SEITE 20·MONTAG,2.MÄRZ2020·NR.52 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
FIRMENINDEX SeiteAbsolut Digital ............................. 18
Advent ............................................... 21Aiways ................................................ 19
Alnatura ............................................ 20
Antenne Deutschland ............ 18
Arcelor ................................................ 19
Audi ....................................................... 21BeckhoffAutomation ............. 21
Bundesdruckerei .................. 1, 22
Cinven ................................................. 21
DB Cargo .......................................... 18
Deutsche Bahn ............. 1, 18, 22Deutsche Flugsicherung ..... 22
DeutschePost ............................... 22
Euronics ............................................ 19
Facebook .......................................... 21
Forest Gum ..................................... 20Georgsmarienhütte ................. 19
MAN ..................................................... 21
Media Broadcast ........................ 18
National GermanRadio ........ 18
PWC ...................................................... 21RAG-Stiftung .................................. 21
Salzgitter .......................................... 19
Siemens ............................................. 21
Softbank ........................................... 19
Tata ....................................................... 19Tesla ...................................................... 15
Thyssen-Krupp .................... 19, 21
Traton ................................................. 21
Wework ............................................. 19
XXXLutz ............................................. 19S
chon früh mussdie Menschheit
gemerkt haben,wie gut die Ar-
beit derKaumuskulaturder Sau-
erstoffversorgung im Hirn und
dem allgemeinen Befinden bekommt.
Dennbereits in der Steinzeit wurde em-
sig Baumharzgekaut, im altenÄgypten
eineMixtur aus Myhrre,Weihrauchund
Melone undvonden Mayasund Azteken
„Chicle“ aus demSaftdes Breiapfel-baums.Mit dem gummiartigenStoff aus
Mittelamerika gelang dem NewYorker
Erfinder ThomasAdams 1859 erstmals
einebald darauf patentierteInnovation
ohneEigengeschmack.Von 1893 an do-
minierten dieFrucht- und Minz-Rezeptu-
rendes AmerikanersWilliamWrigle yjr.
den Kaugummi-Markt derWelt.Heute
gibteseuropäische, asiatische und afrika-
nische Sorteninetwa70Geschmacksrich-
tungenzukaufen. DemZug derZeit ent-
spricht ein Bio-Kaugummi,der vondem
2011gegründetenConsorcio Chicleroin
Mexikounter der Marke„Chiczo“ herge-
stellt wird. Er istplastikfrei und biolo-
gisch abbaubar.Aucheuropäische Anbie-
terwagen sichmittler weile aufdas neu er-
öffn eteTerrain und produzieren ohnePe-
trochemie auf Chicle-Basis aus dem Saft
des Sapodilla- oderBreiapfelbaums,so
das Kölner Start-u pFores tGum.
Das UnternehmenvonThomas Krä-
mer istseit November 2019 am Markt.
Mit bislang vier Mitarbeiternsetzt es
nicht nur auf natürlichen Genuss, son-
dernauchauf Wald- und Klimaschutz.
Das DrageevonFores tGum unterschei-
detsichdabei äußerlichkaum vongängi-
genanderen Produkten. Den kleinen
Rechteckenist es nicht anzusehen, dass
sie nicht nur aufZucker,sondernebenso
gänzlichauf künstliche Aromen,chemi-
sche Zusätze undKunsts toff verzichten.
„Als Kaumasse nutzen wir den natürli-
chen BaumsaftChiclestatt Erdöl, wie
heutebei herkömmlichenKaugummis
leiderStandard.Auchsonstsetzen wir
bei der Herstellung ausschließlich biolo-
gischabbaubarepflanzlicheStoffe ein“,
erläutertKrämer sein Geschäftsprinzip.„Dabei achten wir auf deren Herkunft
und Erzeugung. So helfen wir durch die
nachhaltigeBewirtschaftung der Chicle-
Bäume,den Tropenwald in Zentralameri-
ka als Lebensraum undCO 2 -Speicher zu
erhaltenundgleichzeitigdieLebensbe-
dingungen der lokalenPartnerkooperati-
veninden Erntegebietenzuverbessern.
Im Übrigenverwenden wir nicht einmal
bei derVerpackungKunsts toff.“
DassForestGum alsokeinerlei Plastik-
müll verursacht, sieht Krämer alsweite-
resgroßes Plus seines Produkts an: „Es
werden jährlichweltweit um die 580 000
TonnenKaugummikonsumiert“,sagt er.
