lachen, zählt mit
einem auf fünf Milliarden Euro geschätzten
Vermögen zu den reichsten Deutschen. Sie führt – zu-
sammen mit dem neuen Vorstandschef Nico Nus-
meier – in dritter Generation die Schörghuber unter-
nehmensgruppe. Dieser bayerische Familienkonzern
mit Sitz in München besitzt Hotels, baut immobilien
und ist Miteigentümer der Paulaner Brauerei. Doch
anders als Friede Springer oder liz Mohn sucht Ale-
xandra Schörghuber nicht die Nähe zu den Reichen
und Mächtigen des landes. im Gegenteil.
in der Münchner Promi-und-Bussi-Gesell-
schaft glänzt sie durch Abwesenheit. Sie drängt
sich nicht vor die Kameras, und ehe sie Gelegen-
heit für ein Gespräch mit der ZEIT fand, verging
ein Jahr. »Schauspieler und Fußballer brauchen die
Öffentlichkeit, ich brauche das nicht.« Diese un-
ternehmerin fühlt sich am wohlsten, wenn sie un-
erkannt im Hintergrund bleiben kann.


Die Familie ist Schörghubers wichtigste
Bezugsgröße, »meine Mitte«, wie sie sagt


So war das ja auch vorgesehen: 1988 heiratete sie
Stefan Schörghuber, den Sohn des unternehmens-
gründers. Das Paar bekam drei Kinder, sie wuch-
sen südlich von München auf einem Gutshof in
Wackersberg auf. Der Schwiegervater, den man
sich als bayerischen Patriarchen vorstellen darf,
musste sich allerdings mit einer Schwiegertochter
arrangieren, die eigenes Profil hatte. Alexandra
Schörghuber ist die Tochter eines evangelischen
Pfarrers, ihre Kinder ließ sie evangelisch taufen.
»Am Anfang war das ein Thema, im tiefsten Ober-
bayern fiel das ja auf. Aber wir haben das gelöst«,
sagt sie mit ruhigem Selbstbewusstsein.


1995 übernahm ihr Ehemann den Familien-
konzern. Als die Kinder aus dem Gröbsten heraus
waren, begann sie ein Privatstudium, ließ sich
von einem Professor in Jura und Betriebs-
wirtschaftslehre unterrichten. »ich kann keine
Bilanz aufstellen, aber ich kann sie lesen«, sagt sie
offen. »ich wollte meinem Mann ein Sparrings-
partner sein, dem er zu Hause ungefiltert seine
unternehmerischen ideen erzählen kann. Das hat
er auch gebraucht, denn die Familie ist der einzi-
ge Ort, an dem man ungeschützt seine Gedanken
äußern kann.«
Alexandra Schörghuber hat keine Affinität zu
den großen Theorien der Ökonomie entwickelt.
Sie ist eine Pragmatikerin der Marktwirtschaft. Als
unternehmerin wie als Mensch orientiert sie sich
an der Familie, das ist ihre wichtigste Bezugsgröße.
Die Familie bezeichnet sie als »ihre Mitte«. »Wenn
ich da gut aufgehoben bin, bin ich sicher«, sagt sie.
Am 25. November 2008 starb Stefan Schörg-
huber urplötzlich im Alter von 47 Jahren an Herz-
versagen. Noch am selben Tag trat die damals
50-Jährige vor die Belegschaft und erklärte, dass
sie das unternehmen weiterführen werde. Sie traf
diesen Entschluss mitten in der weltweiten Ban-
ken- und Finanzkrise. Heute sagt Schörghuber:
»ich habe keine Sekunde überlegt und habe mich
mit niemandem beraten. ich hatte auch keine Zeit
zu zweifeln, ob ich der Aufgabe gewachsen bin.
Die beängstigenden weltwirtschaftlichen Rah-
menbedingungen habe ich verdrängt, weil mir klar
war: ich muss jetzt einfach. Wir sehen dann schon,
was passiert.«
Die Quereinsteigerin ließ sich von erfahrenen
Managern des Konzerns beraten. Einer von ihnen
war Robert Salzl. Er sagt im Rückblick: »Sie woll-
te kein Vakuum entstehen lassen, sondern hat die
Pflicht übernommen, das unternehmen im Sinne
der Familie fortzuführen. Gleichzeitig hat sie ihren
Kindern Trost und Kraft gegeben – das war eine
fast übermenschliche Herausforderung.« Robert
Salzl sagt, bei Alexandra Schörghuber seien die
rational entscheidende und die empathische Seite
gut ausbalanciert.
Die Paulaner Brauerei gehört zu den Sponsoren
des FC Bayern. Seit sechs Jahren sitzt Schörghuber
im Verwaltungsbeirat des Vereins, lange war sie die
einzige Frau in diesem Gremium. Dort diskutiert
sie mit dem früheren bayerischen Ministerpräsi-
denten Edmund Stoiber und Ex-Siemens-Chef
Heinrich von Pierer. Bayern Münchens Präsident
uli Hoeneß schätzt ihre »superseriöse Art« und
sagt: »Sie hat eine klare Meinung, aber sie wirkt
ausgleichend. ihr unternehmerischer Rat ist Gold

