Frankfurter Allgemeine Zeitung - 05.03.2020

(vip2019) #1

SEITE 8·DONNERSTAG, 5.MÄRZ2020·NR.55 Zeitgeschehen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


D

ie meistenVorschläge, wie
auf die durchdie türkische
Grenzöffnungherbeigeführ-
te Flüchtlingskrise zureagierensei,
sind der Symptombekämpfungzuzu-
rechnen.Dochgibtesaucheinige,die
das Problem an seinerWurzel anpa-
cken wollen. DieseWurzel ist, jeden-
falls im Fall der in dieTürkei geflüch-
tete noder nochflüchtenden Syrer,
der Bürger- und Stellvertrete rkrieg in
ihrer Heimat. Die bescheidenenVer-
suche desWestens, auf die Beendi-
gungdieses Krieges hinzuwirken,
sind jed och allegescheitert. Sie blie-
bener folglos, weilwesentlicheKriegs-
parteien sichnicht der Ansicht des
deutschen Außenministersanschlie-
ßen wollen, esgebe für diesenKon-
flikt „keine militärische Lösung“.Er-
dogan, Putin und dervomKreml kurz
vorder Niederlagegerettete Assad
sind vielmehr davonüberzeugt,dass
sienurmitdemmassivenEinsatzmili-
tärischer Mittel zu einer Lösung in ih-
remjeweiligen Sinnekommen.
Mit der Einrichtungvon Schutzzo-
nen würde manwenigstens punktuell
die Ursache der Massenflucht aus Sy-
rien bekämpfen. DochKampftrup-
pen,diedieSchutzzonenschützen(ge-
genRussen undTürken?), will ange-
sichtsderohnehinschongroßenEska-
lationsgefahr, dieindiesemMehrfron-
tenkrieg steckt ,niemand schicken.
Wieman die Sache auchdreht und
wendet: Ob Syrien die Quelle eines
Flüchtlingsstroms bleibt, entscheiden
vorallem Putin und Erdogan. Auf sie
mus sman Druckausüben,wenn man
nicht nur Symptome bekämpfen und
die Flüchtlingskrise nicht immerwei-
terverschleppen will.


Die Wurzel


VonBerthold Kohler

W


ennderungarischeMinister-
präsidentViktor Orbán die-
ser Tage an die Landesgren-
zen und darüber hinaus
blickt, sieht er sichbestätigt.Der Zaun an
der Südgrenze zu Serbien,während der
Flüchtlingskrisevon2015 eilig errichtet
undseitherweiterbefestigt,werdeden„re-
gelmäßigenmassivenAngriffen“standhal-
ten,dienachdem BeschlussderTürkei ,sy-
rischeFlüchtlingenichtlängeranderWei-
terreise in Richtung EU zu hindern, bald
zu er warten seien.„Wir müssen nicht be-
sorgt sein umUnga rnsSicherheit“,versi-
cherte Orbán im BudapesterKossuth Ra-
dio. ImNachbarland Slowenien wurde so-
eben Orbáns langjähriger Verbündeter
Janez Janša, der schonvon2004 bis 2008
und von2012 bis 2013 an der Machtwar,
wieder mit derRegierungsbildung beauf-
tragt.Auchinder künftigen slowakischen
KoalitionsregierunginPressburg(Bratisla-
va)dürften politische Kräfte,die Orbán
und seinerPartei Fidesz zumal in der Mi-
grationspolitik nahestehen, einegewichti-
ge Rolle spielen.
VordiesemHintergrundgewinnteine
InitiativeOrbáns mit Blickauf die Zu-
kunftvon Fidesz als „Familienmitglied“
der christlich-demokratischen Europäi-
schen Volkspar tei(EVP)besondereAktua-
lität .Das Verfahren zum möglichen Aus-
schl ussdesFideszausderEVPistzurHän-
gepartiegeworden. Die Mitgliedschaftder
rech tsnationalenungarischenRegierungs-
partei in der EVP istzwarseit knapp ei-
nem Jahr teilweise suspendiert. Im Euro-
paparlament bleiben die zwölfFidesz-Ab-
geordneten aberMitglieder der EVP-Frak-
tion: Man braucht ihreStimmen.
Orbáns Gegner in der EVP,allen voran
der neue Parteivorsitzende DonaldTusk,
müssenihreHoffnungwohlbegraben,Or-
bán werdedas ProblemFidesz durch ei-
nen Austritt selbstlösen. Dennstatt zum
Rückzug blästOrbán zum Angriff.Und
zwar mit dem ominösen „Memorandum
zum Zustand der EVP“, das er am 19.Fe-
bruar der EVP-Führung in Brüssel hat zu-
kommen lassen. Das auf Englischverfass-
te Memorandum beruht auf denÄußerun-
gen, mit denen Orbán AnfangFebruar in
Rombeider Konferenz„Gott,Ehre,Vater-
land: PräsidentRonald Reagan, PapstJo-

