Die Zeit - 27.02.2020

(nextflipdebug2) #1

ENTDECKEN


Vorher/Nachher: Munch/Merz


Als ich in der ZEIT Nr. 9/20 das Foto des offenbar über
irgendetwas sehr erschrockenen CDU-Politikers Friedrich Merz sah, musste
ich unwillkürlich an Edvard Munchs Bild »Der Schrei« denken.

Dieter Lanz, Mainz


ZEITSPRUNG

Sonntagmorgen, wir liegen noch im Bett. Als
meine bessere Hälfte sich den Schopf kratzt,
frotzle ich: »Na, Läuse?« Worauf sie mir grin-
send durch die Haare wuschelt und meint:
»So, jetzt hast du sie auch!«
Markus Limmer, Haßloch, Rheinland-Pfalz

Ein sonniger Februartag. Bei plus 13 Grad Cel-
sius entdecke ich am Wegesrand ein erstes zartes
Blümchen. Ich erinnere mich an Franz Schuberts
Liederzyklus Die Winterreise aus meiner Musik-
Abiturklasse und hole mein Smart phone heraus,
um auf You Tube den Frühlingstraum anzuhören.
Und tatsächlich finde ich in der Mitte des Liedes
die Stelle, die ich suche: »Ihr lacht wohl über den
Träumer, der Blumen im Winter sah.«
Heiko Sorg, Basel

Ich sitze mit meiner fast 80 Jahre alten, an
Demenz erkrankten Mutter auf der Terrasse
des Pflegeheims. Es ist außergewöhnlich mild,
und die Sonne wärmt unsere Gesichter. Mit
ihrem inzwischen sehr reduzierten Sprechver-
mögen reiht sie unablässig Zahlen, ganze
Wörter und un voll ende te Silben an ein an der.
Dann atmet sie schwer und sagt plötzlich:
»Die Welt ist so schön«, bevor sie wieder in
Kauderwelsch abtaucht.
Katja Denis, Frankfurt am Main

In unserer Straße gibt es eine kluge Katze, die,
wie ich mit Staunen beobachten konnte, auch
sehr verkehrserfahren zu sein scheint. Sie
schaut nach links, nach rechts, und erst nach
einem weiteren Blick nach links wechselt sie
die Straßenseite. Ob Katzen in Ländern mit
Linksverkehr sich entsprechend andersherum
verhalten? Ich wüsste es gern.
Rita Herber-Slama, Bad Camberg, Hessen

Nach langer Erkrankung nebst notfallmäßiger
Bauch-OP endlich wieder schmerzfrei auf mei-
nem Fahrrad zu sitzen. Großes Glücks gefühl!
Bettina Koch, Dresden

Bis dato haben wir das ausgeglichene, ganz
und gar unkomplizierte Gemüt unseres älteren
Sohnes auf gute Erziehung zurückgeführt,
nun entpuppt sich unser wenige Wochen altes
Töchterchen als das, was man landläufig als
»Schreibaby« bezeichnet ...
Rettungsanker in dieser stürmischen Zeit ist – ja,
tatsächlich! – meine Schwiegermutter. Sie
kommt, kocht, räumt auf, spielt hingebungsvoll
mit dem Großen und erträgt geduldig das
Geschrei der Kleinen. Alles, damit ich mein
Studium be enden oder einfach mal durchatmen
kann. Danke, du beste Schwiegermama der Welt!
Johanna Drexl, Würzburg

Zwei Orkane brausen in kurzem Abstand über
mein etwas exponiertes Haus und lassen Dach-
pfannen und Schindeln auf den Rasen segeln.
Schon ein paar Stunden später – noch bei eis-
kaltem Regen – machen zwei Dachdecker den
Schaden wieder heil. Nach dem Kleben und
Hämmern lassen wir drei uns einen Kaffee
schmecken: die fleißigen Handwerker er-
wärmt, ich dankbar.
Sibylle Korber, Odenthal

Meinen Mann, der als Brite die Ode an die
Freude zuletzt nur mit Tränen in den Augen
ertragen konnte, heute beim Verlassen des
Hauses die EU-Hymne fröhlich vor sich hin
summen zu hören. Vor wenigen Tagen ist er
Deutscher geworden.
Marie-Louise Read, Bitburg

Über die drei ausgetretenen Kalksteinstufen zum
Westchor des Naumburger Doms laufen in dem
Bewusstsein, dass die vielen Füße, die vor mir auf
diesen Stufen Spuren hinterlassen haben, längst
der Vergänglichkeit anheimgefallen sind!
Rudi Schmidt, Leipzig

Unsere 6-jährige Tochter wollte (wie so oft)
abends nicht einschlafen und unterbrach meine
Gute-Nacht-Lieder immer wieder. Schließlich
sagte ich leicht verzweifelt im Märchenstil: »Die
Mutter versuchte mit süßlichen Klängen, das
Kind in den Schlaf zu singen.« Unsere Tochter
antwortete im gleichen Tonfall: »Sie klängelte
und klängelte, doch das Kind schlief nicht ein.«
Daraufhin mussten wir beide so lachen, dass
jede Müdigkeit dahin war.
Aneke Twietmeyer, Kiel