„Dasist eineganze MengeMüll, die da
entsteht und für viele Jahreauf unserem
Plane tenbleibt.Genau das istunsere Mis-
sion: Wirbieteneine Lösung an im Klei-
nen, Alltäglichen.“Tatsächlichtragenher-kömmlicheKaugummis auf synthetischer
Basiserheb lich zurUmweltverschmut-
zung bei.Esheißt, allein in Deutschland
kleben zwischen35und 80 ausgespuckte
Kaugummisauf jedemQuadratmeter
Straße,unddieKommunengebenschon
seit geraumerZeit rund 900 Millionen
EuroimJahr für deren Beseitigungaus.
Aufdie Idee, aus Baumsaftnatürli-
chen Kaugummi herzustellen, kamKrä-
mer an der TU München,wo er nachei-
nem wirtschaftswissenschaftlichenStudi-
um inAachen einen Masterin„Sustaina-
ble Ressource Management“ machte. In
einerVorlesung imFach „Nachhaltige
Forstwirtschaft“ hörte er,dassKaugum-
mi ursprünglichaus Baumsaftherge-
stellt wurde. „Zudem Zeitpunkt ging ich
nochdavon aus, dassirgendeine Art
Kauts chuk in derKaumassesteckt“, erin-nertsichder Gründer.„Erst bei meiner
Recherchestellteich fest,dasswir heute
auf Plastik herumkauen. Dasfand ic her-
schreckend. Denn es gibt ja inzwischen
genügendFragezeichen zurWirkung von
Mikroplastikpartikeln aufdie Gesund-
heit.“Kaugummi sei ein Produkt, das bis-
her sehr unreflektiertkonsumiertwurde.
„Das wollteich ändernund eine bessere
Alternativebieten.“ Fürsein Erzeugnis
wählteereinen Namen, „der einfachund
plakativ beschreibt,wasesist:Kaugum-
mi mitZutatenaus demWald“.
Der heute 39 JahrealteJungunterneh-
mer,der aus der waldreichen Eifel
stammt, begeistert sichschon langefür
Social Business. Er hat zuletzt in Ham-
burgals Geschäftsführer in der Getränke-
firmader zuckerarmen, fair produzier-
ten„Lemonaid“ gearbeitet.Ihn faszi-niertnachwie vorder Gedanke, „nach-
haltigenKonsum auf eineganz kleine
Ebene zu bringen, in dietägl iche Routi-
ne sozusagen“. Esreiche heute nicht
mehr,ein E- Auto zu fahren oder Öko-
stromzuabonnieren. „Denn nachhaltige
Angebote braucht es auchbei vermeint-
lichunwichtigen Dingen.“Forest Gum
istnun Krämerserste eigeneUnterneh-
mung, um dieWelt zu verbessern.
ZurFinanzierung der ersten Tranche
seiner neuengrünenWaldgummis ließ
sichder Gründer im Juli 2019 eine unge-
wöhnliche Crowdfunding-Maßnahme
einfallen: Im Internetlud er zumKauf
verschiedener Dankeschön-Paketedes
KlassikersMinze ein. „DasFundingziel
von20000 Eurowar bereits nachzwei
Wochen er reicht. Insgesamt haben wir
40 681 Euroeingenommen undkonnten
dank der 1424Unterstützer die erstePro-
duktion in dieTatumsetzen.“ Ein mit
der KreissparkasseKöln und der Bürg-
schaftsbank NRWerarbeitetesFinanz ie-
rungskonzeptermöglicht die aktuelle Ar-
beit derForest Gum GmbH. Eigenmittel
dafür in Höhe eines mittleren fünfstelli-
genEuro-Betrageskamen aus Ersparnis-
sen undvonprivatenUnter stützern. Ge-
winn gibt es nochnicht .Für 2020 sind
alle Anstrengungen darauf gerichtet,
sich am Markt zuetablieren und mit ei-
nem erweiter tenAngebotzuwachsen.
