FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft DONNERSTAG, 5.MÄRZ 2020·NR.55·SEITE 17
B
ürgerversicherungkönnteMilliar-
den sparen“ titelten manche Me-
dien kür zlich. Sie bezogen sichauf
ein Gutachten mit demTitel„Geteilter
Krankenversicherungsmarkt“, das die
BertelsmannStiftungbeimBerlinerIGES
Institut inAuftraggegeben hatte. ImVor-
wort der Stiftung liestman: „Nurwenn
Starke und Schwache sichzusammentun,
um die Risiken zwischen Gesunden und
Kranken auszugleichen,kann eine tragfä-
higeSolidargemeinschaftentstehen und
erhalten werden. Die Aufspaltung der
Krankenversicherung in einengesetzli-
chen und einen privaten Zweig wirddie-
ser Maßgabe nichtgerecht.“ Dasseitdem
immerwiederzitierte ErgebnisderStudie
lautet:Gäbe es die PrivateKrankenversi-
cherung (PKV)nicht undwärendaher
alle Bürgerinder Gesetzlichen (GKV)
versichert, so könnteder Beitragssatz
dortum0,6 Prozentpunkte oder durch-
schnittlich145EuroimJahrniedrigeraus-
fallen. DieParteien,die schon langefür
die sogenannte „Bürgerversicherung“
streiten (SPD,Grüne und Linke), haben
diese Meldung begeistert aufgegriff en,
weil sie angeblichihrePosition bestätigt.
Aber tut sie das wirklich? Das mussaus
zwei Gründen angezweifeltwerden. Der
erstebezieht sichauf eine ungenaue Lek-
türeder Studie selbst, der zweiteauf die
verfassungsrechtliche Möglichkeit, eine
Bürgerversicherung durch Auflösung der
PKV zu erreichen.ZumerstenGrund:
Liestman dieStudie genauer,sieht man,
dassdieEr gebnissedurchausdifferenzier-
tersind: Es wirddortdie rein hypotheti-
sche Annahmegetrof fen, es gäbe keine
Privatversicherung und alle Bürgermüss-
tensichinder GKVversicher nund dort
Beiträgevonihrem Einkommennachden
derzeitgeltendenRegeln zahlen.Ferner
wirdgeschätzt,welche Ausgaben die der-
zeitPrivatversichertenaufgrundihrerper-
sönlichen Merkmale (Alter,Geschlecht,
Morbidität) in dergesetzlichenVersiche-
rung verursachten.
Beide Größenwerden zu den Beitrags-
einnahmen und Leistungsausgaben der
bisherigenGKV-Versichertenaddiert
und der Beitragssatz neu berechnet–mit
dem oben zitiertenErgebnis, dassdieser
um 0,6 Prozentpunkteniedriger ausfallen
würde. Es wirdaber auchgezeigt, dasses
bei dieser „Milchmädchenrechnung“Ver-
lierer gäbe, nämlich die Ärzteinder am-
bulantenVersorgung, die derzeitvonPri-
vatpatienten höhereHonorarekassieren
alsvonKass enpatienten.Gleichtmandie-
sen Verlustdurch eine Honoraranhebung
in der Gesetzlichen Krankenversiche-
rung, so schrumpftdie Ersparnis beim
Beitragssatz auf 0,2 Beitragssatzpunkte.
Die Privatversichertenwürden also,
wennsieindiegesetzlichenKassen wech-
seln müssten, die derzeitigen GKV-Mit-
glieder geringfügig subventionieren. Das
liegt allerdings entgegen einemverbreite-
tenIrrtum nicht daran, dasssie gesünder
sindunddahergeringer eAusgabenverur-
sachen. Im Gegenteil, ihreAusgaben sind
im Durchschnitt umrund 10 Prozent hö-
herals die derGKV-Versicherten–voral-
lem weil derAnteil ältererVersicher terin
der PKV höher ist. Der positiveEffekt
stammt vielmehrausschließlichvon der
Einnahmeseite, da das beitragspflichtige
Einkommen der PKV-Mitglieder im Mit-
telvolle 50 Prozent höher istals das der
gesetzlich Versicher ten. Darausfolgt:
Wenn man die Solidargemeinschaftder
GKVstärkenwill, mussman diePrivatver-
sicher tennicht zur Mitgliedschaftzwin-
gen, sondernlediglichihr Einkommen
auf geeignete Weise zurFinanzierung der
GKV heranziehen.Aber wiegeht das?
