Aufstiegs von „Fast Fashion“ um das Doppelte.
2015 wurde weltweit Kleidung im Wert von mehr
als 400 Milliarden Euro weggeworfen.
Jorik Boer lebt als Direktor der Boer Group
davon, dass er weggeworfene Kleidung rettet.
Das holländische Familienunternehmen hat
fünf Standorte in den Niederlanden, Belgien,
Frankreich und Deutschland. Insgesamt sam-
melt, sortiert und verkauft es zur Wiederver-
wertung und zum Recycling bis zu 415 Tonnen
entsorgter Kleidung pro Tag.
Die Menschen hätten eine falsche Vorstel-
lung davon, was geschieht, wenn sie Kleidung
in einen Spendencontainer werfen, so Boer.
Sie meinten, die Sachen landeten direkt bei
Bedürftigen. Stattdessen kaufen normalerweise
Unternehmen wie Boer gespendete Kleidung,
sortieren sie und verkaufen sie weiter – weltweit.
Durch das Fenster hinter ihm konnte ich die
geübten Handgriffe von Frauen beobachten, die
Kleidung von Förderbändern nahmen, jedes
Teil kurz begutachteten, sich dann umdrehten
und es in einen von etwa 60 Säcken warfen.
Laut Boer sortiert jede Frau ungefähr drei Ton-
nen pro Tag. Sortierer müssen einen Blick für
Mode haben – besonders für die besten Stü-
cke. Die machen nur fünf bis zehn Prozent der
Gesamtmenge, aber den Löwenanteil von Boers
Gewinn aus. In Russland und Osteuropa können
begehrte Teile wie Damenunterwäsche bis zu
fünf Euro pro Kilogramm erzielen. Der größte
Teil an minderer Qualität wird nach Afrika ver-
schifft und dort für nicht mehr als 50 Cent pro
Kilo verkauft.
Boer musterte mein graues Sakko, mit dem
ich mich eigentlich ganz wohlfühlte. „Ihr Jackett
könnten wir nirgendwo verkaufen“, sagte er
gut gelaunt, ohne dass ich ihn gefragt hätte.
„Niemand auf der Welt will das kaufen.“ Aber
gebrauchte Unterwäsche wird gekauft? Ich war
leicht pikiert. „Die ist sauber, die gebrauchte
Unterwäsche“, sagte Boer. Die Leute würden nor-
malerweise keine schmutzige Kleidung spenden.
Heutzutage bekommt er mehr Kleidung, als er
bewältigen kann, vor allem aus Deutschland, wo
drei Viertel der Altkleider gesammelt werden.
Boer findet nicht genug sachkundiges Personal.
Im Moment kann das Unternehmen 60 Prozent
der Kleidung weiterverkaufen. Kleidungsstücke,
die in Gebrauch bleiben und wieder getragen
werden, sind besser für den Planeten – Material
und Energie, die in die Herstellung geflossen
sind, müssen nicht ersetzt werden.
elektronischen Abfalls recycelt. Bei Aurubis
landen sogar Lieferungen aus den USA. „Aber
ich frage mich manchmal, warum so ein hoch-
industrialisiertes Land auf solche Ressourcen
einfach verzichtet“, so Roth. Es beginnt sich
zu ändern. Apple ermuntert Kunden, alte
iPhones einzutauschen; ein intelligenter Robo-
ter nimmt sie auseinander und extrahiert Mate-
rial für neue Geräte.
Doch beim Kupfer zeigt sich ein generelles
Problem: Selbst intensives Recycling hat seine
Grenzen. In der Kupfererzeugung von Auru-
bis macht recyceltes Kupfer nur ein Drittel der
Rohstoffe aus. Der Rest kommt aus Minen. Die
globale Kupferproduktion hat sich im letzten
halben Jahrhundert vervierfacht und wächst
weiter. Für den Ausstieg aus fossilen Brennstof-
fen benötigen wir eine Menge Kupfer. Für eine
einzige gigantische Windkraftanlage sind es
etwa 30 Tonnen. „Die Nachfrage steigt“, sagte
Aurubis-Manager Laser. „Aber die kann man nie
und nimmer mit Recycling befriedigen.“ Für die
Kreislaufwirtschaft wird man andere Strategien
brauchen.
Kleidung
DAS EMBLEM DER Ellen-MacArthur-Stiftung,
drei ineinandergefügte Kreise, prangt auf Dame
Ellens blaugrünem Kapuzenpulli. Wir treffen
uns in ihrer Zentrale, einem alten Loft auf der
englischen Isle of Wight. Im Jahr 2005 beendete
MacArthur, damals 28 Jahre alt, ihre Solo-Welt-
umsegelung. Sie war mit Stürmen vor der Ant-
arktis um die Wette gesegelt und hatte einen
defekten Generator repariert. Sie kam zu Hause
an mit einem unguten Bauchgefühl, was unsere
begrenzten Ressourcen angeht.
Warum redeten nicht alle darüber, hatte sie
sich gefragt. Sie ließ das Segeln sein und grün-
dete eine Organisation, die mehr als jede andere
getan hat, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern,
mit vielschichtigen Strategien (siehe Diagramm
auf Seite 65). Die beste ist die einfachste: weniger
Material verschwenden, indem man es immer
wieder verwendet.
Für viele Menschen betrifft dieses Problem
ganz besonders ihren Kleiderschrank. Von
2000 bis 2015 nahm die Weltbevölkerung um
ein Fünftel zu, im gleichen Zeitraum wuchs
die Bekleidungsindustrie dank des explosiven
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