hannes Paul II. und dieFreiheitder Natio-
nen“ das internationalerechtskonservati-
ve Publikum begeisterthatte.
OrbánszentralesArgumentbeiderKon-
ferenzin Romwieauc himBudapesterMe-
morandum lautet:Der Kampfder rech ts-
nationalen, der „souveränistischen“ Kräf-
tevonheutefür(mehr)nationaleSelbstbe-
stimmung entspreche dem Ringen um
Freiheitvomkommunistischen Jochaus
denZeiten vonRonaldReaganundJohan-
nesPaulII.DietotalitäreHerrschaftkehre
heute, im Kleide derglobalisiertenLin-
ken, als „rosaroter Polizeistaat“ zurück.
Die EVP,soh eißt es im Memorandum, sei
vonBeginn an ein entscheidenderFaktor
gewesen für die Bildung einer politischen
MehrheitinEuropa.Dieseseigeeintgewe-
sen imWiderstand gegenden sowjeti-
schen EinflussinMitteleuropa undgegen

das kommunistische System, aber auchim
Kampffür dieWiedervereinigung Euro-
pas, die Schaffung des Schengen-Systems
und die europäische Gemeinschaftswäh-
rung. „Die EVPwarentschieden pro-de-
mokratisch, anti-kommunistisch, markt-
freundlich, anti-marxistisch, pro-national.
Sie warfür denAufbau derUnion auf der
GrundlagevonNationen,siewarfürSubsi-
diarität undgegenBürokratie, sie war
christlichinspiriertund verfocht das
christliche Bildvonder Familie undvon
der Ehe als dem Lebensbündnis eines
Mannes und einerFrau“, schreibt Orbán.
Vondiesen Ursprü ngen habe sichdie
EVP entfernt:„Alles hat sichgeändert.
Stattsic hdemKommunismusundMarxis-
mus entgegenzustellen, der ein schmerz-
haftesErbeinEuropahinterlassenhat,ap-
plaudieren wir Fidel Castround Karl