Dazu später.
Kommen wir zum zweitenGrund: Eine
Auflösung der PKV istmit dem Grundge-
setz vollkommen unvereinbar.Weder
kann der Gesetzgebergeltende–und im
Prinzip auf Lebenszeit abgeschlossene –
Versicherungsverträgefür ungültig erklä-
ren, nochkann er diegebildetenAlte-
rungsrückstellungenkonfiszieren, die aus
der Sicht derVersicher tenEigentumscha-
rakter haben und daher nachArtikel 14
Grundgesetzgeschützt sind. Es istsogar
strittig, ob er denZugang neuerKunden
zu den PKV-Unternehmen sperrenkönn-
te.Selbstdann gäbe es eine „Bürgerversi-
cherung“ erst in vielen Jahrzehnten,
wenn der letzteheutigePKV-Versicherte
gestorben ist.Die Bür gerversicherung, so
attraktiv sie aucherscheinen mag, istda-
her eine Chimäre, die lediglichnocheine
Rolle alsWahlkampfschlager linkerPar-
teien spielt, solangedie Bürgerden
Schwindel nicht durchschauen.
IhreEinführungist aber garnichter for-
derlich, um die Solidargemeinschaftder
gesetzlich Krankenversicher tenfinanziell
zu stärken, es geht in Wahrheit viel einfa-
cher,indem man die Beitragserhebung in
derGKVvoneinkommensbezogenenBei-
trägen zuKopfpauschalen umstellt und
den Solidarausgleichvon der GKV ins
Steuersystem verlager t: Jeder Haushalt,
dessenGesamtbeitrag(Höhe derPauscha-
le multipliziertmit derZahl der Haus-
haltsmitglieder)höheristalsein bestimm-
terAnteil am Einkommen, erhieltevom
Finanzamt im Rahmen des Jahresaus-
gleichs eineRückzahlung in Höhe dieser
Differenz. ZurFinanzierungdieses Aus-
gleichs würde der Einkommensteuertarif
moderat angehoben. Damit würden die
PKV-Versichertenals Steuerzahler zurFi-
nanzierung herangezogen. Wermeint,
das könne nicht funktionieren, kann sich
bei unseremNach barnNiederlande eines
Besseren belehren lassen.
Die Ursache für den beklagten Mangel
an Solidarität istalso nicht die Existenz
der PKV,sonderndie Tatsache, dasswir
inne rhalb derGKV eineEinkommensum-
verteilung organisieren, die viel besser im
Steuersystemaufgehobenwäre.EinÜber-
gang zu Kopfpauschalen mitsteuerfinan-
ziertemSozialausgleichwürde diesen
Missstand aufverfassungskonformeWei-
se beheben.Können aber die linkenPar-
teienüberihrenSchattenspringen undzu-
geben, dasssie jahrelang die Idee der
Kopfpauschale zuUnrecht diffamiertha-
ben? Andererseits darfman fragen: Geht
es ihnen wirklichummehr Solidarität in
der Finanzierung der GKV,oder wollen
sie nurStimmung machen?
Friedrich BreyerlehrtVolkswirtschaftslehre
an derUniversitätKonstanz und istMitglied
des Exzellenzclusters „Die politische Dimension
vonUngleichheit“.
Mehr Solidarität in derKassenfinanzierung
VonFriedric hBreyer
STANDPUNKT
A
ls in ChinaKunden desAuto-
herstellersTesla in dervergan-
genen Woche tr otzder Corona-
KriseihreneuenModel-3-Fahr-
zeugegeliefer tbekamen,warensie voller
Dankbarkeit. Schließlichhat die vom
Staat breitflächigverord nete Quarantäne
die gigantischeWirtschaf tdes Landeswo-
chenlang lahmgelegt.Während in den
meistenchinesischenWerken des deut-
schen AutoherstellersVolkswagen die
Bänder weiter stillstanden, hatte die
SchanghaierFabrik des amerikanischen
HerstellersTesla als einer derganz weni-
genIndustriebetriebe dieProduktionfrüh-
zeitig wiederaufgenommen. Wasdabei
nicht passte, so zeigtesichhinterher,wur-
de of fensichtlich passendgemacht.