wert.« Für Schörghuber sei der persönliche Ein-
druck wichtig, den sie von ihrem Gegenüber ge-
winne, sagt Hoeneß. Als er wegen Steuerhinterzie-
hung im Gefängnis saß, hat er sie nach eigener
Aussage so erlebt: »Sie gehört nicht zu den Men-
schen, die einen fallen lassen.«
Hart aber kann sie sein, wenn das unterneh-
men auf dem Spiel steht. »Das musste ich lernen«,
sagt sie lapidar, »das war learning by Doing.« Am
schwersten sei ihr die umstrukturierung der Ara-
bella-Hotels gefallen, erzählt sie. Das hängt wohl
auch mit ihrem Werdegang zusammen: Nach dem
Abitur habe sie nicht genau gewusst, was sie woll-
te. Da habe ihr Vater gesagt: »Geh auf die Hotel-
fachschule. und wenn’s nicht das Richtige ist, hast
du wenigstens was für den Haushalt gelernt.« in
der Hotellerie gewöhnte sich die junge Frau an
einen Alltag, der nicht in Bürozeiten von Montag
bis Freitag strukturiert ist. »ich hatte schon ein
leben vor Schörghuber«, sagt sie.
ihr Schwiegervater Josef Schörghuber baute ab
den Sechzigerjahren die Arabella-Hotels, auch in
Südafrika war man vertreten. Doch auf dem in-
ternationalen Markt zählte Arabella nicht zu den
Großen. Heute gehören nur noch 19 Hotels zum
unternehmen, die meisten werden von der ameri-
kanischen Kette Marriott betrieben, zu der auch
die Marke Westin gehört. »Das ist mir nicht leicht-
gefallen«, sagt Alexandra Schörghuber, »die Ent-
scheidung war wirtschaftlich richtig, aber emotio-
nal hätte ich sie lieber anders getroffen.«
Auch beim umstrittensten Projekt des unter-
nehmens ist sie gefühlsmäßig beteiligt. Mitten in
München baut Schörghuber gerade ein neues
Stadtviertel. Am traditionsreichen Nockherberg,
Stammsitz der alten Paulaner Brauerei, entstehen
Wohnungen für 3500 Menschen. Die Quadrat-
meterpreise der Eigentumswohnungen reichen bis
zu 20.000 Euro, da setzt es Vorwürfe der kapitalis-
tischen Preistreiberei. »Wir fühlen uns zu unrecht
an den Pranger gestellt. Es tut weh, wenn einem
unterstellt wird, man sei geldgierig«, sagt Schörg-
huber und zählt auf, welche sozialen Gesichts-
punkte sie am Nockherberg berücksichtigt: »Vor
Baubeginn gab es eine groß angelegte Bürgerbetei-
ligung. Wir nehmen 320 Wohnungen als Miet-
wohnungen in den Bestand und folgen dem Ap-
pell des Oberbürgermeisters und schaffen 30
Wohnungen für unsere Mitarbeiter.«
Die unternehmerin bekommt unterstützung
von unerwarteter Seite. »Eigentlich müsste man
nicht Häuser von investoren besetzen, sondern das
Rathaus«, sagt Maximilian Heisler von dem un-
abhängigen »Bündnis bezahlbares Wohnen«. Er

hebt hervor, dass Schörghuber der Stadt einen Teil
des Areals zu einem marktüblichen Preis verkaufen
wollte – dort hätte die öffentliche Hand rund 160
geförderte Wohnungen bauen können. Die Stadt
lehnte dieses Angebot ab, sie habe kein Geld. Heis-
ler urteilt sarkastisch: »Die Politik hat sich an die
Klagen über exorbitante Mieten gewöhnt.«

