Focus - 22.02.2020

(Sean Pound) #1
INFLUENCER

Fotos: Markus C. Hurek, J.Reetz/BrauerPhotos


FOCUS 9/2020 35

käme die Politik nicht
infrage.
Wie haben Ihre Eltern
auf Ihre Pläne reagiert,
künftig für Herrenmode
werben zu wollen?
Ich bin in einer Fa-
milie von Juristen auf-
gewachsen, mein Vater
und meine Onkel haben
immer Anzug getragen, die-
se Art, sich elegant zu klei-
den, gefiel mir schon sehr
früh. Mit 14 habe ich im Kel-
ler meines Vaters das Buch
„Der Gentleman: Handbuch
der klassischen Herrenmo-
de“ von Bernhard Roetzel
entdeckt. Das hat mich fas-
ziniert, ich wusste, dass das
mein Ding ist. Ich habe bei meiner Oma
nähen gelernt, um die alten Hemden
meiner Onkel anzupassen. Im Jahr 2015
habe ich Instagram entdeckt und die
Möglichkeiten, dort Mode zu präsentie-
ren. Im Lauf der Zeit haben meine Eltern
gemerkt, dass das nicht einfach Spielerei
ist, sondern dadurch Geschäftsideen ver-
wirklicht werden können. Sie sehen es
mit Wohlwollen.
Wer war prägender, Vater oder Mutter?
Als ich fünf war, ist mein Vater in die
Politik gegangen, dadurch war mei-
ne Mutter mehr zu Hause.
Aber geprägt haben mich
beide gleichermaßen: Tole-
ranz und Offenheit waren
wichtig. Und Europa, im
ganz praktischen Sinne:
Wir sind viel gereist, und ich
bin in Aachen groß gewor-
den, nahe an der belgischen
Grenze, da ist der europäi-
sche Gedanke Alltag.
Wie würden Sie Ihren
Vater charakterisieren?
Mein Vater ist klug,
freundlich, diplomatisch und
offen. Er ist ein Mensch, der
sehr ergebnisorientiert ist.
Und man kann mit ihm auch
einfach mal ein Bier trinken.
Was bewundern Sie an ihm?
Ich bewundere sein Durchhaltevermö-
gen und seine Stehauf-Mentalität. Beides
nehme ich mir gern zum Vorbild.
Was können Sie besser als er?
Ich habe ein besseres Stilempfinden
als er.
Wie wichtig ist Kleiderstil in der Politik? 

Christlich digital:


die CDU nach Rezo


D


ie CDU verbindet man nicht so-
fort mit der Sadomaso-Szene.
„Ja, wir gestehen, wir haben einen
kleinen Fetisch“, twitterte die Bundes-
partei Ende November zum Bild einer
schwarzen Null, der Grafiker eine dunkle
Lederkappe aufgesetzt hatten. „Solide
Finanzen ohne neue Schulden“, heißt
das. Bloß zeitgemäß vermittelt.
Die CDU macht sich locker. Seit
dem peinlichen Umgang mit dem Video
des YouTubers Rezo im Mai 2019 be-
schäftigt sich die Partei mit ihrer digitalen
Kommunikation. Sie lässt Führungskräfte
und Mitglieder schulen. Etwa vergangenes
Wochenende beim „Digital Bootcamp“.
Gut 100 CDU-Mitglieder kamen ins Kon-
rad-Adenauer-Haus, um mit Influencern
und Journalisten Social Media zu üben.
Dafür hatte die Partei die Agentur
Storymachine engagiert. Die Kommunika-
tionsberater erläuterten unter anderem,
warum ausgerechnet der jüngste CDU-Bun-
destagsabgeordnete Philipp Amthor, 27,
eine Social-Media-Marke ist: Amthor sei
selbstironisch, smart und authentisch. Der
Goldstandard in der Kommunikation.
Zwei Tage dauerte das Seminar: Die
CDU-Mitglieder erfuhren, wie sie gezielt
auf Social Media und im datengestützten
Tür-zu-Tür-Wahlkampf unentschlossene
Wähler ansprechen. Im Community-
Management lernten sie, auch Fehler
zu zugeben – und wie man das am besten
macht. Bis Jahresende sollen 100 Kreis-
verbände geschult werden.
Der Praxistest folgte schneller als
erwartet. Am Montag musste die CDU
einfangen, was sie am Samstag diskutiert
hatte. Ein Seminarteilnehmer hatte eine
Folie aus einer Präsentation gepostet, auf
der stand, die CDU brauche „mehr MILFs“.
Das Kürzel beschreibt im Porno-Jargon ab-
schätzig attraktive Frauen jenseits der 30.
Ein Grünen-Mitarbeiter im Bundestag
prangerte den Post auf Twitter als sexistisch
an. Im neu eingerichteten CDU-News-
room rollten sie zwar mit den Augen, baten
aber um Entschuldigung. Die Folie sei der
satirische Einstieg in ein Thema gewesen.
Fehler zugegeben, Thema abgeräumt. n

JAN GARVERT

Ich finde wichtig, dass
Politiker ihren Charak-
ter durch die Kleidung
unterstreichen. Da
muss nicht unbedingt
Uniformität herrschen.
Wenn sich zum Beispiel
Claudia Roth bunt klei-
det, unterstreicht es ihre
Individualität, das ist durch-
aus stilvoll. Allgemein finde
ich es schade, dass einige
Abgeordnete im Bundestag
kaum Wert auf ihr Äußeres
legen. Die Würde des Hauses
gebietet eine angemessene
Kleidung.
Gibt es in der Politik
Stil-Ikonen?
Da fällt mir sofort John F.
Kennedy ein. Der US-Präsident hat den
preppy Gentleman-Look gelebt, das war
stilprägend damals schon und weit über
seinen Tod hinaus.
Und heute?
Am ehesten Emmanuel Macron.
Wenn Sie an deutsche Politiker denken ...
... dann fallen mir Gerhard Schröder
und Karl-Theodor zu Guttenberg ein.
Und Ihr Vater?
Er kleidet sich stilvoll. Der Anzug ist
schon immer seine Arbeitskleidung. Mitt-
lerweile hat er ein sehr gutes Gespür
dafür entwickelt, Farben zu
kombinieren. Gelegentlich
helfe ich ihm dabei.
Was halten Sie vom
Habeck-Stil?
Grünen-Chef Robert Ha-
beck kombiniert gern schwar-
ze T-Shirts zum Anzug, das
lässt ihn jugendlich wirken.
Es passt zu ihm und zu sei-
ner Partei.
Kann man sich Stil kaufen?
Man kann sich eine Bera-
tung kaufen und modische
Kleidung. Einen eigenen Stil
ganz sicher nicht.
Gibt es einen Tipp, den jeder
Mann beherzigen sollte?
Er sollte sich kleiden, nicht verkleiden.
Stil ist im besten Fall authentisch.
Wird bei Ihnen zu Hause darüber gesprochen,
ob Ihr Vater Kanzler werden soll?
Unsere Gespräche sind immer vertrau-
lich. Bei uns gilt die Regel: Mein Vater
macht Politik, ich mache Mode. n

MARKUS C. HUREK

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Ich habe ein
besseres Stil-
empfinden als
mein Vater

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Johannes Laschet,
Mode-Blogger

Vater und Sohn
Johannes Laschet, 30,
ist der älteste Sohn von
Ministerpräsident Armin
Laschet, 59. Aufge-
wachsen in Aachen, lebt
er derzeit in Bonn
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