Marx.“Statt einchristlich-sozialesWirt-
schaftsmodell zuverfech ten, befürworte
dieEVPheute„egalitäre,sozialistischeSo-
zialtheorien“sowieeineweiter e„Zentrali-
sier ung undStärkung derBürokratie in
Brüssel“, klagt Orbán.Statt Familien und
derenKinderwunschzuf ördern,befürwor-
te dieEVPMasseneinwanderung,umdem
Bevölkerungsrückgang zu begegnen:„Wir
tolerieren trägeden Zerfall des Schengen-
Raums und nehmen hilflos das Scheitern
bei der europäischen Integration der Bal-
kanstaaten hin.“ DasAbdrif tender EVP
„von derchristlichenRechten hin zur Lin-
ken“ habe dazugeführt, dassdie einstna-
tional-konservativeParteienfamilie in
den Augenvieler Wähler vonden Libera-
len, den Grünen oder den sozialistischen
Linken nicht mehr zu unterscheiden sei.
Das Ergebnis dieser weltanschaulichen
Verirrung sei derVerlusteiner eigenen
Mehrheit:„Während die EVP 2011 noch
über 16Regierungschefsinden 27 EU-
Mitgliedsstaatenundüber271Sitzeim Eu-
ropaparlamentverfügte, hat sie heutenur
nochneun Regierungschefsund 187 Man-
dateimEuropaparlament, und nur noch
wenigeEVP-Mitgliedsparteien sind in der
Lage, ohne Koalitionspartner zuregie-
ren.“ Natürlic hzielt das auchauf die CDU
unter Kanzlerin Angela Merkelab, auch
wenn diese nichtgenanntwerden.
AlsAuswegausderKrisefordertOrbán
eine strategischeRückbesinnung auf das
Erbe des belgischen Ministerpräsidenten
Wilfried Martens, der die EVPvon
bis 2013 führte. Martens habe esverstan-
den, die „Mitte-rechts-Parteien mitrech-
tenParteien unterschiedlicher Herkunft
und Verwurzelung zuvereinigen“. DieRe-
publikaner in den Vereinigten Staaten
habe Martens als „natürlicheVerbündete“
betrachtet.DeshalbempfiehltOrbán,dass
sichdieEVP-Mitgliedsparteieninihrenje-
weiligen Ländern„nicht nur umKoopera-
tionen undKoalitionen mit der Linken,
sondernauchmit rechten Parteien bemü-
hen“. Sein Memorandum über Zustand
und Zukunftder EVP schließt Orbán mit
den Worten, dassman eine „neue Einig-
keit heutenur dur ch eine ehrliche innere
Debatteerreichen“könne. Deren Ergeb-
nis kann nachder Vorstellung Orbáns nur
Held der europäischenRechten:Ungarns MinisterpräsidentViktor Orbán FotoEPA sein, dassdie einigende Mitterechts liegt.

W


ochenlangeStreiksgegen
die Rentenreformhaben
den französischen Präsi-
dentennichtwankelmütigwerden las-
sen. Dasgeplanteuniverselle System
für die Altersversorgung, das mit der
Ablehnung zweier Misstrauensanträ-
ge eine wichtigeparlamentarische
Hürdegenommen hat, zeugtvonMa-
crons ungebrochenemReformwillen.
AberderPräsidentwirdinseinemBe-
streben, die berufsstä ndischenStruk-
turen Frankreichs aufzubrechen,
nicht mehrvoneiner Mehrheit seiner
Landsleuteunter stützt.Das Ressent i-
ment gegendie als autoritär empfun-
dene Vorgehensweise derRegierung
wächst. DieKlagedesli nken Volkstri-
buns Jean-Luc Mélenchon in derNa-
tionalversammlung über Macrons
„Technokraten, die sichanihrer eige-
nen Wahrheit berauschen“,stößt auf
Widerhall im Land.
Angesichts desVorpreschens der
Regierung rückendie Obstruktions-
versuche der Oppositionsparteien,
die Zehntausende Änderungsanträge
stellten, in den Hintergrund. Verfas-
sungsartikel 49.3 erlaubt es dem Pre-
mierminister,einen Gesetzestext mit
der Vertrauensfragezuverknüpfen.
Dochdie auf dieseWeise verkürzte
Parlamentsdebatteverstärkt den Ein-
druc kimLand, dassohne Rücksicht
auf die Ängste und Sorgender Bür ger
„durchregie rt“werde. Die klareAb-
lehnungderbeidenMisstrauensanträ-
ge stellt deshalbkeinen politischen
Sieg für dieRegierung dar.Ihr droht
eine Abstrafungbei den Kommunal-
wahlen im Lande in zweiWochen.