50 000Packungen mitjeweils 10 Dra-
gees zu 1.30 Eurohat dieFirmainzwi-
schenverkauft: „Unsere komplett eerste
Produktion“, sagt ThomasKräm er ni cht
ohneStolz.„Dennnachdem StartimNo-
vember blieben ja nur einpaar Wochen
bis Weihnachten. Gerade anfangs haben
sichdie Be stellun genüber dasInternetre-
gelrecht überschlagen. Da ss es weder on-
linenochbei denWiederverkäufernbei
einmaligen Bestellungen geblieben ist,
warfür uns einegroßartigeBestätigung.“
GroßenAnklangfändendie nachhaltigen
Kaugummisanden Universi täten. „Viele
Studentenwerkehaben uns bereitsins Sor-
timent aufgenommen.Aber wirmöchten
in diesem Jahr auchmit Einzelhändlern
wie Rewe eng zusammenarbeiten.Wir
startendafür in derRegion West.“
Konkur renten im engeren Sinnfürch-
tetKrämer nicht:„Ichsehe denWettbe-
werb keineswegs im Bereichder natürli-
chen Kaugummis“,sagt er .„Denn dieFra-
ge istnicht, ob sichalternativeKonzepte
einenTeil des Marktes teilen.Vielmehr
geht es darum, ob dieKonsumenten in
Zukunftgrundsätzlichauf nachhaltige Al-
ternativen umsteigenoderweiter auf Plas-
tik kauen.“ SeineVision für die Zukunft
sei, „dasswir selbstverständlich nachhal-
tig leben, auchinDetails und kleinsten
Alltagsdingen wieKaugummi.Unddas
ohne Kompromisse und ohneuns zu ver-
biegen. Es soll Spassmachen. Dannwird
es gut!" ULLAFÖLSINGMENSCHENUND WIRTSCHAFT
Kaugummi aus dem Regenwald
Thomas Krämer FotoEdgar SchoepalEr habe eigentlichvor nichts Angst, sagte
der Alnatura-Gründer GötzRehn einmal
in einem Gespräch. Angst, davonlässt
sichRehn wirklichnicht treiben. Ansons-
tenwürde es den Biosupermarkt Alnatu-
ra heutewohl garnicht geben. Denn sei-
ne Idee, BioprodukteimSupermarkt zu
verkaufen,galt im Jahr 1984,dem Grün-
dungsjahrvon Alnatura, durchaus als mu-
tig. In der ersten Filiale in Mannheim wur-
den dieFenstereingeschlagen, esgabviel
KritikvonkleinenFachhändlern. Denn
unter ihnen ging die Angstrum, dass
Rehn das Geschäftder Kleinen mit günsti-
genBioproduktenkaputtmachenkönnte.
Damals, sagteRehn, sei er viel angegrif-
fenworden. Heuteist Alnatura dieNum-
mer zwei im Biogeschäft. In Deutschland
gibt esrund 135Filialen,in Zukunftsol-
len es nochmehr werden.
Rehn gilt als Pionier in der Branche.
Unddas nicht,weil er als Erste rdas Poten-
tial der Biobranche erkannte, sondern
weil er der Erstewar,der es für diegroße
Masse umsetzte. Ergründete Alnaturazu
einer Zeit, in der Bioproduktehauptsäch-
lichinkleinen Bioläden oderReformhäu-
sernhöherpreisig zu erwerben waren. Er
holteBio aus der Nische–auchfür die
Fachhändler.
Geprägt hatRehn sein Kontakt mit
demimJahr 1988verstorbenen Anthropo-
sophen HerbertWitzenmann aus Pforz-
heim.Rehn führtAlnaturanachanthropo-
sophischen Prinzipien–erwill also den
Menschen in den Mittelpunkt seinesge-
samten Handelns stellen. Das betont
Rehn in jedem Gespräch. Es istdas Credo
vonAlnatura und soll imgesamtenUnte r-
nehmen erlebtwerden können. DieVer-
bindung zwischen Sinn und Wirtschaft
zog sichauchdurch sein Studium. Sostu-
dierte er zunächstVolkswirtschaftslehre
in Freiburgund promovierte im Anschluss
im Bereichder Betriebswirtschaftslehre.
In seiner Doktorarbeit schrieb er über
„Modelle der Organisationsentwicklung“
und fragtesich, wie Mitarbeiterinteressen
und wirtschaftliche Ziele zusammenge-
brachtwerden können.
Ihm scheintesgelungen zu sein: Alna-
tura bietetseinenMitarbeiternSemina-
re,Weiterbildungsangebote,und selbst
die neueZentrale inDarms tadt is tmit
Waldorfkindergarten und Erlebnisgärten
ganz auf Mitarbeiter undKunden ausge-
richtet. DemUmsatz schadetdas nicht,
der is timvergangenen Jahrstark gestie-
gen. GötzRehn wirdandiesemMontag
70 Jahrealt. sdie.
Das üblicheKaugummi
besteht ausKunsts toffen
–mit den bekannten
Schwierigkeiten der
Entsorgung. Thomas
Krämergreiftdaher auf
einen Baumsaftzurück.
Die Gründer
GötzRehn FotoMarcusKaufhold
Wer
hatdas
Sagen?
Willkommen in der Gehirn-WG
224 Seiten·20,00 €
ISBN 978-3-96251-001-http://www.fazbuch.de·0711-7899 2044·[email protected]Erleben Sieden unterhalt-
samen Alltag in Ihrer Ge-
hirn-WG:WelcheMacht
habenunsere Emotionen?
Und wietref fen„die da
oben“eigentlic hunsere
Ents cheidungen?WARUM
WIR TUN,
WASWIR
TUNGötzRehn
70 Jahre