Die Welt - 22.02.2020

(Barré) #1
Im Erwachsenenalter zu rebellieren
ist gar nicht so leicht. Klar, man kann
sich im Alltag ein bisschen daneben-
benehmen. Mit Tempo 200 über die
Autobahn donnern, eine Flasche Wein
allein leeren oder aufs Zähneputzen
verzichten. Doch schnell holt einen
das schlechte Gewissen wieder ein. Es
ist die Stimme der Vernunft, die da
spricht: beharrlich und kaum zu wi-
derlegen. Sie ermahnt zu konformem
Verhalten, zu gesunder Ernährung
und Bescheiden-
heit. Wir sollten
dieser Stimme öf-
ter widersprechen.
Denn die Stimme
der Vernunft macht
auch keinen Halt
davor, uns die schö-
nen Dinge des Le-
bens zu vermiesen.
Etwa wenn man ei-
nen Ring mit einer
diamantenbesetz-
ten Erbse entdeckt,
die auf einer sich
drehenden, weiß-
goldenen Scheibe
tanzt. „Purzelt die nicht sofort bei ei-
ner hektischen Bewegung durch den
Raum?“, empört sich die Vernunft
entschieden.
Tut sie nicht, das demonstrierte
der als rebellisch geltende Künstler

Daniel Richter am Mittwochabend in
der Berliner Villa Grisebach, als er die
neue Ausstellung von Georg Horne-
mann eröffnete: Fünf jüngst kreierte
Ringskulpturen präsentierte das
Schmuckatelier.
„Handwerklich waren die Ringe ei-
ne echte Herausforderung“, so Ale-
xander Hornemann, Sohn des Gold-
schmieds und Firmengründers. Die
Erbse etwa tanzt zwar ungehalten auf
der sich drehenden Scheibe, wird aber
von einem Magneten
gehalten. Ihren An-
trieb erhält sie von
den Bewegungen der
Hand. Bei einem an-
deren Schmuckstück
aus der Serie dreht
sich ein Karussell aus
schwarzen und wei-
ßen Diamanten auf
der Ringschiene und
sorgt beim Betrach-
ter bereits nach we-
nigen Sekunden für
einen Augenkasper.
Ihren Reiz entfalten
die Schmuckstücke
also erst in Aktion: Sie hypnotisieren,
spiegeln, täuschen und fordern die
Starre der Materialien heraus. Für
praktische Bedenken ist hier kein
Platz mehr. Rebellion par excellence.
MARIA-ANTONIA GERSTMEYER

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22.02.20 Samstag, 22. Februar 2020DWBE-VP1


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34 STIL DIE WELT SAMSTAG,22.FEBRUAR2020


M


anche Alltagsprobleme
kennen selbst Celebri-
tys. Das bewies zum
Beispiel die butterblu-
menblonde Schauspie-
lerin Reese Witherspoon, als sie vor ei-
nem Jahr einem amerikanischen On-
line-Lifestyle-Magazin ein Interview
über ihre Abendroutine gab. Das Erste,
was Witherspoon tue, sobald sie nach
einem langen Arbeitstag ihr Haus betre-
te? Jogginghosen an- und den BH aus-
ziehen. „Es gibt nichts, was sich besser
anfühlt, als zu Hause den BH abzule-
gen“, sagte sie.

VON SILVIA IHRING

Man kann sich gut vorstellen, wie
Frauen weltweit beim Lesen dieses Sat-
zes aufgeregt mit dem Kopf genickt ha-
ben dürften. Bügel, die an den Seiten
einschneiden, Träger, die Abdrücke hin-
terlassen, Verschlüsse, die den Rücken
wwwund scheuern: Wer in den vergangenenund scheuern: Wer in den vergangenen
5 0 Jahren mit der Vorstellung aufwuchs,
dass ein BH zur Alltagsuniform einer
Frau unweigerlich dazugehört, der hatte
gleichzeitig gelernt, dass man für die nö-
tige Unterstützung auch einen Preis
zahlen musste. Doch immer mehr Frau-
en, und gerade weibliche Millennials,
sind nicht mehr bereit dazu. Sie lehnen
sogar noch mehr Dinge ab, die ihnen die
Dessousbranche über Jahrzehnte hin-
weg vorgeschrieben hat: dass sie jung,
blond, weiß und schlank sein sollten, um
in Unterwäsche gut auszusehen. Dass
ihre Brüste wie genmanipulierte Canta-
loupe-Melonen geformt zu sein haben.
Oder dass man geringes Volumen mit
Push-up-BHs ausgleichen muss.
„Noch vor einigen Jahren waren stark
gepolsterte Büstenhalter extrem be-
liebt, und die Frau im Push-up galt als