Es ist gegen Mitternacht und der Vortrag absol-
viert, Rückfahrt auf der Autobahn. Meine Frau,
fast achtzig wie ich, schält eine Orange und
schiebt mir zärtlich, Schnitz um Schnitz, in den
Mund. Wir sind glücklich.
Mathias Jung, Lahnstein, Rheinland-Pfalz

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E


s gibt zwei Arten von Spieleautoren:
Die Märchenerzähler wählen zuerst
Thema und Schauplatz aus und über-
legen dann, wie das Spiel funktionie-
ren könnte.
Die Mechaniker, zu denen ich mich zähle,
machen es genau umgekehrt. Es ist, als würde
ich einen Motor bauen, ohne zu wissen, ob er
mal ein Auto oder ein Flugzeug antreiben soll.
Auf meinem Computer sind über 300 Frag-
mente für Spielemechaniken gespeichert, aber
kaum Themen.
Jedes Spiel teste ich zuerst in Spielkreisen,
wo sich Autoren und Laien treffen. Oder ich
nehme einen Prototyp mit zu einem Abend
mit Freunden. Oft ist das dann nur die nackte
Mechanik: ein DIN-A3-Blatt mit gezeichne-
ten Kreisen und Linien; Zettel mit Notizen;
Würfel und »Pöppel« – Spielfiguren. In den
Schubladen bei mir zu Hause lagern mehrere
Tausend Pöppel.
Wofür die Kreise stehen, welche Eigen-
schaften die Figuren haben oder wo das Spiel
angesiedelt ist, ergibt sich erst mit der Zeit.
Viele Vorschläge kommen von den Testern.
Unter einem Jahr dauert die Testphase nie.
Ob den Leuten eine Mechanik gefällt,
merke ich schnell. Wenn sie mitten im Spiel
anfangen, über Fußball zu sprechen, oder in
immer kürzeren Abständen auf die Toilette
gehen, dann ist das Spiel nicht so spannend.
Gerade am Anfang ändere ich Mechaniken
rabiat, viele Ideen landen im Papierkorb. Wenn
ich in eine Sackgasse gerate, was häufig ge-
schieht, lege ich einen Prototyp auch mal ein
Vierteljahr beiseite. Später bei den Spielever-
lagen sind die Hürden andere. Es kann vor-
kommen, dass ein Verlag die Handlung von
Südafrika nach Südamerika verlegt, aus Kosten-
gründen ein Spielelement streicht oder einen
anderen Namen für ein Spiel vorschlägt. Das
stört mich nicht. Nur wenn er in die Mechanik
eingreift, werde ich unruhig.
Ein gutes Spiel hat kurze Regeln und dauert
höchstens 90 Minuten. Die Spieler sollen
nicht über die Regeln, sondern über den
nächsten Spielzug nachdenken – aber auch
nicht so lange, dass die anderen in der
Zwischenzeit rauchen gehen. Notfalls muss ich
Spielzüge portionieren.
Ich arbeite gern mit mehreren Spannungs-
bögen, kleinen und großen Erfolgserlebnissen.
Etwa 70 Prozent der Punkte verteile ich auf
die Spielzüge, und mit den restlichen 30
können die Spieler am Ende das Spiel noch
drehen.
Damit es nicht immer gleich abläuft,
braucht ein Spiel Zufallselemente wie Würfel,
Ereigniskarten oder Drehscheiben. Manchmal
muss ich mich zwingen, solche Elemente ein-
zubauen. Ich spiele Schach, seit ich acht bin,
und manche Autorenkollegen sagen, das merke
man meinen Spielen an: »Sehr verkopft – ein
typischer Schlegel.«


... Spieleautor


zu sein


WIE ES WIRKLICH IST

Wenn Sie in unserer Rubrik »Wie es wirklich ist«
berichten möchten,
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Drusseln


Wenn ich als Kind morgens nach dem Wecken nicht sofort aufstehen wollte,
sagte ich zu meiner Mutter, dass ich noch ein wenig drusseln möchte. Heute würden Kinder
vermutlich »ein wenig chillen« sagen oder »Bleib geschmeidig, ich steh bald auf«.

Hannes Hubrich, Berlin

MEIN WORTSCHATZ

Aufgezeichnet von Daniel Kastner

Koala Jasmin lebt in der Nähe von Sydney, im Australian Reptile Park. Sie ist sehr friedlich, liegt vielleicht auch daran, dass sie feste Knuddelzeiten mit den Tierpflegern hat. Fotografiert von Gerry Pearce

Folge 194


Du siehst aus,


wie ich mich fühle


70 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10


Pe ser n


Als Kinder des Kriegs hatten wir früh viel Feuer gesehen und experimentierten
auch danach noch aus Abenteuerlust damit, etwa beim Abbrennen von
Munitionsresten oder mit explodierenden Karbidflaschen. Wenn wir aber erwischt
wurden, gab es als Strafe fürs Pesern mindestens Stubenarrest.

Hermann Schulz, Altenholz, Schleswig-Holstein

Illustration: Eva Revolver für DIE ZEIT; kl. Fotos: akg; privat (u.r.)

Martin Schlegel, 73,
ist pensionierter Statistiker
und hat bislang über 50 Spiele
veröffentlicht
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