Seine erstegroße Be währungsprobe
hat MarioVoigt, seit zweiTagenChef
der CDU-Fraktion im Thüringer
Landtag, am Mittwochbestanden.
Auch wenn kein CDU-Politiker zur
Wahl stand, kamesauf dasVerhalten
der 21 CDU-Abgeordnetenmaßgeb-
lichan. Mit ihrer mutmaßlichge-
schlossenen Enthaltung haben
Voigts Abgeordne te einenWeg aus
der politischen Krisegezeigt, die sie
am 5. Februar mit derWahl Thomas
Kemmerichsmit verursacht hatten.
„Besonnenheit, Klarheit, Glaubwür-
digkeit“ nennt der 43 Jahrealte, in
Jena geborenePolitiker als wichtigste
Ziele seinerFraktion nachdemRück-
tritt MikeMohrings.
Politischgeprägt wurdeVoigt vor
allem durch seine Großeltern; der
Großvater,einstMitglied der DNVP,
verlor nac hder Teilung Deutschlands
bei der SED-Aktion „Ungeziefer“,
mit der Menschen aus dem DDR-
Grenzgebietzur Bundesrepublik
zwangsumgesiedelt wurden, Haus
und Hof. Seine Großmutterverließ
die DDR in denWesten. Er brauche
„null Belehrung“,wenn es um die
Zeit der SED-Herrschaf tgehe, sagt
Voigt.Erselbstbegeis tertesich
für HelmutKohl, den er imWahl-
kampfinJena erlebte. In seiner Hei-
mat,demSaale-Holzland-Kreis,grün-
dete er die JungeUnion mit undwar,
während erin Jena,Bonn undAmeri-
ka Politik,Juraund Geschichtestu-
dierte,der er steostdeutsche Bundes-
vorsitzende desRCDS.
Nach dem Studiumgründete Voigt
eine Kommunikationsberatung und
warSprecher einer Jenaer Medizin-
technik-Firma. Politischengagierte
er sic hinKreistagund Kreisverband,
kandidierte 2009 erstmals für den
Landtag undgewann seinenWahl-
kreis stetsdirekt.Schon 2010warer
Generalsekretärder Landes-CDU
und leiteteden Wahlkampf 2014, aus
dem diePartei siegreichhervorging,
aber die Machtverlor.Mit demAuf-
stieg Mohrings tratVoigt zurückins
zweit eGlied undkonzentrierte sich
auf seine wissenschaftlicheKarriere.
ErpromovierteüberdenPräsident-
schaftswahlkampf zwischen George
W. Bush und JohnKerry, beobachtet
seit vielen Jahren denWahlkampf in
den VereinigtenStaaten und istunter
Demokraten wieRepublikanernbes-
tens vernetzt, hatteZugang zumWei-
ßen Haus und zu Bushs Chefberater
Karl Ro ve.Inder IDU,dem weltwei-
tenDachverbandkonservativ-christ-
demokratischerParteien, leitet er die
ArbeitsgruppeCampaigning.Interna-
tionalität seiTeil seines Selbstver-
ständnisses,sagtVoigt, derals Profes-
sorfür DigitaleTransformation und
Politik an der privaten Quadriga-
Hochschule in Berlin lehrt.
Für die kommenden Jahrericht et
sichderFokusdesevangelischen,ver-
heirat eten, zweifachenFamilienva-
ters auf Thüringen. Er sehe persön-
licheine große Verantwortung, das
Land aus dem „Schlamassel“ wieder
herauszuholen,sagt der passionierte
Schachspieler,den jenseits derPoli-
tik noch„eine anderegroße Baustel-
le“ umtreibt:Erist Aufsichtsratschef
des FC CarlZeissJena, desTabellen-
letzten in der 3. Liga. STEFANLOCKE