Ideal. Das sah im Grunde so aus, als
würden sich Frauen fremde Brüste an-
schnallen. Diese Zeit ist definitiv vor-
bei“, sagt Sian Thomas, Kreativdirekto-
rin des Wäscheherstellers Triumph.
Thomas begann ihre Karriere bereits
1998 in der Lingerie-Branche, entwarf
für Firmen wie Marks & Spencer und La
Senza, bis sie 2004 bei Triumph ein-
stieg. Aus erster Hand erlebt sie, wie
sich eine Branche komplett wandelt.
Von Frauen angeführte Bewegungen
wie #MeToo, Social-Media-Phänomene
wie #FreeTheNipple oder #NoBra so-
wie das Heranwachsen einer neuen Ge-
neration, die von Marken eine Haltung
zu Themen wie gesellschaftliche Viel-
falt oder Toleranz fordert, haben die
traditionellen Marktregeln außer Kraft
gesetzt. Mit roter Spitzenwäsche und
Kampagnen à la Victoria’s Secret, die
mehr Männerfantasien als Frauenkör-
per bedienen, überzeugt man die mo-
derne Kundin nicht mehr.
„Frauen sind sich ihres Körpers heute
bewusster denn je. Wir sagen offen, was
wir wollen und wie wir aussehen wol-
len. Und wir verlangen, dass andere auf-
hören, uns vorzuschreiben, wie wir aus-
zusehen haben“, sagt Thomas. Es ist, als
hätten Frauen wenigstens ein bisschen
Frieden geschlossen mit genetisch be-
dingten Kurven, Birnenpopos oder Mi-
nibusen und sehnten sich nun nach Pro-
dukten, die ihr natürliches Aussehen
unterstreichen und nicht verfälschen.
Das hat auch ein Traditionsunterneh-
men wie Triumph erkannt. In den Kam-
pagnen setzt man seit einigen Jahren
auf – zugegeben etwas ausgereizte –
Themen wie „Female Empowerment“,
Slogans wie „Together We Triumph“
sollen Botschaften über weiblichen Zu-
sammenhalt unterstreichen. AAAuch dasuch das
neueste Produkt der Marke will signali-