In ihren brandneuen Elektrofahrzeu-
genzum Listenpreisvonrund 300 000
Yuan (39 000 Euro),stellteein Kunde
nachdem anderenfest, warnicht Teslas
viel beworbenerAutopilotHW3.0einge-
baut, der auchStraßenschilder und Am-
peln erkennt.Die ausgelieferten Fahrzeu-
ge enthielten den altenFahrassistenzcom-
puter HW2.5, der ebenvielesvon seinem
Nachfolger nichtkann. Weil ChinasWirt-
schaf tinweitenTeilen stillgestanden
habe, hätten„Probleme in der Lieferket-
te“zum Einbau derveralteten Technik ge-
führt,die natürlichkostenlos ausgetauscht
werde, musstesichTesla öffentlich ent-
schuldigen–und machte auf unfreiwillige
Artüberdeutlich,wie schwer in China die
Rückkehr zumNormalzustand is t.
Folgt man den offiziellen Zahlen,
kommt derWirtschaftstankerChina nach
seinerVollbremsungimFebruarwiederor-
dentlichinGang. In der Provinz Guang-
dong, demZentrum derchinesischen Ex-
portindustrie und einem wichtigenStand-
ortfür Internetunternehmen, würden
StandMontagüber91ProzentallerUnter-
nehmen wiedernormalarbeiten, teiltedie
Lokalregierung mit. MitteFebruar habe
diese Zahl bei weniger als der Hälfte des-
sen gelegen. Das Industrieministerium in
Peking teilteamDienstag mit,vonden 16
größten AutoherstellernimLand hätten
84 Prozent ihreProduktionwieder gestar-
tet. Die Belegschafteninden Werken sei
wieder zu zwei Dritteln bei der Arbeit.
Über alleIndustriebereiche hinweghätten
70 Prozent dergroßen Unternehmen den
Betrieb wiederaufgenommen.
Die Frage, ob undwieschnell Chinas
Wirtschaf twieder inFahrtkommt,ist ent-
scheidendfür dieganze Welt. Sollten die
Unternehmen in China im ersten Quartal
nicht mehrWarenund Dienstleistungen
als imVorjahreszeitraum hergestellt ha-
ben, könntedie WeltwirtschaftimLaufe
des Jahres einen Schock erleiden, sollte
Chinas Wirtschaf tden Einbruchnicht
wettmachen können, fürchtenÖkono-
men. In China selbstgeht es für dieStaats-
führungumnichtwenigeralsihrenMacht-
erhalt .Die Wirtschaf tdürfe „nichtlange“
stillstehen,befahlPräsidentXiJinpingver-
gangene Woche. Man müsse dasVirus
zwarbekämpfen.Dennochmüsstenin wei-
tenTeilendes Landes wieder alle zur Ar-
beit.
DieserWiderspruchhat mancheRegie-
rungskaderof fenbarzumFälschenderSta-
tisti kverleit et.Weil derStatus der lokalen
Wirtschaf tvielerorts amStr omverbrauch
gemessen wird,werden immer mehrFälle
vonUnternehmenbekannt,indenenzwar
keine Arbeiter sind undkeine Warenpro-
duziertwerden, die Maschinen aber trotz-
dem laufen–umAktivitätvorzugaukeln.
DatendersingapurischenBankDBSzeich-
nen ein anderes Bild: Die Produktionvon
Kokereien imganzenLand liegt immer
nochweit unter dem Niveauvorder Krise.
BesondersimOsten und Südwesten des
Landes hat dieAuslastung nochnicht mal
zweiDritteldesvorherigenAusmaßeswie-
der erreicht. Der Kohleverbrauchder
sechs größten Kraftwerke im Land liegt
ebenfallsweit unter demWert voreinem
Jahr.Inwichtig eWirtschaftsstandortewie
diePr ovinzenJiangsu,ZhejiangundShan-
dong sind immernochnur ein Drittel der
früher dortbeschäftigtenWanderarbeiter
zurückgekehrt,während es in derexport-
orientiertenProvinzGuangdong auchnur
45 Prozent des früherenAusmaßes sind.
Der Pekinger Flughafen: verwaist. In
Schanghai sind dieStraßenetwasvoller
als zu den Hochzeiten der Quarantäne.