Wladimir Putin istzwarerst67Jahrealt,
aber schon seit mehr als zwei Jahrzehnten
an der Macht. Mit Blickauf daswahr-
scheinlicheEnde seiner Amtszeit in vier
Jahren macht sichmancher,womöglich
garder Präsident selbst, Gedanken,wel-
ches Erbe Putin Russland hinterlassen
wird. EinTeil da vonist die im Januarvor-
gestellteVerfassungsreform, die indes ei-
nen Verbleib Putins an der Macht nach
dem Frühjahr 2024vorbereitenkönnte.
Etwaander Spitze des Staatsrats, den das
Gesetzespaket „zur Vervollkommnung
der Regulierung bestimmterFragen der
Organisation öffentlicher Macht“ in der
Verfassungverankert. Womöglichwill Pu-
tinwiederPräsidentwerden(wasdiejetzi-
ge Verfassung ausschließt), mit der Be-
gründung, nachder Reform sei allesneu.
Aber solche entscheidendenFragen sind
tabu;stattdessenkreistedievomKremlge-
steuerte Diskussion um Emotionales und
Polarisierendes wie, ob Gott, die Ehe als
Bund vonMann undFrau und der Sieg
von1945 in dieVerfassung sollten.
Siesollen:AmMontagabend,nachmeh-
rerenTreffen mit seinerhandzahmen Ar-
beitsgruppe, fügtePutin seinem Entwurf
entsprechende undweiter eÄnderungen
hinzu. BeideParlamentskammernsowie
mindestenszweiDrittelderRegionalparla-
mentesollen sie in derkommendenWo-
chebilligen.DannwillPutindasGesetzes-
paket,wie am Mittwochbekanntwurde,
am 18. Märzunterzeichnen: An diesem
Taghatteersich2018 im Amt bestätigen
lassen, zurFeier dessen, dasserexakt vier
Jahrezuvor die ukrainische Halbinsel
Krim annektierthatte.

Das symbolträchtigeDatumverdeut-
licht denStellenwert,den Putin demVöl-
kerrechtsbruchmitBlic kaufseinErbebei-
misst.Ein weiterer Völker rechtsbruchsoll
in derVerfassungveranker twerden, dass
nämlichRusslands nationalesRecht inter-
nationalen Gerichtsentscheidungen und
Verträgenvorgehen soll.Weil das zudem
Artikel 15 derVerfassung widerspricht,
dernurunterhohenHürdengeändertwer-
denkann, lässt der Kreml einen neuenAr-

tikel79indieVerfassungaufnehmen.Die-
sesMustersetzt sic hinden neuen Ände-
rungen fort.ImGeistsind sie sokonserva-
tiv bisreaktionärwie Teile der alternden
Führung; in derForm machen sie dieVer-
fassung zu einemKessel Buntesvoller Wi-
dersprüche.
Im Kapitel „FöderalerAufbau“ werden
künftig „auf eineVeräußerung einesTeils
desGebiets derRuss ischenFöderationzie-
lende Handlungen“ und entsprechende
Aufruf egeächtet, Separatismus also: Bis-
her reicht dafür dasStrafgesetzbuch.Zu-
demfindetsichhierkünfti gnacheinerDe-
klaration dazu, dassRussland derRechts-
nachfolger der Sowjetunion ist, der Satz:
„Die voneiner tausendjährigen Geschich-
te vereinteRussischeFöderation erkennt
unter WahrungdesAndenkensderVorfah-