sieren, dass man Frauen und ihre unter-
schiedlichen Körper und Bedürfnisse
ernst nimmt. Der „Fit Smart BH“, des-
sen Einführung vergangene Woche mit
einem Event in Berlin gefeiert wurde, ist
ein bügelloser BH, der sich automatisch
an die Größe individueller Brüste anpas-
sen soll. Während er im Inneren mit ei-
nem flexiblen, leicht polsternden
Schaumstoff gefüttert ist, der sich in
vier Richtungen ausdehnen kann und
sich so der Form und Größe der Brust
anpasst, besteht die äußere Hülle aus ei-
nem eigens entwickelten gestrickten
Material. Dieses ist an strategisch wich-
tigen Stellen, wie zum Beispiel am Un-
terbrustband, dichter gestrickt und mit
mehr Elasthan versehen, um mehr Halt
zu bieten. Wegen seiner Anpassungsfä-
higkeit muss dieses Modell nicht gemäß
dem üblichen, komplexen BH-Größen-
system in x Größen angeboten werden,
sondern nur in vier. Das erleichtert die
AAAuswahl eines Produkts, das, so habenuswahl eines Produkts, das, so haben
es Studien in den vergangenen Jahren
immer wieder gezeigt, von über 70 Pro-
zent der deutschen Frauen in der fal-
schen Größe gekauft wird.
„Der weibliche Körper verändert sich
ständig im Laufe eines Lebens. Schon in
einem Monat kann die Brustgröße zy-
klusbedingt schwanken. Und dann ha-
ben Ereignisse wie die Geburt eines Kin-
des oder das Alter einen großen Ein-
fffluss“, sagt Sian Thomas. Kundenbefra-luss“, sagt Sian Thomas. Kundenbefra-
gungen hätten ergeben, dass die Tri-
umph-Kundin sich in erster Linie Kom-
fffort wünsche, zudem Halt und ein Pro-ort wünsche, zudem Halt und ein Pro-
dukt, das speziell auf die Bedürfnisse ih-
res Körpers zugeschnitten sei. Ähnliche
Trends spiegelten sich auch in Berei-
chen wie der Schönheitschirurgie wider,
sagt Thomas. „Dort beobachtet man,
dass Frauen sich zunehmend natürliche,
birnenförmige Brüste wünschen, und
nicht mehr die betont runden Formen
der Vergangenheit.“ Und Bralettes, bü-
gelfreie BH-Tops, die ohne formgeben-
des Körbchen auskommen und in denen
die Brust auch mal ein bisschen wippen
und wackeln darf, verkaufen sich nicht
nur bei Triumph wieder erstaunlich gut.
Sie werden inzwischen als sichtbare
Komponente eines Outfits getragen.
VVVor wenigen Wochen spazierte zum Bei-or wenigen Wochen spazierte zum Bei-
spiel Hailey Bieber im Kaschmir-Bralet-
te durch Los Angeles, trug darüber ei-
nen Blazer und die passenden Leggings.
Auch der „Fit Smart BH“ sieht wie ein
Hybrid aus einem Bralette und einem
Sport-BH aus. In der Kampagne wird er
von Frauen mit unterschiedlichen Figu-
ren und Hauttypen vorgeführt. Das La-
bel weiß, dass es, wenn es alle potenziel-
len Kunden erreichen will, auch alle ab-
bilden muss. Dabei geht man allerdings
noch nicht so radikal vor wie junge Des-
sous-Start-ups, die in den vergangenen
Jahren nach vorne geprescht sind. Allen
voran die Linie der R’n’B-Sängerin Ri-
hanna „Savage x Fenty“, die schon auf
zwei aufwendigen Events während der
New Yorker Modewoche vorgeführt hat,
wie man Frauen heute noch für Strapse
und Stringtangas begeistern kann: mit
coolen Models aller Hautfarben, Kör-
pertypen und Altersgruppen, die sich
ungebremst und hemmungslos guter
Musik und einer selbstbewussten Tanz-
choreografie hingeben. Andere junge
Firmen, wie Third Love oder Aerie, wol-
len mit großen Bandbreiten an Konfek-
tionsgrößen oder hautfarbener Unter-
wäsche in Schattierungen für unter-
schiedliche Teints überzeugen.
Sie haben mehr verstanden als die
Marke Victoria’s Secret, deren anti-
quiertes Frauenbild seit Jahren dem
Image und den Verkaufszahlen schadet.
Die legendäre, auch im TV ausgestrahl-
te Victoria’s-Secret-Show, auf der stets
Topmodels mit geölten Beinen und En-
gelsflügeln funkelnde Unterwäsche vor-
führten, litt erst unter sinkenden Ein-
schaltquoten und wurde im vergange-
nen Herbst endgültig abgesagt. Anfang
Februar deckte ein Artikel in der „New
York Times“ eine „Kultur der Misogy-
nie“ in dem Unternehmen auf. Die Mut-
tergesellschaft L Brands hat wohl end-
gültig die Geduld verloren: Vor wenigen
Tagen wurde bekannt, dass sie Victori-
a’s Secret an eine Private-Equity-Firma
verkauft hat.
Nun ist Triumph nicht Victoria’s Se-
cret. Die Triumph International AG mit
Sitz in Bad Zurzach in der Schweiz gilt
als solide, eher konservative Firma, mit
zwei sehr privaten Eigentümerfamilien,
die ohne den Glamour, aber auch ohne
die Skandale der US-amerikanischen
Konkurrenz auskommt. Und bei Jahres-
umsätzen im Milliardenbereich (1,8 Mil-
liarden Schweizer Franken im Jahr
2014) stellen die neuen jungen Labels
keine ernsthafte Bedrohung dar. Den-
noch weiß Sian Thomas, dass auch das
Schweizer Unternehmen den Anforde-
rungen des Zeitgeistes gerecht werden
muss. „Wir haben mit unseren Produk-
ten immer eine große Bandbreite an
Frauen angesprochen. Aber wir haben
es in unseren Kampagnen nicht so deut-
lich kommuniziert.“ Klar, dass der Mar-
ke das nicht mehr passieren wird.

U


ps, falscher
Eingang? Nein,
keineswegs.
Die Gäste quasi durch
den Backstage-Bereich
einzulassen, gehörte
zum Konzept der Guc-
ci-Show diese Woche.
Üblicherweise ist der
Bereich, in dem die
Models geschminkt,
gestylt und angezogen
werden, so eine Art Hochsicherheits-
zone, zumindest vor der Show, keine
Kreise sollen gestört werden, keine
Bilder frühzeitig nach draußen drin-
gen. Bisweilen wird Journalisten ex-
klusiver Zugang gewährt, das aber gilt
als besondere Verbundenheit. Doch
im „Gucci Hub“, der Mailänder Fir-
menzentrale, stellte Designer Ales-
sandro Michele die Ordnung auf den
Kopf. An langen Spiegelreihen wur-
den die Models zu seinen Fantasiege-
stalten geschminkt, geföhnt, deko-
riert – und dazwischen lungerten die
Besucher, wenn sie denn wollten. Es
durfte fotografiert werden und auch
der eigentlich scheue Designer selbst
stromerte umher, plauderte mit Anna
Wintour, nahm Großkritikerin Suzy
Menkes in den Arm, alles familiär ir-
gendwie. Eine sehr große Familie.
Michele hatte also das Ritual modi-
fiziert. Wahrscheinlich gerade, um die
Bedeutung von Ritualen hervorzuhe-
ben. Denn später, nach der wirklich
großartigen Inszenierung, erklärte er
die ungewohnte Offenheit und wie er
auf die Idee zu dem Setting kam, die
Zuschauer teilhaben zu lassen an al-
len Vorbereitungen. Die Sitzplätze
waren wie immer eng und begehrt, in
diesem Fall um eine Rotunde hinter
rosa Vorhang gruppiert. Dann ertönte
Federico Fellini aus dem Off im Dun-
kel (Michele liebt seine „Kinderstim-
me“, manchmal höre er ihm einfach