Dochdassder Einkaufsmanagerindexim
Dienstleistungsgewerbe, den das Magazin
„Caixin“ erhebt,imFebruar mit einem
Wert von26,5 (Januar:51,8) katastrophal
ausgefallen ist, vermag niemandenzu
überraschen –dieRestaurantssindweiter-
hin leer.Wer nichtvonder heimischen
Wohnungaus arbeitet,kehrtindiese nach
Feierabend meist schnurstracks zurück.
Ein Gutes allerdings hat die Krise: Die
Luftverschmutzung,zeigen Fotosderame-
rikanischenWeltraumagenturNasa, is tin
China während der Massenquarantäne
dramatischzurückgegangen–was zumin-
dest„zum Teil“ dem Coronavirus gutge-
schriebenwerden müsse.
Arbeiten mit Maske:In dieser Schuhfabrik inWenzhou wirdproduziert. FotoAFP
bü./itz. BONN/BERLIN. Nord rhein-
Westfa len alsgrößtes „Kohleland“
stellt sichgegendasgeplanteGesetz für
den Ausstieg aus derSteinkohleverstro-
mung.Vorder er sten Bundestagslesung
am Freitag forderte die Landesregie-
rung weitgehendeNach besserungen. In
der vorliegendenForm „lehntNord-
rhein-Westfa len die Entschädigungsre-
gelungen für dieStilllegungvonStein-
kohlekraftwerkenab“, sagteWirt-
schaftsministerAndreas Pinkwart
(FDP) im Wirtschaftsausschussdes
Landtages. Anpassungen am Gesetzes-
entwurfseien „zwingend notwendig“.
Der Entwurfbraucht dieZustimmung
des Bundesrats. Dortdrohen auchBa-
den-Württemberg, Niedersachsen und
Saarland mit einemNein. „Das beab-
sichtigteVorgehen zurStilllegungvon
Steinkohlekraftwerkenkann nicht ak-
zeptiertwerden“, heißt es in einem
Schreiben der vier Landesregierungen
anBundeswirtschaftsministerPeterAlt-
maier (CDU).
Während die Bundesregierung mit
den Braunkohlekonzernen milliarden-
schwereEntschädigungen ausgehan-
delt hat, istfür die Abschaltung der
Steinkohlemeiler ein Auktionsverfah-
renvorgesehen. Spätestensvon2027 an
soll es möglichsein, aucheine entschä-
digungsloseStilllegung anzuordnen. Je
nachVerlauf der Ausschreib ungen
könntedie Zwangsabschaltung sogar
schon 2024 beginnen. Pinkwartsieht
darin eine nicht hinnehmbare„deutli-
cheUngleichbehandlung“. Investitio-
neninKohlekraftwerke würdenentwer-
tet, dasVertrauen in den Investitions-
und EnergiestandortDeutschlandstark
geschädigt. Die Wettbewerbsfähigkeit
und dieVersorgungssicherheitstünden
auf dem Spiel.
HeftigerWiderstand formiertsich
auchunterdenBetreibernderKraftwer-
ke.Sie fühlen sichdeutlichschlechter
gestellt als die Braunkohlewirtschaft.
Letzterewerde je Kilowatt stillgelegter
Leistung mit 521 EuroimWestenund
mit 627 EuroimOsten entschädigt,
rechnetSvenBeckervor,der Sprecher
der Geschäftsführung des Aachener
Energieversorgers Trianel, einesStadt-
werk-Zusammenschlusses. In derStein-
kohle indes betrügen die höchstmögli-
chen Entschädigungen je nachAb-
schaltzeitpunkt nur 165 oder 49 Euro,
selbstwenn die Kraftwerke erst wenige
JahreamNetzseien.Auchwerde die
Braunkohle bis 2038 entschädigt, die
Steinkohle aber nur bis 2026.
Für die acht jüngstenMeiler inWest-
deutschlanderwartet dieBranchefinan-
zielle Schädenvonbis zu 10 Milliarden
Euro. Allein bei derTrianel-Anlagein
Lünen-Stummhafen, in die 1,4 Milliar-
denEuroinvestier twurden,betrageder
Verlust800 Millionen Euro, da sie 2030
ohne finanzielle Kompensation vom
Netz gehen müsse.„Wenn Lünen abge-
schaltetwird, is tesnoch nicht einmal
bezahlt,geschweigedenn abgeschrie-
ben“, sagteBeckerder F.A.Z.