ren, die uns Ideale, den Glauben an Gott
sowie Kontinuität in der Entwicklung des
Russischen Staates hinterlassen haben,
die historischentstandenestaatliche Ein-
heit an.“ DassGottgleichsam amRande
Einzug in dieVerfassungvon1993 hält,
dürftedaran liegen, dassnicht klar ist, wie
die Präambel zu ändernwäre. So bleibt
auchinder Vorrede das„Andenken der
Vorfahren, die uns Liebe undRespekt vor
dem Vaterland, den Glauben an das Gute
und Gerechtigkeit hinterlassen haben“.
Die Vorfahren-Dopplung wirdinKauf
genommen, Scheinharmonie soll die Brü-
cheder Geschichte überdecken, den Bür-
gerkrieg zwischenZarenanhängernund
Bolschewiken, denFeldzug der Sowjet-
machtgegenGottund Kleriker.Putins
Sprecher,Dmitrij Peskow,beteuerte, dass
der Staat „seinen säkularen Charakter
nichtverlieren“werde,undantworteteauf
die Frage, welcher Gottgemeint sei: „Ich
glaube, das wirdrechtzeitig aufgeklärt.“
Peskow sucht eauchden Unmut des Muf-
tisderTeilrepublikTatars tan über dieFor-
melzudämpfen,Russischsei „dieSprache
des staatsbildenden Volkes“; auchdas
Volk der Tatarenblickt auf einestolze Ge-
schichte zurück. Peskow sagte, der neue
Begriff werdedie Rechte nationaler Min-
derheiten nichtverringern.
Dem Staat wirdnun in derVerfassung
der „Schutz der historischen Wahrheit“
aufgetragen .Gegen „Geschichtsfäl-
schung“ gibt es schon einenStrafrechtsar-
tikel, jetzt bekommen Putins jüngste
Rechtfertigungen des Hitler-Stalin-Pakts
höchsteWeihen. Das lässt fürchten für die
Zivilgesellschaft,allem voranfürdie Nicht-
regierungsorganisation Memorial, die

über denStalinismus aufklärtund schon
als „ausländischer Agent“ drangsaliert
wird. DieRolle des Sieges1945 wirdindie
Formel gekleidet, eswerdenicht zugelas-
sen,„dieBedeutungderHeldentatdesVol-
kesbeim Schutz des Vaterlandes“ zu
schmälern. Hier istder Staat ebenso zu-
ständig wie für die Kinder,über die es nur
einen Satzweiter heißt:„Kinder sind das
wichtigste Gut derRussischenFöderati-
on.“ Seit JahrenforciertRussland mit ei-
nem Verbotvon „Homosexuellenpropa-
ganda“ dieAbkehr von„Gayropa“ (ein
Staatsmedienwort für das angeblich
„schwule Europa“). Künftig soll dafür
auchdie Verfassung bürgen. Der Aus-
schlu ss der Homosexuellenehe wirdin
eine Kompet enzvorschriftgesteckt:Der
Staat und seineTeilsubjekte(Bund und
Länder)sollen „das Institut der Ehe als
Bund vonMann undFrau“ schützen.
Fürdie russische Praxis istdas ebenso
wenig relevant wie allerleiWohlklingen-
des, etwa eine Pflicht, „Bedingungen für
stabiles Wirtschaftswachstum“ und ein
„wechselseitigesVertraue nvon Staat und
Gesellschaft“ zu schaffen. Bisher begeis-
tert sichdie Be völkerung nicht für dieRe-
form.Dochsollen dieWähler,wenn Pu-
tins Verfassungsrichter keine Einwände
gegendas Paketäußern, am 22. April dar-
über abstimmen, einem zumFeiertag er-
klärten Mittwoch.ZurAnnahmegenügen
soll eine einfache Mehrheit derjenigen,
die teilnehmen. Dochder Kreml will eine
hohe Beteiligung als Akklamation für Pu-
tin. So sollen nun 100 000 jungeFreiwilli-
ge darin unterwiesenwerden, die Ände-
rungendenWählernverständlichzuerklä-
ren.

Rücksichtslos?


VonMichaelaWiegel

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Angriff statt Rückzug


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Mit Gott und der Ehe


WiePutin sein politisches Erbein der neuenrussischenVerfassungsichernwill/Von FriedrichSchmidt, Moskau


Schachspieler


Viktor Orbánforderteine Öffnung


der EVP nachrechts


VonMatthiasRüb, Rom


Dem Staat wirdder „Schutz
der historischen Wahrheit“
aufgetragen. Das bedroht
Russlands Zivilgesellschaft.
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