Ob eines ihrer drei Kinder Schörghuber
nachfolgt, ist noch unklar

Ein wertvolles Grundstück auf dem Nockherberg
hat Alexandra Schörghuber verschenkt. Dort darf
die Stiftung Nicolaidis YoungWings ihr sogenann-
tes Sternenhaus bauen, in dem sie junge Trauernde
nach dem Verlust ihres Partners oder eines Eltern-
teils begleitet. Martina Münch-Nicolaidis hat im
Alter von 29 Jahren ihren Mann verloren, dieses
Schicksal verbindet sie mit Alexandra Schörghu-
ber. An der unternehmerin schätzt sie vor allem
zwei Eigenschaften: »Sie ist verlässlich und auf
eine unaufgeregte Art klar.«
Alexandra Schörghuber hatte nach dem Tod
ihres Mannes keine Zeit zu trauern. Sie sagt: »Auf
der einen Seite hilft es, wenn man dauernd be-
schäftigt ist. Aber in manchen Nächten kommt die
Trauer auch jetzt noch hoch. Da helfen mir die
Kinder und gute Freunde.«
Vor vier Jahren hat sie noch einmal geheiratet.
Mit Bernd Werndl teilt sie ihre leidenschaft für
Oldtimer. Diese sind neben dem Privatflugzeug
der größte luxus, den sie sich leistet. Die Milliar-
därin besitzt keine Jacht – »ich schwimme lieber
selbst im Wasser«. Am liebsten fährt sie einen
BMW 507, dieser Roadster wurde in ihrem Ge-
burtsjahr 1958 gebaut. »Wir Schörghubers waren
schon immer autoaffin«, sagt sie. »Freunde spot-
ten, wir kämen mit sechs Autos, wenn wir zu fünft
irgendwo hinfahren.«
ihre drei Kinder sind in das unternehmen ein-
gebunden und müssen als Gesellschafter die Stra-
tegie des Familienkonzerns mitbestimmen. ihre
Anteile dürfen sie nicht verkaufen, das legt ein Ver-
trag fest. Ob sie in die operative Geschäftsführung
einsteigen, ist noch nicht sicher. in den nächsten
zehn Jahren will Alexandra Schörghuber ihren
Chefposten übergeben, nach Möglichkeit an ein
Mitglied der Familie. »irgendwann möchte ich
nicht mehr der Sklave meines Terminkalenders
sein«, sagt sie. Ein bisschen arbeitet sie schon heute
daran. Kürzlich hat sie beschlossen, sich aus dem
Aufsichtsrat der Paulaner Brauerei zurückzuzie-
hen. »Diese Entscheidung verhilft mir zu sechs
freien Tagen im Jahr.«

Stille Macht


Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes übernahm Alexandra Schörghuber vom einen Tag auf den anderen den Paulaner-Konzern VON JOHANNES SCHWEIKLE


WAS BEWEGT ALEXANDRA SCHÖRGHUBER?


Erst Bier, dann Lachs


Die Expansion
Der Bauingenieur Josef Schörghuber
gründete 1954 die Firma Bayerische
Hausbau. in den Sechzigerjahren
entwickelte er im Münchner Osten
einen neuen Stadtteil, den
Arabellapark. Sein Bauunternehmen
erweiterte er zu einem
mittelständischen Konzern mit
unterschiedlichen Geschäftsfeldern.
Zeitweise baute er Fertighäuser und
vermietete Verkehrsflugzeuge. 1995
starb der Firmengründer, sein Sohn
Stefan führte die
unternehmensgruppe bis zu seinem
Tod im November 2008.

Die Konzentration
Heute bilden immobilien und
Brauereien das Kerngeschäft des
Familienunternehmens, derzeit
entwickelt Schörghuber ein
Stadtviertel am Münchner
Nockherberg. in einem Joint Venture
mit Heineken führt Schörghuber die
Brauereien Paulaner und Hacker-
Pschorr. Seit einigen Jahren gehört
auch eine lachszucht in Chile zur
Gruppe, die 5300 Mitarbeiter be-
schäftigt und 2018 einen umsatz von
771 Millionen Euro erzielte.

Die Unternehmerin zählt zu den reichsten Frauen des Landes

Foto: Fritz Beck für DIE ZEIT; plainpicture (u.)
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