Man habe bei der Investitionsent-
scheidung aufberechenbare Rahmenbe-
dingungen über Jahrzehntevertraut:
„FallsLünen so abgeschaltet wird, wie
es dasAusstieggesetzvorsieht, kommt
das einer kalten Enteignunggleich.“
Dietmar Spohn, der Chef derStadtwer-
ke Bochum undAufsichtsratsvorsitzen-
der vonTrianel, verweistdarauf, dass
derBraunkohleausstiegvomSteuerzah-
lerunddamitvonganz Deutschland be-
zahlt werde. DieVerluste aus der ent-
schädigungslosen Abschaltung der
Steinkohlekraftwerke müssten aber die
Kommunen tragen.Unddas in einer
Zeit, inder vieleunter „Haushaltssiche-
rung“ stünden.
Nach Spohns Ansichtkonter kariert
das Ausstiegsgesetz die Energiewende.
Denn esvertraue darauf, dassneue
Techniken wie die Kraftwärmekopp-
lung mit Gas oder dieWasserstofftech-
nik kämen. Dochessei völlig unklar,
werdie In vestitionen für diegeplanten
17 Gigawatt Leistung aus Gaskraftauf-
bringenwerde,zumaldieserEnergieträ-
gernur als Übergangslösunggelte. „Wir
zumindest werden nichtinGaskraftwer-
ke investieren“,versicher te er.„Dafür
sind die Enttäuschungen über die Ener-
giepolitik und über diefehlende Bere-
chenbarkeitzu groß –und diefinanziel-
len Risiken sind es auch.“
Falls der Entwurfzum Ausstiegsge-
setz,dasam23.oder24. AprilvomBun-
destagbeschlossenwerden soll, nicht
geändertwird, wollen diekommunalen
Energieversorgerdagegen klagen.
„Dazu sind wir als Geschäftsführung
verpflicht et“,stellteSpohnklar.Ererin-
nertdaran,dassdasBundesverfassungs-
gerichtEnde 2016 den Betreibernvon
Kernkraftwerkeneine „angemessene“
Entschädigung zugesprochen habe. Die
EssenerSteag führtein Gutachten des
EnergierechtlersUlric hBüdenbender
ins Feld, wonach der Gesetzesentwurf
verfassungswidrig seinkönnte.
Chinesischer Corona-Kaltstart
Enteignet?KraftwerkinLünen Fotodpa
loe. BERLIN.Sie hat schon seit länge-
remein Imageproblem: die Globalisie-
rung. Zwar profitieren Verbraucher
und Unternehmen erheblichvon Pro-
dukten und Dienstleistungen aus dem
Ausland.AndererseitsführtdieGlobali-
sierung auchdazu, dassimKrisenfall
nicht nur eineRegion Probleme hat,
sondernschnell dieganze Welt.Die Fi-
nanzkrise hat dasvorgut zehn Jahren
zum ersten Mal eindrücklichgezeigt.
Jetzt istesdas Coronavirus.
In chinesischen HäfensteckenCon-
tainer fest,Mitarbeiterfehlen rund um
den Globus an ihren Arbeitsplätzen,
Flugzeuge bleibenamBoden–dieWirt-
schaf tgerät aus ihremgewohntenTakt.
Dochandersals manche Ökonomen
und Politiker erwarten die führenden
Wirtschaftsverbände nicht, dassesjetzt
deshalb einenTrend zur Deglobalisie-
rung geben wird. DieVorteile einerver-
flochtenenWeltwirtschaftseien weit-
aus größer als ihreNachteile, heißt es
in Berlin.
„Volkwirtschaftlich istDeutschland
nicht voneinemeinzelnen Land abhän-
gig“, betont IljaNothnagel, Mitglied
der Hauptgeschäftsführung des Deut-
schen Industrie- und Handelskammer-
tages(DIHK). Zwar seien in jedem
Euro, der aus Deutschlandexportiert
werde,rein rechnerisch40CentZuliefe-
rungen aus dem Ausland enthalten.