nur zu auf YouTube),
der Vorhang fiel, um
einen hauchdünnen
Gazevorhang freizuge-
ben und damit den
leicht verschleierten
Blick auf die Umklei-
de. Wir schauten zu,
wie halb nackte Mo-
dels angezogen wur-
den, die dann einzeln
ihren Platz an der
Glaswand auf der sich drehenden
Scheibe einnahmen. Und uns anstarr-
ten. Die Bühne bewegte sich schneller
und langsamer, „a bumpy ride“, wie
das Leben an sich, in dem man die
„richtige Geschwindigkeit finden
muss“. Die runde Bühne aber eben
auch als Symbol für den ewigen Kreis,
der kein Anfang und kein Ende hat.
Auch in der Mode gilt die alte Fußbal-
lerweisheit: Nach dem Spiel ist vor
dem Spiel. Und es macht auch subti-
len Sinn, da das neue Lieblingswort
der Industrie, „Kreislaufwirtschaft“,
im Englischen „circular“, heißt.
Auf den ersten Blick denkt man bei
Micheles Gucci-Welt ja vor allem:
schön bunt hier. Aber nichts ist Zu-
fall, alles hat eine Bedeutung. Die Mit-
arbeiter trugen alle einen greigefarbe-
nen Baumwollanzug, „Eine Uniform,
es ist wichtig, Charaktere zu erken-
nen“, betonte er. Am Ende, als die
Models die übliche Defileérunde zu
Ravels „Bolero“ in Dauerschleife ab-
solviert hatten, standen alle Mitarbei-
ter auf der drehenden Platte, sie beka-
men ebenso viel Applaus.
Ging es doch dem Designer, der
selbst auch auf der Drehbühne im
Hintergrund agierte, nicht darum,
den Zuschauern einen voyeuristi-
schen Einblick in eine Garderobensi-
tuation zu gönnen (und das heutzuta-
ge!), sondern klarzumachen, dass in
der Mode alles eine Familie ist. „Ir-
gendwie.“ Die Kreativen, die Hand-
werker, die Akteure und letztlich auch
die Journalisten, Einkäufer, Gäste.
„Was ist innen, was ist außen?“
Die Idee, Einblicke zu gewähren, ist
nicht neu, schon Karl Lagerfeld hatte
vor Jahren bei einer Haute-Couture-
Show im Pariser Grand Palais das Ate-
lier samt der „Petit Mains“ aufbauen
lassen. Doch das war eine andere Raf-
finesse. Alessandro Michele war einen
anderen Weg gekommen. Nämlich
von der Überlegung: „Ich bin so viele
Jahre in der Mode, und frage mich,
warum mache ich diese Schauen wie-
der und wieder? Sie sind sehr ermü-
dend. Auch für euch“, sagte er zu der
kleinen Gruppe Journalisten, die er
regelmäßig nach der Show mit in sei-
ne Gedankenwelt nimmt. Seine Ant-
wort lautete: „Es ist ein Ritual. Fast
religiös. Und in dieser merkwürdigen
Welt ist es sehr wichtig, Rituale zu ha-
ben. Ich würde immer weiterma-
chen.“ Mit dieser Show, sagte er noch,
„suchten wir nach den richtigen Wor-
ten, Ihnen zu erklären, wer wir sind.“
Das haben wir verstanden. Schön
war’s.

GLOBAL DIARY


VVVom Reiz des Rituals om Reiz des Rituals


INGA
GRIESE

FFFamilienmitglied: Model in Gucciamilienmitglied: Model in Gucci
Herbst/Winter 2020

GUCCI

FINDLING


Gegen jede Vernunft


TRIUMPH

(2)

Die moderne


Dessous-Kundin


fordert mehr


Vielfalt, mehr


Komfort, weniger


Push-up.Auch die


traditionsreiche


Wäschefirma


Triumph reagiert –


mit einem


„smarten“ BH


Passt


so


Sie weiß, was Frauen wollen: Sian
Thomas, Kreativdirektorin des Wäsche-
herstellers Triumph (großes Bild).
KKKleines Bild: Der neue „Fit Smart“-BHleines Bild: Der neue „Fit Smart“-BH
passt sich an die Größe der Brüste an

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