DochnachEinschätzung desVerbands
isteskeineswegs so, dassetwaohne die
Lieferungen aus China nichts mehr gin-
ge in der deutschenWirtschaft. „Kein
Handelspartner hat einen Anteil, der
größer als 10 Prozent bei den Ex- und
Impor tenist.“
Noch sind die Sorgenvor einer Coro-
na-Rezessionweitaus größer als dietat-
sächlichen Einbußen. Das Bundeswirt-
schaftsministeriumorientiertsichane i-
nem Modell mit dreiStufen. Noch sei
Deutschlandaufder erstenStufe:einzel-
ne betroffene Unternehmen, aber noch
kein Konjunktureinbruch. Hierfür sei-
en diegewöhnlichenFördertöpfewie
KfW-Krediteund dasKurzarbeitergeld
ausreichend.Notfallskönntendieseauf-
gestocktoderdurcheinklassischesKon-
junkturprogramm ergänzt werden. An
Geld dafür mangelt es nicht, auf bis zu
50 Milliarden Eurobeziffern manche
Fachleuteden finanziellen Puffer. Am
Sonntag wirdder Koalitionsausschuss
aber wahrscheinlicherstmal nur ent-
scheiden, schon beschlosseneSteuerer-
leichterungen zeitlichvorzuziehen.
Die Frage, wie Lieferketten organi-
siertwerden, wieviel Just-in-time-Ferti-
gung mitkeinen oder nurgeringen La-
gerbeständen ratsam ist, müssen dage-
gendie Unternehmen beantworten.
RalphWiechers, ChefvolkswirtdesMa-
schinenbauverbands VDMA,erwartet
in denkommendenWochen verstärkt
Gespräche zwischen Produktionslei-
ternundControllern.„Manwirdsicher-
lichgenau überlegen, ob ein paartau-
send Eurofür die Lagerhaltung wirk-
lichzuv ielsind,wennsonstdieProduk-
tion stillsteht.“ Vorallem diegroßen
Konzerne sind dafür bekannt, dasssie
ihreKostenmöglichstgering halten.
Dieses Credokönntedurch Corona zu-
mindestetwas insWanken kommen,
bei Schlüsselkomponenten auchwieder
ein größerer Lagerbestand vorgehalten
werden.
DieFrageist:Reichtdas?SowohlAlt-
maier als auchsein französischer Amts-
kollegeBruno Le Mairearbeiten seit
Monaten daran, in Schlüsselbereichen
der Wirtschaf tmehr Produktionskapa-
zitäten in Europa zu schaffen. In den
BereichenMikroelekt ronik,Batteriezel-
len und der Datencloud gibt es schon
entsprechendeProjekteundmilliarden-
schwereFörder töpfe. Eine europäische
Medikamentenproduktion könnteals
Näch stes folgen.
DieMinisterdürftensic hdurch Coro-
na in ihrem industriepolitischenKurs
bestätigtfühlen.DerVerbandderFami-
lienunternehmer hält das für eine be-
denkliche Entwicklung. „DieAusbrei-
tung einesVirusdarfjetzt nicht für ei-
nen absolut schädlichen Protektionis-
mus ins Feld geführtwerden“, sagt
Hauptgeschäftsführer Albrechtvonder
Hagen. „EinZurückzueiner umfassen-
den nationalen Produktion würde die
Menschheit ins 19. Jahrhundertzurück-
werfen undriesigeWohlfahrtsverluste
mit sichbringen.“ Er istüberzeugt:Die
Vorteile der Globalisierung seien für
alle Beteiligten so immens, dasseine
Epidemie wie Corona sie nur fürkurze
Zeit unterbrechenwerde.
Nach offiziellerLesart
arbeiten viele Menschen
trotzder Ep idemie
wieder.Wie verlässlich
sind dieZahlen?
VonHendrik
Ankenbrand,Hongkong
NRWtorpediertKohleausstieg
„Entschädigung zugering“/Betreiber wollen klagen
Das Ende der Globalisierung
–oder dochnochnicht?
Welche Lehren dieUnternehmen aus Coronaziehen
Linketräumen vonder
Bürgerversicherung, einer
Chimäre.Kopfpauschalen
verteufeln sie zuUnrecht.